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Updated: 18.12.2012 15:51
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Kettenbildung auf Demonstration strafbar

Polizei prügelte kurdische Kundgebung auseinander - doch verurteilt wurde Versammlungsleiter Nick Brauns

Das gegenseitige Unterhacken ist ein gängiges Mittel zur Stärkung des Solidaritätsgefühls auf Demonstrationen. Für das Münchner Amtsgericht handelt es sich dagegen bei der Bildung einer Kette um versuchte Strafvereitelung in Tateinheit mit Widerstand gegen die Staatsgewalt. Der Journalist Nick Brauns wurde deswegen am Freitag 20. April 2007 vom Amtsgericht München zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 30 Euro plus Verfahrenskosten verurteilt.

Konkret ging es um eine Kundgebung gegen Massaker der türkischen Armee an der kurdischen Zivilbevölkerung. Am 1.April 2006 demonstrierten auf dem Münchner Stachus rund 100 Personen. Der Staatsschutz hatte bemängelt, dass auf Plakaten mit den Bildern getöteter Guerillakämpfer auch rote Sterne zu sehen waren, die Symbole einer Nachfolgeorganisation der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK seien. Nick Brauns als Versammlungsleiter hatte - wie auch von Polizeizeugen bestätigt -mehrfach per Megaphon die Träger dieser Plakate darauf hingewiesen, dass sie sich möglicherweise strafbar machten.

Ohne Vorwarnung hatte dann das Unterstützungskommando der Polizei (USK) die Kundgebung überrannt. Gezielt wurden die beiden Versammlungsleiter, Redner und Journalisten, aber auch ein Gewerkschaftssekretär festgenommen. Unter den Festgenommenen war dagegen kein einziger Träger der beanstandeten Plakate. Auch wurde kein einziges Plakat sichergestellt. Ein Polizeizeuge gab vor Gericht an, nicht einmal gewusst zu haben, um welche Plakate es sich gehandelt habe. "Das USK hat sich der vorsätzlichen Zerschlagung einer angemeldeten, demokratischen und völlig friedlich verlaufenden Versammlung schuldig gemacht. Nicht ich gehöre vor Gericht, sondern USK-Einsatzleiter Martin Schlegl", erklärte Nick Brauns in seiner Prozesserklärung.

Der als Zeuge geladene ver.di-Sekretär Orhan Akman bestätigte, dass die Kundgebung bis zum Eintreffen des USK völlig friedlich verlief. Die Sondereinheit habe den Platz "in einer Brutalität gestürmt, die ich noch nie erlebt habe", erklärte die als Zeugin Kundgebungsteilnehmerin Tatjana F. Die Beamten hätten ein "erschreckend aggressives Verhalten an den Tat gelegt, sich primär gegen die ausländischen Demonstrationsteilnehmer gerichtet habe. Der gleichfalls als Zeuge geladene Claus Schreer hatte USK-Einsatzleiter Martin Schlegl wegen Körperverletzung angezeigt, da ihn dieser grundlos zu Boden warf. Da zwei Polizeizeugen eine andere Darstellung lieferten, wurde das Verfahren gegen Schlegl allerdings eingestellt.

Vor Gericht stand stattdessen Versammlungsleiter Nick Brauns. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, angesichts der anstürmenden USK-Beamten mit anderen Demonstrationsteilnehmern eine Kette gebildet zu haben, um eine Personalienfeststellung oder Festnahme der Plakatträger zu verhindern. Nick Brauns bestritt die Strafvereitelung. Das Unterhaken habe der Stärkung des Solidaritätsgefühls der Demonstranten auf dem recht wimmeligen Platz gedient.

Freigesprochen wurde Nick Brauns vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung, der ursprünglich zu seiner Festnahme geführt hatte. USK-Einsatzleiter Martin Schlegl hatte behauptet, der Angeklagte habe ihm absichtlich mit einem Megaphon ins Ohr gebrüllt, so dass er 30 Minuten lang ein dumpfes Gefühl auf dem Ohr gehabt habe. Eine als Sachverständige geladene Ärztin schloss aus, dass das benutzte Megaphon zu einer Schädigung des Gehörs geführt haben könne.

Nach knapp einer halben Minute Bedenkzeit verlas Richterin Gudrun Girnghuber das offenbar schon vorher verfasste Urteil. Die vom Staatsanwalt noch für die beiden Delikte Strafvereitelung sowie Körperverletzung geforderten 70 Tagessätze zu 30 Euro übernahm sie vollständig. Da diese Strafe nun nur noch ein Delikt betraf, kam dies einer Verschärfung der vom Staatsanwalt geforderten Strafe gleich.

Im Ende März 2007 veröffentlichten bayerischen Verfassungsschutzbericht war übrigens schon zu lesen, dass es auf der kurdischen Kundgebung am 1.April 2006 zu Widerstandshandlungen gegen die Polizei kam, obwohl bis dahin noch keine diesbezügliche gerichtliche Entscheidung gefallen war.

Solidaritätsaufruf vom 23. April 2007

Prozesskostenhilfe:

Rote Hilfe e.V.
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BLZ 440 100 46
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Stichwort: 1.April


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