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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Der Nahe Osten als Projektionsfläche Ein Rundumblick über historische Projektionen von Antideutschen, Antiimperialisten, Antisemiten und Anderen Artikel von Bernard Schmid in einer Überarbeitung für das LabourNet Germany vom 19.8.06 zurück zu Vorwort und Gliederung Kap. 4: «Antideutsch» mit fliegenden Fahnen für den Krieg Auf der anderen Seite des (im weitesten Sinne) linken oder gesellschaftskritischen Spektrums, aber den «Antiimperialisten» - in denen sie das Schlimmste überhaupt erblicken, kurz hinter den Nazis, wenn nicht auf gleicher Höhe mit ihnen - spinnefeind gesonnen, findet man in den letzten Jahren die so genannten Antideutschen. Robert Misik portraitierte sie jüngst mit folgenden Worten (>> http://www.taz.de/pt/2006/07/26/a0107.1/text ) in der 'taz', wo ansonsten übrigens auch Vertreter dieser Strömung während des Libanonkriegs zu Wort gekommen sind: «...und immer mit dabei (Anm. d. Verf.: bei den Befürwortern des Krieges im Libanon) die 'Antideutschen', diese groteskeste Narrentruppe deutschen Schuldkomplexes, die als Ergebnis der Gleichung 'Deutsche böse = Opfer der Deutschen gut = Gegner der Opfer böse' zu einer ebenso krausen wie strammen proamerikanischen, proisraelischen und antimuslimischen Linken geworden sind.» Geburt einer Ideologie Diese Präsentation ist äußerst vergröbernd. Zumal sie nicht die Hintergründe der Entstehung dieser Strömung oder eher Gesinnungsgemeinschaft, die in keinem der Nachbarländer (mit Ausnahme von Österreich) auch nur annähernd ihresgleichen findet, beleuchtet. Die heute so genannten «Antideutschen», während der ersten Jahre sprach man noch eher von «Antinationalen»[2], entstanden zunächst als Reaktion auf alte Orientierungen und Irrtümer der Linken, wobei die Protagonisten diesen ein um 180° Grad entgegengesetztes Extrem folgen ließen. Die Geburt ihrer Ideologie widerspiegelt zuerst den Paradigmenwechsel, der in den späten 80er Jahren infolge der Umbrüche in der internationalen Ordnung und der Infragestellung des bislang dominierenden Orientierungselements des Antiimperialismus eingesetzt hatte. Zum Zweiten hatte sich - aus Sicht vieler verbliebener radikaler Gesellschaftskritiker - im Laufe jenes Jahrzehnts mit dem Aufstieg der grünen Partei, und ihrer Entwicklung im politischen System der Bundesrepublik, eine «Anpassungstendenz» durchgesetzt. Ein Trend, der viele ehemals radikale Linke dazu brachte, ruhigen Gewissens ihren Frieden mit dem System zu machen und zu Besserverdienden aufzusteigen. Jene, die diese Entwicklung nicht mitmachen wollten, fanden sich 1988/89 zum Teil in einem lockeren Bündnis namens «Radikale Linke» (RL) zusammen. Unter ihnen wurde von Manchen die Vorstellung kultiviert, nach den (in kritischer Absicht gesprochenen) Worten eines Beteiligten, als Häuflein der letzten Aufrechten «der Fels in der Brandung» zu sein. Hinzu kam zum Dritten eine ausgeprägte Furcht, die mit dem Fall der innereuropäischen Blockgrenze und dem Zusammenbruch der DDR 1989/90 einher ging. Zusammen mit dem Eindruck eines Scheiterns vor dem Hintergrund des Trends hin zu «Rot-Grün» (der 1989 in der westdeutschen Linken unüberwindbar stark geworden zu sein schien; damals schien bis vor kurz vor der Wiedervereinigung ein nahender Wahlsieg von SPD und Grünen felsenfest sicher, er wurde dann aber durch die deutsch-deutsche Entwicklung um 8 oder 9 Jahre verzögert) sahen sich die zurückgebliebenen Gesellschaftskritiker nun erst recht beunruhigt. Ja, manche wurden von fast existenzieller Panik erfasst. Die massenhafte Zustimmung zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten in der Noch-DDR, die sicherlich in der Realität auch ausgeprägte ökonomische Triebkräfte hatte, wurde in erster Linie als Massenmobilisierung zugusten des deutschen Nationalismus betrachtet. Wohin die Entwicklung führen würde, schien offen, ein heraufziehendes «Viertes Reich» nicht ausgeschlossen, zusammen vielleicht mit gewaltsamen Grenzverschiebungen in Osteuropa nach dem Ende des «Eisernen Vorhangs». Tatsächlich kam es vor allem in den Anfangsjahren nach dem Zusammenschluss von BRD und DDR nicht nur zu einer Welle von nationalistischen und rassistischen Manifestationen, sondern auch zu massenhafter Gewalt gegen Einwanderer vor allem im Zusammenhang mit der so genannten «Asyldebatte» (1991 bis 93). In Hoyerswerda (1991) und Rostock (1992) verbrannten Gebäude, in Mölln (1992) und Solingen (1993) dann auch Menschen. Einen Bezug zu Israel und den Konflikten im Nahen Osten hatte dies zunächst nicht unmittelbar, bekam ihn aber im Laufe des Golfkriegs von Januar/Februar 1991. In den ersten Tagen der Flächenbombardierung des Irak antwortete die dortige Diktatur auf die Offensive der von den USA geführten Kriegskoalition, indem sie Scud-Raketen (sowjetischer Bauarbeit, aber mit Hilfe des deutschen Thyssen-Konzerns aufgemotzt) auf militärische Stellungen in Saudi-Arabien und dann auch in Richtung Israel abfeuern ließ. Die dort, in Israel, entstandenen Schäden waren damals gering, sieht man von zwei Todesopfern ab, und stehen in keinem Verhältnis zu den jetzigen Auswirkungen des Beschusses mit Katjuscha-Raketen durch die Hizbollah. Aber in ihrer Wirkung sollten sie vor allem dazu dienen, die Meinung der Straße in vielen arabischen Ländern zugunsten des irakischen Regimes zu mobilisieren, indem die Konfrontation ausgeweitet wurde. Verbal drohte der irakische Präsident Saddam Hussein später damit, die (wenig treffsicheren) Raketen beim nächsten Beschuss mit Giftgasköpfen zu bestücken. Militärisch war er dazu mutma b lich nicht in der Lage, da die Verlängerung der Reichweite dieser Kurzstreckenraketen durch Thyssen auf Kosten ihrer Trägerkapazität ging. Aber verlassen wollte man sich darauf in der israelischen Bevölkerung nicht, zumal fest stand, dass das irakische Regime zum damaligen Zeitpunkt C-Waffen besa b : Es hatte 1988 Giftgas gegen Kurden im Nordirak eingesetzt. (Wogegen in Westdeutschland nur kleine Gruppen, u.a. linkere Gruppen am Rande der breiten Friedensbewegung gegen die NATO-Nachrüstung, protestiert hatten, während der Irak die technologischen Grundlagen dafür u.a. aus der BRD bezogen hatte.) Daher saßen viele Menschen in Israel verängstigt in Schutzbunkern, und die Drohung mit dem Giftgaseinsatz rief natürlich historische Traumata wach. Und da es zum Teil deutsche Firmen waren, die dem Irak bei der chemischen Aufrüstung geholfen hatten, wurden historisch aufgeladene Vorwürfe laut und Vergleiche zu jenen (anderen) deutschen Firmen, die Giftgas in die Vernichtungslager geliefert hatten, gezogen. Dies ist die Geburtsstunde dessen, was später zur «antideutschen» Ideologie werden sollte. Angesichts der noch frischen Warnungen vor dem «Vierten Reich» - die staatliche