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Updated: 18.12.2012 15:51
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FBT gegen UNT?

"Am 4. April veröffentlichte die Zeitung "Ultimas Noticias" einen Text der "Fuerza Bolivariana de los Trabajadores" (FBT), dem "ArbeiterInnenflügel" der chavezistischen Bewegung, der sich in aggressiver Weise gegen die Abhaltung des Kongresses der Union Nacional de Trabajadores (UNT) vom 30. April bis zum 1. Mai ausspricht und offen die schon längst fällige Wahl der UNT-Führung - vorläufig bis 2007 - ablehnt" - so beginnt der kritische Artikel "Die UNT ist in Gefahr!" der österreichischen "Gruppe für revolutionäre ArbeiterInnenpolitik (GRA)" vom 18. April 2006 über die aktuelle Lage der neuen Gewerkschaftsbewegung in Venezuela, den wir hiermit dokumentieren.

Die UNT ist in Gefahr!

Am 4. April veröffentlichte die Zeitung "Ultimas Noticias" einen Text der Fuerza Bolivariana de los Trabajadores (FBT), dem "ArbeiterInnenflügel" der chavezistischen Bewegung, der sich in aggressiver Weise gegen die Abhaltung des Kongresses der Union Nacional de Trabajadores (UNT) vom 30. April bis zum 1. Mai ausspricht und offen die schon längst fällige Wahl der UNT-Führung - vorläufig bis 2007 - ablehnt. Das chavezistische Empire schlägt zurück.

In dem Dokument der FBT, das weltweit verschickt wurde, wird in erster Linie der clasista-Flügel der UNT attackiert. Unter anderem wird die Behauptung aufgestellt, die Nationalen Koordinatoren Marcela Máspero, Orlando Chirino, Rubén Linares und Stalin Pérez Borges hätten keine wirkliche Legitimation, für die UNT zu sprechen, die "seit zwei Jahren in der Krise" sei. Gleichzeitig wird der Vorwurf erhoben, sie würden ihre "Minderheitsinteressen" über jene der UNT stellen und damit die Gewerkschaft in Gegensatz zum "revolutionären Prozess" bringen.

Stalin Pérez Borges, ein Führer der clasistas, der Mitte Mai in Wien sprechen wird, hat in einem Artikel auf diese Anwürfe geantwortet und darauf hingewiesen, dass die angebliche "Krise" der UNT letztlich das Produkt der Manöver der FBT ist, die durch Boykott seit längerem Plenarsitzungen der nationalen Koordination meidet, da finanzielle Unregelmäßigkeiten bei der Elektrizitätsarbeitergewerkschaft FENTRASEP und der unter Führung des pro-chavezistischen Bürokraten Franklin Rondín stehenden Gewerkschaft der öffentlichen Bediensteten diskutiert und aufgeklärt hätten werden sollen.

Führende FBT-AktivistInnen haben sich im vergangenen Jahr mehr der politischen Tätigkeit im Rahmen der MVR (Movimento Quinta República, die Partei auf die sich Chavez stützt) als dem Aufbau der UNT gewidmet.

Während sich die clasistas auf Delegiertenkonferenzen stützen können, agieren die FBT-FührerInnen ohne demokratische Legitimation aus den Betrieben. Die Aktivitäten der FBT werden von einem kleinen Funktionärsklüngel geleitet, der aus Oswaldo Vera, Jacobo Torres, Rafael Chacín, Néstor Ovalles und Rodolfo Ascanio besteht und sich mehrmals die Woche trifft.

Im Text der FBT wird klar ausgesprochen, welches Ziel sie mit ihrer Art von "Gewerkschaftskongress", der irgendwann Ende Mai stattfinden soll, wirklich erreichen will: Nicht die Organisierung und Vertretung der venezolanischen ArbeiterInnen auf einer Klassenlinie; nicht die Wahl einer demokratisch bestimmten Führung der UNT sondern ein nach Außen gerichtetes Spektakel, mit dem sich die "bolivarianische Bewegung" vor der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf (einer imperialistischen Schöpfung) präsentieren will.

Die Vorstellung der FBT-Führungsclique von der Rolle der UNT wird damit offen auf den Tisch gelegt - sie ist die "proletarische Manövriermasse" des "bolivarianischen" Prozesses und soll sich absolut den diplomatischen und propagandistischen Interessen des bürgerlichen Staates unterwerfen. Besonders alarmierend sind in diesem Zusammenhang jene Passagen des Textes, in denen den derzeitigen Nationalen KoordinatorInnen der UNT vorgeworfen wird, den Kampf gegen die innere und äußere Reaktion zu schwächen oder zu gefährden.

