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Updated: 18.12.2012 15:51
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Integrationshindernis Wehrpflicht

Linksfraktion im Bundstag kritisiert Kriegsdienstzwang für Migranten in Türkei

Die Bundesregierung hat auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion zum Thema »Integrationshindernisse durch türkische Wehrdienstpflicht für Auslandstürken« geantwortet. Hintergrund ist die auch für Auslandstürken geltende Pflicht, bis zum 38. Geburtstag ihren bis zu 15monatigen »Militärdienst für das Mutterland« abzuleisten. Es gibt in der Türkei weder das Recht auf Kriegsdienstverweigerung noch einen zivilen Ersatzdienst. Im Ausland lebende oder sogar dort geborene türkische Staatsbürger haben allerdings die Möglichkeit, sich für ein »Bedelli Askerlik« genanntes Kopfgeld von 5112,92 Euro, das bei über 40jährigen auf 10000 Euro ansteigt, vom Wehrdienst freizukaufen. Zusätzlich muß ein aus nationalistischen Schulungen bestehender dreiwöchiger Militärdienst im anatolischen Buldur abgeleistet werden.

Viele in Deutschland lebende Türken und Kurden bezeichnen den für sie oft kaum zu finanzierenden »Bedelli Askerlik« schlicht als Kopfgelderpressung. In vielen Fällen wäre die Einbürgerung in Deutschland eine Möglichkeit, dem türkischen Militärdienst und damit dem Kriegseinsatz in den kurdischen Landesteilen zu entgehen. Nach deutschen Einbürgerungsvorschriften ist dazu aber die Entlassung aus der türkischen
Staatsbürgerschaft notwendig. Diese wird Betroffenen vom türkischen Generalkonsulat häufig verweigert. »Hiermit bescheinigen wir, daß Herr N.N. gemäß Beschluß des türkischen Innenministeriums nicht aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen werden kann, da er wegen nicht geleistetem Militärdienst gesucht wird«, heißt es dann zum Beispiel. Als »Fahnenflüchtigen« droht den Betroffenen ohne Altersbeschränkung bei einer Reise in die Türkei die Zwangsrekrutierung. Über 38jährigen wehrdienstpflichtigen Auslandstürken wurde mit dieser Begründung sogar eine konsularische Verlängerung ihrer Pässe verweigert, so daß sie in
die Illegalität getrieben werden.

»Die türkische Wehrdienstpflicht auch für Auslandstürken ist ebenso wie der Umgang deutscher Behörden mit den staatsbürgerschaftlichen Folgen für die Betroffenen ein erhebliches Integrationshindernis«, hatten die Abgeordneten Ulla Jelpke und Sevim Dagdelen daher in der Anfrage kritisiert.

Aus völkerrechtlichen Gründen wollte die Bundesregierung in ihrer Antwort keine Stellung zur türkischen Wehrpflicht nehmen. Doch bei der Einbürgerung könne eine Ausnahme von der vorherigen Entlassung aus der alten Staatsbürgerschaft gemacht werden, wenn diese an »unzumutbare Bedingungen« geknüpft sei. Dazu könne »die vorherige Erfüllung der Wehrpflicht im Herkunftsstaat gehören«. Auch ein Freikauf vom Wehrdienst durch Zahlung einer Geldsumme sei dieser Gruppe generell nicht mehr zuzumuten. Bei Nichtverlängerung eines türkischen Passes könne den Betroffenen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden, wenn für sie die Erfüllung der Wehrpflicht im Herkunftsstaat aus zwingenden Gründen unzumutbar
sei.

Artikel von Nick Brauns, zuerst erschienen in junge Welt vom 07.07.2009


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