Vereinigung von BRD und DDR, im Oktober 1990, lag zum Zeitpunkt des Golfkriegs nur drei Monate zurück - schienen diese lauten Vorwürfe nun die Wiederkehr des historischen Monstrums zu bestätigen. Eine Assoziationskette war schnell gesponnen, an der damals einige Beiträge in der 'taz' (namentlich von dem Historiker Götz Aly) sowie der Zeitschrift 'Konkret' (ab ihrer Ausgabe 03/1991) mit strickten: Deutschland findet zu seiner Vergangenheit zurück; Deutschland hat dem Irak Giftgas geliefert; das irakische Regime möchte Israel auslöschen und bereitet sich darauf vor; zugleich gehen in Deutschland Hunderttausende Menschen gegen die Bombardierung des Irak auf die Straße. Klar war damit scheinbar folgendes: Hitlers langer Arm macht nun seine Pläne zur Ausrottung der Juden mittels Gasmord wahr. Ähnlich, wie viele Deutsche nach 1945 nur an die Opfer der Bombardierung Dresdens dachten und daher sich selbst und ihre Nation zum angeblichen Opfer des Zweiten Weltkriegs stilisierten, ist auch dieses Mal die Empörung über die Bombenteppiche nur die Ablenkung vom wahren Verbrechen (wie damals vom Holocaust). Die deutschen Massen sind, einmal mehr, Komplizen eines schnauzbärtigen Diktators, der vom Ende der Juden träumt. In Wirklichkeit waren die Dinge nicht ganz genauso miteinander verkettet, wie man es wahrhaben wollte. Tatsächlich hatten deutsche Firmen (neben französischen und US-amerikanischen Unternehmen oder staatlichen Institutionen) in den 80er Jahren an der Aufrüstung des Irak, auch im nicht konventionellen Bereich, mitgewirkt. Aber diese Aufrüstung hatte nicht zum Zweck, einen Angriff auf Israel zu ermöglichen, sondern erfolgte im Rahmen des Krieges zwischen dem Irak und dem Iran. Dieser mörderische Krieg, der von 1980 bis 88 dauerte, wurde durch fast alle führenden Industrieländer mit massiven Waffenlieferungen (oft an beide Seiten, wie im Falle der Bundesrepublik, während Frankreich «einseitig» den Irak ausrüstete) unterhalten. Trug er doch dazu bei, die eigene Konjunktur zu unterstützen, aber auch zwei Regionalmächte zu schwächen, die OPEC zu spalten und den Ölpreis (der 1985/86 sein historisches Rekordtief erreichte) damals in den Keller rutschen zu lassen. Eine Kriegsführung des Irak gegen Israel lag zu jener Zeit nicht im Bereich des Denkbaren, und es hätte auch nicht im Interesse der US-Administration gelegen, die ihrerseits ebenfalls massiv an der damaligen Aufrüstung des Irak - auch im Bereich der bakteriologischen Kriegführung, wie die 'New Tork Times' im August 2002 ausführlich berichtete - beteiligt war. Und schließlich waren offizielle deutsche Stellen am Jahresanfang 1991, zum Zeitpunkt des Krieges, längst auf einen Kurs der Unterstützung Israels und der Befürwortung des US-Krieges gegen den Irak eingeschwenkt. Zunächst hatte die Führung des wiedervereinigten Deutschland gar eigene Ambitionen zur militärischen Teilnahme an dem Konflikt angemeldet: Der damalige Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) schickte sich etwa im Oktober/November 1990 dazu an, 72 Tornado-Kampfflugzeuge der Bundeswehr auf die NATO-Basis Incirlik im Südosten der Türkei zu verlegen. Also in die Nähe des absehbaren Kriegsschauplatzes, und eventuell in Reichweite irakischer Raketen. Doch die Ambitionen der Bundesrepublik, die soeben mit dem Zwei-plus-Vertrag frisch ihre volle staatliche Souveränität zurück erlangt hatte, wurden durch ihre westlichen Bündnispartner ausgebremst: Einer allzu schnellen Ausweitung des militärischen Aktionsradius der Bundeswehr mochten diese nicht zustimmen. Der Kohl-Regierung wurde beschieden, man habe sie nicht um militärische Hilfe gerufen. Dass Ende Januar 1991 in Deutschland die Diskussion aufflammte, ob man nicht militärisch dem bedrohten Israel zu Hilfe kommen müsse (konkret aufgehängt an der Aufforderung, Abwehrraketen vom Typ 'Patriot' aus Bundeswehrbeständen zu liefern), verschaffte vielen deutschen Politikern einen moralisch blütenweißen und von «historischer Sensibilität» zeugenden Vorwand, um eine stärkere Rolle Deutschlands wieder ins Gespräch zu bringen. Ein SPD-Politiker, der damalige Wiesbadener Oberbürgermeister Achim Exner, wollte gleich die Bundeswehr nach Israel entsenden, wurde aber zurückgepfiffen, zumal man das dort gar nicht gefordert hatte. Ein Bundeswehrgeneral, Reinhard Schmückle, der dem damaligen CSU-Chef F-J. Strauß nahe stand, bezeichnete die Präsenz der Bundeswehr im türkischen Incirlik - die auf ein paar kleinere Flugzeuge vom Typ 'Alpha-Jet' hatte abgespeckt werden müssen, nachdem die Verbündeten keine Tornados der Bundeswehr anfordern wollten - als «praktische Trauerarbeit und Vergangenheitsbewältigung». So ging nationaler Wiederaufstieg im Jahr 1991, und an dem Grundmuster hat sich seither wohl nicht sooo viel geändert. Aber die Gründer der neuen ideologischen Strömung hinderte das nicht daran, ein anderes Szenario aufzumachen: Das «Vierte Reich» agierte doch sichtbar, im Schatten des Golfkonflikts, verborgen hinter den Umrissen der irakischen Diktatur, die mit massenhafter Komplizenschaft der (friedensbewegten) Deutschen auf den Straßen agierte. Die militärischen Angebote an die westlichen Mächte hinter den USA dienten nur zur Täuschung, waren aber ein durchsichtiges Manöver. Anlässlich einer Diskussion mit mehreren AutorInnen, die in 'Konkret' 06/1991 publiziert wurde, vertraten mindestens anderthalb - Eva Groepler und, zögernd, auch Hermann L. Gremliza - implizit oder explizit die Auffassung, Deutschland sei in Wirklichkeit «wenn Kriegspartei, dann auf der Seite des Irak» gewesen. War das zum damaligen Zeitpunkt noch eher eine bloße Assoziationskette, die auf nicht allzu viel tiefgreifende theoretische Reflexion abgestützt war, so ging der «harte Kern» in den folgenden Jahren daran, eine veritable Ideologie darauf zu konstruieren. In «antideutschen» Publikationen wie der (kleinen) Berliner Zeitschrift 'Bahamas', aber auch durch eine Reihe von Beiträgen in pluralistischen linken Organen wie der Wochenzeitung 'Jungle World' oder am Rande auch der 'taz' wurde diese allmählich, Zug um Zug, ausformuliert. Dies bedeutet nicht, dass man es mit einer starken, durchstrukturierten Partei zu tun hätte: Die Szene ist in unzählige kleine Gruppen aufgesplittert (wobei Justus Wertmüller und seine Jünger die mit Abstand dienstälteste Combo unter dem Label 'Bahamas' formieren), die sich oftmals untereinander nicht grün sind und ihre Ideologie auch in unterschiedlichen Abstufungen und unterschiedlicher Intensität vertreten. Und in den genannten Publikationsorganen - mit Ausnahme der 'Bahamas', die das Organ einer hermetisch abgeschotteteten Sekte bildet, seitdem die in den neunziger Jahren noch dort mitmachenden intelligenteren Strömungen sich 1999 von ihr getrennt haben - kommen auch noch andere, abweichende Stimmen zu Wort. Argumentative Zirkelschlüsse