Bereits in den vergangenen Monaten hat es in einzelnen Regionen (z. B. Zulia) und in einzelnen Betrieben (z. B. bei Firestone) offene Konflikte zwischen klassenkämpferischen GewerkschafterInnen und reaktionären und bürokratischen Elementen der chavezistischen Bewegung gegegeben, bei denen letzte zu Gewaltmaßnahmen gegriffen haben. Wir warnen daher vor den Gefahren, die mit solchen Anschuldigungen verbunden sind - sie können leicht zur Aufheizung der Klimas und zu Repressionen gegen klassenkämpferische GewerkschafterInnen missbraucht werden.Clasistas ‚Äì wie weiter?

Für uns bestätigen sich nun leider auch jene Kritikpunkte, die wir an einzelnen Beschlüssen der clasistas formuliert haben. Wir haben in allen unseren Einschätzungen der venezolanischen Situation unterstrichen, dass es für das Schicksal des Klassenkampfprozesses entscheidend ist, dass sich das Proletariat unabhängig von anderen Klassen organisiert und die Hegemonie im Kampf gegen die einheimische Bourgeoisie und den Imperialismus erringt. Wir haben, ausgehend von einer Analyse der sozialen und politischen Situation in Venezuela, die Chavez-Regierung als halbbonapartistisch eingeschätzt und vor den Gefahren einer Unterordnung der ArbeiterInneninteressen unter die nationalistische, letztlich bürgerliche, Politik des "Bolivarianismus", gewarnt.

Daher lehnen wir den Beschluss des Treffens der clasistas von Ende Februar ab, auf die Aufstellung eines ArbeiterInnenkandidaten bei den Präsidentschaftswahlen zu verzichten und Chavez bei der Präsidentenwahl kritisch zu unterstützen. Aufgabe von RevolutionärInnen - auch von revolutionären Gewerkschaften in einem Land ohne eine in den Massen verankerte ArbeiterInnenpartei müsste es sein, dort, wo es die Kräfte zulassen, eine Kandidatur der Klassenunabhängigkeit, für eine sozialistische Perspektive auf Grundlage eines kämpferischen Aktionsprogramms, anzustreben.

Würde ein derartiger Kurs die Angriffe der chavezistischen BürokratInnen nicht noch anheizen? In der Sprache vielleicht, in der Sache sicher nicht. Denn selbst eine diplomatisch verbrämte oder, schärfer formuliert: opportunistische Haltung gegenüber Chavez und seiner Bewegung bietet den klassenkämpferischen GewerkschafterInnen keinen Schutz vor Angriffen des bürgerlich-nationalistischen Lagers, wie der jüngste FBT-Text zeigt. Ziel des halbbonapartistischen Regimes ist es, die ArbeiterInnenklasse in einer Art verstaatlichter Gewerkschaft in ihr Projekt einzubinden und die Ansätze einer autonomen Organisierung der Klasse zu unterbinden.

Die sich in den letzten Monaten häufenden Zusammenstöße zwischen ArbeiterInnen und dem ch√°vezistischen Staats- und Organisationsapparat; die Umtriebe chavezistischer BürokratInnen in Betrieben und Gewerkschaften wären ganz im Gegenteil ein günstiger Boden, um gegenüber einer Regierung und ihren Organisationen, die stets behaupten, im Namen des ganzen Volkes zu agieren, das rote Banner der Klassenunabhängigeit zu entfalten.

Jetzt Solidarität zeigen!

In der momentanen Situation müssen wir uns unzweideutig an die Seite jener Kräfte in der UNT stellen, die, gestützt auf Delegierte aus den Betrieben und Gewerkschaften, die Abhaltung des UNT-Kongresses und die Wahl der FunktionärInnen durch die Basis Ende April/Anfang Mai fordern. Wir müssen die Angriffe der FBT gegen die Nationalen KoordinatorInnen der UNT zurückweisen und öffentlich aussprechen, dass wir in diesem Manöver einen Angriff auf das Recht der venezolanischen ArbeiterInnenklasse, selbst über ihr Schicksal zu entscheiden, sehen.

Paul Mazurka, Gruppe für revolutionäre ArbeiterInnenpolitik (GRA)
Stiftgasse 8, A-1070 Wien
Die GRA im Internet: http://gra.net.tf


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