und Tautologien Eine der zentralen Aussagen der «Antideutschen» bezüglich der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten - gleichgültig ob es sich nun um den Libanon, um den Einmarsch im Irak 2003 oder um einen möglichen Krieg gegen den Iran drehe - lautet so: Israel wird von allen Seiten von Antisemiten bedroht, die nur darauf lauern, über es herzufallen. Diese stellen die Wiedergänger des Nationalsozialismus dar und werden genau deshalb (im Namen «falscher Friedenssehnsucht») durch die deutsche, aber auch europäische Öffentlichkeit unterstützt. Sofern diese dem Krieg nichts Positives abzugewinnen vermag, so hat dies dieselbe Qualität, wie wenn Deutsche einstmals über ihre zerbombten Städte jammerten, anstatt den Holocaust zu bedauern/verhindern. Den unter dem Label 'Friedensbewegung' auftretenden «Mob» - letzteren Begriff benutzte etwa der Publizist Thomas von der Osten-Sacken in 'Konkret' 2003 explizit - gilt es deshalb schonungslos zu bekämpfen. (Nebenbei bemerkt, passt diese Sichtweise von Israel und seinen Nachbarn, die als übermächtig und abgrundtief bösartig erscheinen, ziemlich gut zur dereinst begründeten Selbstsicht als «der Fels in der Brandung», der den tosenden Stürmen der gegenwärtigen Periode trotzt. Auch insofern bedient also auch diese Vision identifikatorische Bedürfnisse.) Die Tatsache, dass es Konflikte beispielsweise zwischen Israel und den Palästinensern oder aktuell zwischen Israel und dem Libanon gibt, ist demnach ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Leute in den letztgenannten Ländern mordlustige Antisemiten sind, so wie die Deutschen des Dritten Reiches mordgierge Antisemiten waren. (Von kleineren Minderheiten kann jeweils abgesehen werden.) Und man soll nicht mit dem Argument kommen, dass es im Falle des Nahen Ostens aber reale Interessenkonflikte gebe, zum Beispiel weil einige Hunderttausend Palästinenser 1948 sowie 1967 vertrieben worden sind und weil das Westjordanland seit 1967 unter militärischer Besetzung (mit einigen lokalen Autonomierechten für manche Örtlichkeiten seit dem Oslo-Abkommen) lebt. Per Definition darf das nämlich keine Rolle spielen. Dazu Matthias Künzel, ein führender antideutscher Autor, der in den Jahren 2004 und 2005 auch mehrfach durch die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU als Referent zum Thema Nahostkonflikt eingeladen worden ist und der jüngst in 'SPIEGEL Online' anfeuernde Äußerungen (>> http://www.matthiaskuentzel.de/contents/warum-israel-richtig-reagiert ) zur Kriegsführung Israels im Libanon publizieren konnte, im Originalton (>> http://www.matthiaskuentzel.de/contents/ahmadinejads-antisemitismus-und-der-gegenwaertige-krieg ): « Die Antwort findet sich selten in den Massenmedien unserer Tage, um so häufiger jedoch in den Stellungnahmen aus Gaza-Stadt, Beirut und Teheran: Israel ist heute mit der vielleicht massivsten Bedrohung seiner Existenz seit 1948 konfrontiert, weil ein eliminatorischer islamischer Antisemitismus im Zentrum jenes Religionskriegs steht, den der Islamismus gegen den Westen insgesamt führt (...). Bekanntlich hatten auch die Nazis mit Juden weder ein Grenz-, noch ein Flüchtlingsproblem. Die Geschichte zeigt, dass Antisemitismus von konkretem jüdischen Verhalten völlig abgekoppelt ist - im Nahen Osten ebenso, wie anderswo in der Welt. Zwar mag eine kritikwürdige Politik der israelischen Regierung den Zorn auf diese Regierung steigern - in keinem Fall verschafft sie dem Angriff auf Israels Existenz Plausibilität. (...) So wie Hitler seiner antisemitischen Propaganda aufs Worte glaubte und deshalb mit dem millionenfachen Mord an Juden die Menschheit tatsächlich zu 'befreien' suchte, so glauben auch die Islamisten ihrer Hasspropaganda aufs Wort (...)» Der Kern des Denkfehlers liegt vielleicht in dem scheinbar unbedeutenden Wörtchen «auch». Denn während es absolut zutrifft, dass «die Nazis mit Juden weder ein Grenz- noch ein Flüchtlinsproblem» hatten, noch im Übrigen jemals durch Juden unterdrückt worden waren, so ist genau dies für Menschen in «Gaza-Stadt, Beirut» tatsächlich der Fall. Insofern liegt vielleicht schon hier ein wesensmäßiger Unterschied begründet, zumal die Parallele auch darin schief ist, dass die Nationalsozialisten keinen «Religionskrieg» führten, wie Matthias Küntzel über die Islamisten schreibt (selbst wenn man der Auffassung sein kann, dass auch deren Kampf in Wirklichkeit weitaus eher politisch denn religiös ist). Aber an dieser Stelle geraten wir, so wir den antideutschen Ideologen folgen, in einen Zirkelschluss. Einen gnadenlosen Zirkelschluss, aus dem es keinerlei argumentatives Entrinnen gibt. Dessen erstes Postulat lautet: Die Juden waren nicht an ihrer Verfolgung durch Antisemiten, etwa im Nationalsozialismus, selbst schuld. Dem lässt sich kaum widersprechen, sondern nur zustimmen. Zweites Postulat: Im Nahen und Mittleren Osten haben wir es heute mit demselben Typus von Antisemitismus zu tun. Daraus folgt dann das dritte Postulat: Wenn dem aber so ist, dann trifft es auch zu, dass jegliches konkrete Verhalten und jede Politik seitens des Staates Israels in keinerlei Zusammenhang mit dem Hass seiner Gegner stehen kann; also im Zusammenhang mit dem Konflikt auch nicht zu kritisieren ist. Denn, viertes Postulat, so etwas zu behaupten, würde wiederum bedeuten, den Juden selbst die Schuld am Antisemitismus zu geben. Von diesem Schema ausgehend, lässt sich eine neue Faustregel aufstellen: § 1: Israel ist in dem Konflikt grundsätzlich immer im Recht. § 2: Sollte es einmal Unrecht haben (oder begehen), so tritt automatisch § 1 in Kraft. Auf diese Weise verbietet man sich, einen sehr real stattfindenden Konflikt auch nur zu denken, auch nur wahrzunehmen, und er kann natürlich auch keine Lösung finden - außer solchen militärischer Natur, in denen die Bösen niedergeworfen werden. Die Bevölkerung Israels wäre zweifellos schlecht beraten, würde sie auf solche Quacksalber und ihren ahistorischen Unfug hören. Exakt mit der vorgenannten Begründung, er gebe also den Juden die Schuld (oder Mitschuld) am Antisemitismus, hatte der Verbrecher Verlag - ein Kleinverlag in Berlin, der personell eng mit der 'taz' und der Wochenzeitung 'Jungle World' verwoben ist - im Jahr 2002 einen Tagungsbeitrag des liberalen libanesischen Journalisten Hazem Saghiyah für einen Kongress-Sammelband unter dem Titel «Elfter September Nulleins» ins Nachwort verbannt und mit einem distanzierenden Vorwort versehen. Saghiyah, der vor allem für pro-westliche arabische Zeitungen wie 'El-Hayat' (London) schreibt, hatte in seinem Beitrag zuvor explizit geschrieben: «Die Äußerungen von Roger Garaudy ( Anm. d. Verf.: ein französischer Auschwitzleugner, der zu Konferenzen in arabische Länder eingeladen wurde, dort und vor allem in Beirut aber auch auf Gegenreaktionen von Intellektuellen stieß ) und Seinesgleichen, die Schriften und Predigten, die Erklärungen und Fernsehprogramme zeigen, dass der arabische Antisemitismus vorhanden und stark, ja so gefährlich ist, dass er bekämpft werden muss». Aber er hatte hinzu gefügt, die «Fortsetzung der Besatzung» produziere «Gewalt und Gegengewalt in den Beziehungen zwischen den beiden Völkern» - dem israelischen und dem palästinensischen - und nähre deshalb den «gefährlichsten Antisemitismus». Dies genügte, damit das Verdikt fiel: Der Autor gebe den Juden eine Mitschuld am Antisemitismus, deshalb sei sein Beitrag verwerflich. Der Denkfehler liegt vielleicht schon darin begründet, wie der Begriff des Antisemitismus durch diese Autoren benutzt wird. Indem sie ihn auf die (ihnen im Konkreten weitestgehend unbekannten) Verhältnisse im Nahen und Mittleren Osten und die dort vielerorts anzutreffende Ablehnung des Staates Israels ebenso wie auf das nationalsozialistisch beherrschte Europa anwenden, unterstellen sie eine Wesensidentität zwischen beiden Erscheinungen. Ab da kann für den Nahen Osten nur zutreffen, was auch auf das Europa unter dem Hakenkreuz zutrifft, und umgekehrt. So benutzt, ist der Begriff aber schlichtweg fehl am Platze: Kein Deutscher konnte, vor oder nach 1933, von sich behaupten, er werde real von Juden unterdrückt. In Wirklichkeit handelte es sich dabei ausschließlich um eine ideologische Projektion: Unterdrückt worden war er vielleicht vom prügelnden Vater, vom deutschnationalen Lehrer mit dem Rohrstock, vom brüllenden Offizier im Schützengraben oder vom Fabrikherrn. Erleichtert wurde die auf «den Juden» vorgenommene Projektion der Ursprünge allen Übelns dadurch, dass die jüdische Minderheit in vielen Köpfen mit der Entstehung des modernen Kapitalismus, aber gleichzeitig auch des Kommunismus (wobei beide Seiten der Klassenpolarisierung als zwei Köpfe ein und derselben Schlange bzw. Weltverschwörung herbei halluziniert wurden) identifiziert wurde. Denn die jüdische Minderheit war in gewissem Maße in Handels- und Finanzberufen konzentriert (aus historischen Gründen, da ihr im Mittelalter die meisten anderen Berufsstände untersagt blieben, der Job als Geldverleiher aber den Schutz des Fürsten versprach). Sie war über Ländergrenzen hinweg verstreut und damit «wurzellos» wie das Grenzen sprengende oder überschreitende Kapital. Und gleichzeitig war sie überdurchschnittlich hoch gebildet und deshalb auch unter den frühen Revolutionären und Vordenkern oder Anführern der Arbeiterbewegung (Marx, Trotzki, Léon Blum...) überdurchschnttlich präsent, gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung . Schon diese Grundlagen der Projektion kann man in arabischen Ländern so nicht antreffen: Würde man einen durchschnittlichen Araber befragen, welches Volk typischerweise im Handel tätig ist und über die ganze Welt verstreut lebt, bekäme man zur Antwort: «Libanesen natürlich.» (In jedem besseren Arabischkurs kommt eine Lektion vor, in der es um Libanesen geht, die ausgewandert und durch Handel reich geworden sind. Und man trifft ja tatsächlich solche Libanesen von Westafrika bis in die Karibik.) Dagegen erscheinen «Juden», sofern sie mit Zionisten und Einwohnern Israels gleichgesetzt werden, in der arabischen Vorstellung eher - sei es nun zu Recht oder zu Unrecht - als «europäische Kolonisatoren», die Land an sich reißen. Und dass sie einer Unterdrückung durch Menschen, die sich selbst als Juden begreifen, ausgesetzt waren oder sind; nun ja, dies wird man vielen Palästinensern (konfrontiert mit als Herrenmenschen auftretenden Siedlern in den besetzten Territorien) oder auch Libanesen, in deren Land Israel zusammen mit Syrien seit 1976 einen mörderischen Bürgerkrieg angeheizt hatte und wohin israelische Truppen 1982 einmarschiert sind, wohl kaum absprechen können. Daraus kann man nun Unterschiedliches schlussfolgern. Man könnte dazu übergehen, den Begriff des Antisemitismus als solchen - deshalb, weil er nach der Shoah auf eine bestimmte Geschichte und ihre mörderlischen Konsequenzen verweist, und weil er nicht losgelöst von dieser historischen Prägung gedacht werden kann - im Zusammenhang mit dem Nahen Osten für ungeeignet zu halten. Das bedeutet nun nicht, verschweigen zu wollen, dass es in den arabischen Ländern Ablehnung von und Hass auf Israel gibt. Aber diese können nicht unabhängig davon betrachtet werden, dass ihnen in ihrem Ausgangspunkt ein real stattfindender Konflikt (um Trinkwasserversorgung, um Landenteignung, um Checkpoints, um politische Souveränität, um stattgefundene Vertreibungen...) zugrunde liegt. Dies unterscheidet den Konflikt und den daraus erwachsenen Hass fundamental vom Antisemitismus der Nazis, denn diesem lag kein Konflikt zugrunde: Es wäre eine Lüge, wollte man vom «deutsch-jüdischen Konflikt in den Jahren 1933 bis 1945» sprechen, wo es nur einseitige Verfolgung gegeben hat. Deshalb wird eine solche Begrifflichkeit auch nur von Nazis und Geschichtsrevisionisten benutzt. Aber selbst die hartgesottensten Antideutschen benutzen, bisher jedenfalls, in Bezug auf den Nahen Osten den Begriff vom «Konflikt». Selbstverständlich gibt es heute auf arabischer Seite einen über den realen Einsatz des Konflikts hinaus reichenden Hass auf jüdische Israelis, denen (oder deren Religion) von Manchen grundsätzlich negative Eigenschaften zugeschrieben werden. Aber vielleicht sollte man dabei eher von einem «national-religiösen Chauvinismus als Konfliktideologie» o.ä. sprechen. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass in manchen Bewegungen oder Publikationsorganen diesem Chauvinismus eine Reihe von Versatzstücken klassischer antisemitischer Verschwörungstheorien aus Europa, im Hinblick auf die vermeintliche weltweite Rolle des Judentums, untergerührt worden sind. Vielleicht sollte man insofern doch von Antisemitismus sprechen, zumal es ja auch unterschiedliche Formen von Antisemitismus gibt: Der christliche Antijudaismus oder der Antisemitismus der Pogrome in Russland sind nicht annähernd mit dem staatlichen Vernichtungsprogramm NS-Deutschlands in eins zu setzen. Insofern kann der Begriff des Antisemitismus möglicher Weise Verwendung finden. Aber auf alle Fälle wäre klar darauf hinzuweisen, dass dieser andere Grundlagen hat als der Antisemitismus im Europa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Es gab keinen «deutsch-jüdischen Konflikt», aber es gibt jüdisch-arabische Konflikte. Parforceritt durch die Geschichte Die hermetisch von allen störenden Wirklichkeitseinflüssen abgeschottete Weltsicht führender Autoren der Antideutschen und der ihnen folgenden Gesinnungsgemeinschaft bringt unterdessen der oben zitierte Matthias Küntzel vorzüglich zum Ausdruck, wenn er etwa (>> http://www.matthiaskuentzel.de/contents/von-zeesen-bis-beirut ) erläutert: «Erst als auch Nassers Feldzug gegen Israel im Sechs-Tage-Krieg von 1967 kläglich gescheitert war, wurde der zuvor geschürte Hass auf Juden islamistisch radikalisiert. (...) Eine weitere Steigerung wurde 1982 erreicht, als die Hizbollah damit begann, Menschen systematisch als Bomben einzusetzen. Der Hass auf Juden war nun größer als die Furcht vor dem Tod; die Ideologie der Vernichtung schlug in die Praxis der Zerfetzung beliebiger Juden um. Wann immer die Möglichkeit einer friedlichen Lösung am Horizont erschien, wurde sie im Blut suizidaler Massenmorde ertränkt. Die erste große Selbstmordbomber-Serie begann in Palästina 1993/94, als der Osloer Friedensprozess gerade in Gang gekommen war. Sie wurde im Oktober 2000 wieder aufgenommen (...)» Dieser historische Parforceritt über Stock und Stein belegt anschaulich, wie man es auch machen kann, wenn man von Geschichte nur das wahrnehmen möchte, was durch den engen Filter des eigenen Interpretationsrasters hindurch passt. Bei Küntzel ist es scheinbar ein sich ausschließlich aus sich selbst heraus nährender Judenhass, der den historischen Ereignissen im gesamten Nahen Osten zugrunde liegt. Eine kleine Rückblende auf die tatsächlichen historischen Ereignisse lässt zu Tage treten, was bei dieser Propagandaversion von Geschichte ausgeblendet wird. Zwischen 1967 und 1982 liegen fünfzehn Jahre, die bei Küntzel ein Vakuum bilden, bis dann die Hizbollah urplötzlich auf die Idee kommt, Selbstmordattentäter einzusetzen - folgt man Küntzel, dann war dies Ausdruck von purem Judenhass und richtete sich gegen beliebige Juden. Leider vergisst der Autor, hinzuzufügen, dass Israel 1982 zuerst im Libanon einmarschiert war[3]. Dort gab es zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt keine Hizbollah, sondern lediglich eine säkulare PLO (bestehend aus einem bürgerlich-nationalistischen Mehrheitsflügel und mehreren marxistisch angehauchten, linksnationalistischen Fraktionen sowie einigen militaristischen Desperadogruppen in ihrem Umfeld). Um ihre Bekämpfung ging es Israel dabei, und um diesem Ziel näher zu rücken, wollte Israel die libanesisch-christliche «Falange» an die Macht bringen. Die Falange (so ihr französischer Name, die arabische Bezeichnung lautet «Kataeb» für Kampfeinheit, Phalanx) war eine Organisation, die starke Anklänge zum historischen Faschismus aufweist: Ihr Gründervater Pierre Gemayel hatte sie 1936 aus der Taufe gehoben, als er begeistert von den Olympischen Spielen in Hitlers Berlin nach Hause kam. Wer unbedingt die Kriege des Staates Israel als Remake des Zweiten Weltkriegs und antifaschistischen Kampf betrachten möchte, den stören solche Feinheiten natürlich eher. Der jüngste Sohn von Pierre Gemayel, Baschir Gemayel, wurde 1982 mit israelischer Hilfe zum Präsidenten des Libanon. Doch im September jenes Jahres wurde er bei einem Attentat getötet, bevor sein Bruder Amin Gemayel (Präsident von 1982 bis 89) seine Nachfolge im Amt antrat. Die libanesische Falange unterhielt eine bewaffnete paramilitärische Organisation unter dem Namen Forces Libanaises, die gegen Marxisten und Palästinenser kämpfte und in deren Reihen sich in den 80er Jahren auch einige französische rechtsextreme Söldner befanden[4]. Im Südlibanon, wo besonders viele Angehörige der schiitischen Konfession leben, baute Israel schon seit Ende der 70er Jahre eine vor allem aus christlichen Milizionären bestehende Kollaborateursarmee unter dem Titel South Lebanon Army (SLA) auf. In der dortigen Zone wüteten die israelische Armee und die SLA noch bis Ende der neunziger Jahre in einer Weise, die die Menschenrechtsorganisation Amnesty international in ihrem Jahresbericht 1998 (http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/0/867c1c65a1b8eb25c1256aa0002eb20c?OpenDocument) schreiben ließ : «Zahlreiche im Südlibanon von der SLA und den IDF (Anm.: letztere Abkürzung bezeichnet die israelische Armee) festgenommene Personen wurden entweder ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren im Khiam-Haftzentrum festgehalten oder auf israelisches Hoheitsgebiet gebracht.» Und in einem Sonderbericht von 1999 (>> http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/0/ed7a32a9a92908abc1256aa00042cf8b?OpenDocument ) heißt es darüber: «Die Foltermethoden der israelischen Streitkräfte gegen gefangengenommene Libanesen sind offenbar noch grausamer als die vom 'Allgemeinen Sicherheitsdienst' (GSS) gegen inhaftierte Palästinenser angewandte Art der Folter." Auch im Jahresbericht 2000 (http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/0/fce6cdad59cab17ac1256aa00045d530?OpenDocument) ist noch detailliert von Folterungen durch die SLA und in der damaligen israelischen «Sicherheitszone» im Südlibanon die Rede. DESHALB ist die Hizbollah, bei aller berechtigten Kritik an ihrer antiemanzipatorischen weil den politischen Konflikt tendenziell zu einem Religionskrieg umdeutenden Ideologie, im Libanon so populär. Deswegen, da sie es (zu erheblichen Teilen) geschafft hat, diese Soldateska und die israelische Besatzung bis im Jahr 2000 aus dem Land zu werfen. Die Hizbollah genießt deswegen erhebliche Popularität im Libanon, welche man äu b erlich nachvollziehen kann, ohne die hässliche Seite der Ideologie dieser Bewegung zu übersehen. Hinzu kommen die Tatsachen, dass die libanesische Armee 1982 ihr Land nicht gegen die israelischen (und syrischen) Invasoren verteidigt hat - sie hatte sich zu Beginn des Bürgerkriegs in konfessionnelle Gruppen aufgespalten, deren wichtigste zunächst die christlichen Milizen waren - und dass die Warlords der anderen Konfessionen (Christen, Drusen) innerhalb des Libanon erheblich mehr Blut von ZivilistInnen anderer Religionszugehörigkeit vergossen haben als die Hizbollah, die ihren Kampf damals auf die Okkupanten konzentrierte. Das alles macht die Hizbollah beileibe zu keiner politisch progressiven Bewegung: Sie bleibt eine Miliz mit einer national-religiösen Ideologie, die glaubt, ihren Kampf gegen Juden als solche -- eher als gegen eine bestimmte Politik oder Gesellschaftsordnung - zu führen[5]. (Ähnliche Auswirkungen in Form einer Stärkung der Hizbollah dürfte auch die israelische Aggression im Libanon 2006 haben: Die Stärke der Hizbollah liegt nicht in ihrer militärischen Kampfkraft -- man spricht von 700 bis 2.000 professionnellen Kämpfern, im Vergleich zur israelischen Armee eine lachhafte Größe -, sondern in ihrer Verankerung in der libanesischen Gesellschaft. Das Unrecht, das von ihren Gegnern begangen wird, hilft ihr dabei ebenso wie ihre eigene Propaganda. Mutmaßlich ist die Hizbollah deshalb gestärkt und nicht geschwächt aus dem Krieg vom Juli/August 2006 hervorgegangen. Israel hat sein wichtigstes Kriegsziel, also ihre Schwächung, zweifellos bei weitem verfehlt. Aber rund 1.100 ZivilistInnen mussten dafür sterben, und erhebliche Teile der Infrastruktur des gesamten Libanon wurden dafür zerstört.) Bei Beginn des Einmarschs der israelischen Truppen in Beirut 1982 wurden ihre Soldaten in den schiitischen Stadtteilen anfänglich noch mit Blumen empfangen, wie eine Reihe von Berichten belegen. Doch die Idylle war bald verflogen, was zu nicht unwesentlichen Teilen mit dem Kriegsverlauf zu tun haben dürfte. Ende 1982 entstand daraufhin die Hizbollah durch Abspaltung von der etablierten schiitischen Amal-Partei - unter tatkräftiger Mithilfe des iranischen Regimes, die aber nicht gefruchtet hätte, wenn keine soziale Basis dafür vorhanden gewesen wäre. Ab 1983 ging die Hizbollah tatsächlich, als eine der ersten Organisationen in der Region, zum Einsatz von Selbstmordattentätern über, damals aber nicht gegen ZivilistInnen, sondern gegen im Libanon stationierte Militärs (was den Charakter von Selbstmordattentäter nicht emanzipatorisch macht!). An diesem Punkt hätte Küntzel also sogar Recht, wenn er hier den Ursprung des Einsatzes von Selbstmordattentätern verortet - falls er nicht verschweigen würde, dass die damaligen Suizidattentate der Hizbollah von 1983 ff. sich nicht gegen jüdische Zivilisten in Israel richteten (anders als zehn Jahre später die der Hamas), sondern gegen die Okkupationstruppen im Libanon. Vor allem führte die Hizbollah 1983 spektakuläre Attentate gegen die US-amerikanischen und französischen Soldaten der westlichen Multilateral Force (MLF) in Beirut durch, die - nach dem Rückzug der israelischen Armee aus der Hauptstadt des Libanon - dort die Stabilität und namentlich auch die israelischen Interessen im Libanon garantieren sollte. Von purem, sich selbst genügendem Judenhass als Antrieb für die ersten Aktivitäten der Hizbollah (die dadurch gewiss keine progressive Organisation wird, sondern politisch eng der Diktatur in Teheran verbunden blieb [6]) auszugehen, wie Küntzel dies suggeriert, dürfte als Erklärung also ein bisschen zu kurz greifen. In einem nächsten Zeitsprung landet Küntzel 1994/95 in der Phase nach Unterzeichnung des Oslo-Abkommens, dessen Scheitern er implizit anspricht, aber nicht erwähnt. Neben den Attentaten der Hamas, die just in jener Phase einsetzen, «vergisst» Küntzel freilich zu erwähnen, dass mit Yitzak Rabin einer der beiden Hauptunterzeichner des Abkommens ermordet wurde und danach in Israel mit Benjamin Netanyahu ein rechter Gegner des Abkommens an die Regierung kam (vor dem Hintergrund erheblicher innenpolitischer Spannungen und Orientierungskonflikte in Israel). Solche Dinge zu erwähnen, hätte Küntzel freilich in seinem Weltbild gestört, hätte er es doch schwer gehabt zu erwähnen, dass Rabin nicht von einem Palästinser umgebracht wurde. Annäherung zwischen Antideutsch und Konservativ Ursprünglich verstanden die «Antideutschen» sich selbst als besonders radikale gesellschaftskritische Kraft. Nach eigener Auffassung handelte es sich bei ihnen um die Letzten, die sich noch nicht einem alles umfassenden gesellschaftlichen Konsens, einem «nationalen Konsens» untergeordnet hätten. Pikant ist dabei lediglich, dass es in jüngster Zeit, vor dem Hintergrund der aktiven Befürwortung des Krieges im Libanon, dabei zu offenkundigen Annäherungen einiger ihrer Hauptprotagonisten an das konservative Lager rund um die CDU gekommen ist. Einen der Hintergründe dafür bildet die Begeisterung für die US-amerikanischen Neokonservativen und die von ihnen propagierte und befürwortete militärische Offensive der USA (und Israels) im gesamten Nahen und Mittleren Osten. In ihr sind manche deutsche Konservative, die seit langem pro-atlantisch und philosemitisch auftretende Springerpresse und die Konsequentesten unter den ehemals «radikal kritischen» Antideutschen vereint. So wurde der antideutsche Publizist Matthias Küntzel, der vor 1991 noch dem Kommunistischen Bund (KB) angehörte, in den letzten beiden Jahren mehrfach als Referent zur Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU eingeladen. Anlässlich einer Demonstration für den Militäreinsatz Israels im Libanon, an der am 28. Juli dieses Jahres in Berlin rund 1.000 Personen teilnahmen und die ma b geblich aus der antideutschen Szene initiiert (aber in einer Spätphase auch durch jüdische Gemeindevertreter unterstützt) worden war, fanden sich auf der Abschlusskundgebung zwei CDU-Mitglieder neben einem führenden Ideologen der Antideutschen als Hauptredner wieder. Nacheinander sprachen der Abgeordnete des Bundestags Eckart von Klaeden, im Aufruf als «außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU» firmierend; der ehemalige Fernsehmoderator und Ex-Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Michel Friedman (als «Publizist»); und der Vorsitzende einer im Mittleren Osten aktiven NGO, Thomas von der Osten-Sacken. Und Letzterer kritisierte in seiner Ansprache ausschließlich Politiker der SPD und einzelne Vertreter der FDP - und eine linke Theatergruppe mit dem bezeichnenden inhaltlichen Argument, dass der Autor des Theaterprojekts «einer vom Verfassungsschutz beobachteten, linksradikalen Organisation nahesteht», wobei die alleinige Tatsache einer Beobachtung von «Nahestehenden» durch den Verfassungsschutz bis dahin auch unter Antideutschen noch nicht unbedingt als moralischer Defekt gegolten hätte. Dagegen hob Osten-Sacken in seiner Rede[7] die, gegenüber der durch Teile der SPD erhobenen Forderung nach einem Waffenstillstand, « weit besonnenere Position der Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzlerin» lobend hervor. Thomas von der Osten-Sacken ist einer der mit Abstand wichtigsten Propagandisten der Thesen der US-Neokonservativen in Deutschland. Er ist insofern ein wichtiges Bindeglied, als er gleichzeitig in Publikationsorganen der antideutschen Linken und in der linkspluralistischen aber antideutsch beeinflussten Wochenzeitung 'Jungle World' schreibt, parallel dazu in der Springerzeitung 'Die Welt' veröffentlicht wie zuletzt seinen Essai «Warum ich für den Krieg bin» (>> http://www.welt.de/data/2006/07/25/971936.html) am 25. Juli dieses Jahres, und zudem an der Spitze einer realpolitisch sehr aktiven Pressure group zur Nahostpolitik steht. Die von Osten-Sacken geleitete NGO, Wadi e.V., die nach eigenen Angaben finanzielle Hilfe aus dem westlichen Ausland erhält und die von US Aid - einer dem US-Außenministerium nahe stehenden, recht offiziellen Entwicklungsorganisation - unterstützt wird, ist vor allem im weitgehend ruhigen Teil des besetzten Irak aktiv, im kurdischen Nordirak (>> http://www.aspenberlin.org/upload/documents/1149068477.pdf). Thomas von der Osten-Sacken ist damit sowohl Realpolitiker und Vertreter handfester materieller Interessen an der Spitze seiner NGO als auch einer jener Autoren, die in den letzten Jahren am meisten zur Fortentwicklung der antideutschen Ideologie - oder des pro-neokonservativen Flügels dieser Strömung - beigetragen haben. In jenen Kreisen, in denen er Gehör findet, gilt er trotz seiner reichlich Ideologie geprägten (und, betreffend seine Vorhersagen zu den den bevorstehenden segensreichen Auswirkungen des Kriegs «für die Demokratie» im Irak 2003 , offenkundig falschen) Ausführungen als wichtiger Experte für den Nahen Osten. Dabei geht aus seinem Artikel in 'Die Welt' vor allem klar hervor, dass er selbst nicht die arabische Sprache beherrscht, was für einen Nahostspezialisten zumindest als Manko gelten darf, und dass er ferner den Libanon nicht von innen kennt. Das hindert ihn nicht daran, etwa in seiner Abschlussrede die Fortsetzung der Angriffe auf dieses Land zu fordern. Im weiteren Umfeld des antideutschen Milieus, das in größere Publikationsmedien wie 'Jungle World' und 'taz' hineinreicht, wurde die Demonstration im Nachhinein im Originalton als «Friedensdemo» bezeichnet, im Gegensatz zu den pro-libanesischen Manifestationen, die am selben Ort als «Hateparade» bezeichnet werden[8]. Thomas von der Osten-Sacken als einer der drei Hauptredner am 28. Juli hatte sich explizit gegen ein Ende der Bombenangriffe zu dem Zeitpunkt ausgesprochen und dazu geäußert: «Jede Forderung nach einem bedingungslosen Waffenstillstand ist Appeasement gegenüber Terroristen.» Der Begriff des 'Appeasement' soll dabei, einmal mehr, eine direkte Parallele zum Zweiten Weltkrieg bzw. zur Phase kurz vor seinem Ausbruch suggerieren, in diesem Falle zum Abschluss des Münchner Abkommens von 1938. Dies versteht man vermutlich im antideutschen Milieu als Friedensdemonstration. Begreift man doch nicht ganz, warum ausgerechnet die Seite der Guten einen Waffenstillstand einlegen sollte. Im Originalton[9]: «Ist schon komisch. Obwohl völlig offensichtlich ist, dass das einzige ZIEL Israels ist, in Frieden leben zu können, ohne Angst vor Attentaten und Raketen (...), und das ZIEL von Hamas und Hizbollah ist, Israel zu vernichten und den Jihad-Krieg zu führen (das sagen sie ganz offen), schaffen es Linke und Gutmenschen, einen Waffenstillstand ausgerechnet von Israel zu fordern. Obwohl jeder weiß, dass Israel (und auch die USA) ein Interesse an einem stabilen Libanon haben und die Hizbollah und Syrien an einem instabilen, unterstellen diese irren ( Anm. d. Verf. : libanesischen ) Kommunisten, Israel wolle den Libanon schwächen.» Die libanesischen Kommunisten könnten dem Urheber dieser Zeilen - Ivo Bozirc, einem ehemaligen Mitarbeiter der PDS-Bundestagsabgeordneten Angela Marquard - sicherlich Nachhilfe in der realen Geschichte des Libanon seit 1976 und in Sachen Einmischung und Hegemonieversuche seines südlichen Nachbarn geben. Nun, falls dieser denn auch nur einen Hauch von Interesse daran hätte... Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern... Aber auch ein Vordenker wie Osten-Sacken kommt nicht ohne erhebliche Widersprüche aus. Noch zu Anfang des weltweiten «Antiterrorkriegs», den US-Präsident Bush kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001 ausrief und den der Autor von der Osten-Sacken frühzeitig unterstützte, behauptete der Publizist, es handele sich bei der US-Außenpolitik deshalb um eine positive Alternative zur europäischen Außenpolitik, weil Erstere bürgerlich-revolutionären universellen Prinzipien statt nationalen Kategorien verpflichtet sei. Wörtlich schrieb von der Osten-Sacken, an ein linkes Publikum gerichtet, (>> http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2001/52/20a.htm ) damals: «Völkische Kategorien spielen für die USA nur dann eine Rolle, wenn sie zu den außenpolitischen Interessen passen, anders als in Europa sind sie nicht der Ausdruck einer politischen Grundüberzeugung. Mit Unverständnis pflegen die Amerikaner ethnisierten Kollektiven zu begegnen. (...) Nicht mehr gewachsene Kollektive stoßen hier aufeinander und toben sich in 'ethnischen Säuberungen' aus, die wiederum nach dem europäischen 'interethnischen Konfliktmanagement' verlangen, sondern die Welt wird terrorisiert von einer terroristischen Minderheit, und die Mehrheit wird sie unter der Führung der USA von diesem Übel befreien.» Den nationalistischen oder ethnischen Partikularismus dagegen machte er damals bei all jenen Gegenbewegungen und Kritikern in der so genannten Dritten Welt aus, die die US-Hegemonie - manchmal auch mit problematischen Argumenten - ablehnen. So fantasierte er im Herbst 2001 (>> http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2001/43/21b.htm ) folgende historische Kontinuitätslinie für die indische Schriftstellerin, Frauenrechtlerin und Umweltschützerin Arundhati Roy herbei, natürlich ohne jegliche hieb- und stichfeste Begründung: «Eines der großen Erfolgsprojekte der Nazis war es, antikoloniale Bewegungen gegen die imaginierte plutokratisch-jüdisch-angloamerikanische Weltherrschaft zu unterstützen. Neben den Palästinensern wurde so vor allem die indische Unabhängigkeitsbewegung vom in Berlin ansässigen Free India Radio mit Propaganda versorgt. (...)» Doch nun trifft es sich, dass die Begründungen von gestern plötzlich gänzlich ohne Wert sind, wenn ein - unerklärter - radikaler Wechsel dem Machtanspruch einer der unterstützten Parteien, also den «Guten», nützt. Und so kommt es vor, dass man die NGO desselben Herrn von der Osten-Sacken Werbung für Vorstellungen machen sieht, die nichts Anderes beinhalten als die grö b tmögliche ethnische Zersplitterung des gesamten Nahen Ostens. Auf ihrer Homepage verbreitet die NGO in jener Rubrik, wo regelmäßig Artikel mit befreundeten Standpunkten veröffentlicht werden (wobei es theoretisch «nur» um die Verbreitung von Informationen aus dem Irak geht), und unter ihrem Namen den Text einer dubiosen Exilgruppe aus Syrien. In ihm wird für eine radikale ethnische und konfessionelle Parzellierung des Nahen Ostens geworben, und diese Idee den US-Amerikanern und Israelis (nebenbei auch den Europäern) als Konzept für die Durchsetzung ihrer Vorherrschaft in der Region angeboten. Wörtlich heißt es in dem Text (>> http://www.wadinet.de/news/iraq/newsarticle.php?id=2384 ) der obskuren Gruppierung dazu: «Israel muss den ethnischen Umgebungen mehr Aufmerksamkeit schenken und auf dieser Basis seine langfristigen Planungen und Förderungen veranlassen. Es gilt also, dem subjektiven Faktor und der Zusammensetzung der Bevölkerungen in den Nachbarstaaten im Libanon und Syrien die erforderliche Reverenz zu erweisen. (...) Nach dem Einmarsch der Israelis in den Libanon bis Beirut im Jahre 1982 und auch vorher sind Fehlentscheidungen getroffen worden. Die Israeli haben die Christen und die aufgebaute libanesische pro-israelische Armee ( Anm. d. Verf.: also die Falangisten und die Kollaborateurstruppe SLA ) im Süd-Libanon im Stich gelassen. Die Gruppe der Druzen wurde im Libanon nicht gefördert und unterstützt als Anwalt für mögliche Allianzen zur Israel. (...) Gerade daher müßte Israel Gedanken und Perspektiven entwickeln, die Sympathie und Solidarität der ethnischen Bevölkerungen im Nahen Osten für sich zu gewinnen. » Und ferner ist zu lesen: « Die EU-Staaten sind gut beraten, neben den USA im entschiedeneren Kampf gegen den Terrorismus zu stehen. Es ist dies nicht nur ein Krieg um die kopflose Ideologie des fernen Extremismus, es ist der Kampf der Kulturen.» «Kampf der Kulturen» (ein Begriff, auf den Antideutsche ansonsten allergisch reagieren würden, da er ihrer Auffassung nach die Anerkennung von Kulturen als völkischen Partikularismen beinhaltet) und die angestrebte ethnische Parzellierung der Großregion: Das passt nicht unbedingt zum üblichen antideutschen, antivölkischen Diskurs. Von den «ethnischen Umgebungen», «ethnischen Bevölkerungen» etc. mal völlig zu schweigen. Aber wenn es dem Herrschaftsanspruch der militärisch Stärksten im Nahen Osten dient, und sofern Selbige zu den Guten zählen.... Da will man doch mal fünfe gerade sein lassen! Weiter zu Kap. 5: Andere Länder, andere Debatten Anmerkungen 2) Zu ihnen zählte damals, im Zeitraum von 1990 bis zu seinem politischen Abschied 1993/94, auch der Autor dieser Zeilen. Damals war die Bezeichnung "Antinationale" für das gesamte Spektrum, das auch die Vorläufer bzw. frühen Protagonisten der heutigen so genannten "Antideutschen" neben späteren eher undogmatischen Linken umfasst, üblich. Eine Spaltung in "Antinationale" und "Antideutsche" im engeren Sinne erfolgte 1999, während des Kosovo-Krieges bzw. der Bombardierungen der NATO im damaligen Jugoslawien (wobei später der Begriff "Antinationale" fast völlig außer Gebrauch kam und als politische Selbstdefinition von keiner Strömung mehr benutzt wurde). Während ein Teil des o.g. Spektrums sich klipp und klar gegen den Luftkrieg der NATO stellen, aber auch den serbischen Nationalismus als solchen noch problematisieren wollte, verweigerten die ab diesem Zeitpunkt nur noch so genannten "Antideutschen" diese zweitere Diskussion völlig. In ihren Augen musste eine klare und einseitige Parteinahme zugunsten des serbischen Nationalismus erfolgen. Die Grundlage dieser Positionierung zugunsten der Kritiklosigkeit gegenüber politischen Kräften in Serbien, die übrigens die "Antideutschen" damals vorübergehend in ziemliche Nähe der Antiimps und der "Betonköpfefraktion" der `jungen Welt' rund um Werner Pirker führte, war folgende: "Die Serben" waren Opfer der Nazibesatzung im Zweiten Weltkrieg, ergo bildeten sie die Seite "der Guten". Das haben sie namentlich mit den Israelis gemeinsam, unterscheidet sie aber radikal von allen arabischen Bevölkerungen, die auf der Seite der "Bösen" stehen. Eine erheblich zugespitzte Version dieser Sichtweise, unterlegt mit Gewaltfantasien, liefert übrigens ein antideutscher Autor aus Düsseldorf namens Karl Selent (alias Carl Zeland). Ein von ihm verfasstes Buch, das im ça ira-Verlag in Freiburg - einem der ideologischen Zentren der "antideutschen" Szene mit angeblich hohem intellektuellem Niveau, das sich in diesem Fall aber durch primitive Blutrauschfantasien auszeichnet - publiziert wurde, wird dort u.a. mit folgenden Sätzen beworben: "Vom Massaker in Sabra und Shatila will er nichts hören (...). Für die historischen arabischen Friedensbanditen Palästinas findet er adäquate Worte, den Kosovo-Palästinensern dagegen würde er gerne mal Arkan den Tiger zeigen." (Vgl. http://www.ca-ira.net/verlag/buecher/selent-glaeschen.html ) "Arkan der Tiger" war der Chef serbischer paramilitärischer Gruppen bzw.Banden,die - tendenziell außerhalb der Kontrolle von Regierung und regulärer Armee - in den Balkankriegen der neunziger Jahre und u.a. im Kosovo plünderten, raubten und mordeten. An der Schnittstelle zwischen politischer Gewalt und organisiertem Verbrechen stehend wurde er im Januar 2000 durch unzufriedene Konkurrenten ausgeschaltet. Den vom Verlag für den Autor formulierten Wunsch kann man wohl nur als Verlangen nach Kollektivbestrafungen ganzer Bevölkerungen, die aus historischen Gründen als "die böse Seite" markiert werden, auffassen. 3) Darüber gab es in Israel selbst heftige Auseinandersetzungen und eine massenhafte Mobilisierung der damaligen Friedensbewegung. Gegen den Einmarsch in der libanesischen Hauptstadt Beirut fand in Tel Aviv eine "Monsterdemonstration" mit 400.000 TeilnehmerInnen statt. Dies hätte, hochgerechnet auf die jeweilige Bevölkerungszahl, in der damaligen BRD einer Demonstration mit 5 Millionen Menschen entsprochen. Auf dem rechten Flügel des politischen Spektrums in Israel wollten die National-Religiösen zugleich Gebiete im Libanon, die aufgrund von biblischen Berichten über dort lebende jüdische Stämme (vor 3.000 Jahren) als "j üdische Erde" betrachtet wurden, mit dieser Begründung dauerhaft besetzen. (Vgl. zu beiden Aspekten: http://www.hagalil.com/israel/libanon/libanon.htm , Beitrag vom 26. Juli 2006) 4) So hielt sich der spätere rechtsextreme Kommunalparlamentarier und Bezirksfunktionär des Front National (FN) im südfranzösischen Avignon, Thibault de la Tocnaye, von 1982 bis 84 als Kombattant bei den christlichen Milizen im Libanon auf. Diese kämpften damals noch an der Seite der israelischen Militärmacht. Später, am Ende der 80er Jahre, näherte sich ein Teil des Führungspersonals dieser Milizen, etwa Samir Geagea, an das im Irak herrschende Regime (dessen Außenminister Tarik Aziz ebenfalls ein arabischer Christ war) an. Dies hat wohl auch dem FN seinen Übergang zur Unterstützung des irakischen Regimes in der Golfkrise ab August 1990 - die für viele Beobachter und auch Wähler der rechtsextremen Partei eher überraschend kam - erheblich erleichtert. 5) Vgl. dazu (vom Verfasser dieser Zeilen): http://www.hagalil.com/archiv/2004/12/al-manar.htm und http://www.hagalil.com/archiv/2004/12/al-manar1.htm 6) Es waren mehrere Einzelmitglieder der libanesischen Hizbollah, die am 17. September 1992 vier iranisch-kurdische Oppositionspolitiker in einem griechischen Restaurant in Berlin ermordeten und dafür 1994 vor dem Landgericht Berlin-Moabit verurteilt wurden. Das so genannte "Mykonos-Attentat" wurde von allen seriösen Beobachtern einhellig auf eine Initiative des iranischen Regimes zurückgeführt, das dadurch die Führungsspitze der "Kurdischen Demokratischen Partei des Iran" traf. Aber die Schmutzarbeit wurde durch libanesische Handlanger ausgeführt. 7) Vgl. http://www.redaktion-bahamas.org/ (Das Redemanuskript ist zunächst auf der Startseite dokumentiert, später im Aktuell-Archiv - rechte Spalte - unter 28. Juli 06 suchen.) 8) Vgl. http://planethop.blogspot.com/2006_07_01_planethop_archive.html , Einträge vom 28. Juli 06 («Friedensdemo») und vom 18. Juli («Hateparade in Berlin»). Ivo Bozic ist Redakteur bei der Berliner Wochenzeitung 'Jungle World'. 9) Vgl. http://planethop.blogspot.com/2006_08_01_planethop_archive.html , Eintrag vom 02. August 2006. |