Home > Internationales > USA > Gewerkschaften > Debatten > AfL Debatte | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
"Sie haben einen Plan zur Gewerkschaftsreform? Bitte hinten anstellen!" Die Teamsters haben am 8.Dezember 2004 einen Plan zur Reform des amerikanischen Gewerkschaftsbundes AfL-CIO vorgelegt - vorher hatten das schon die SEIU und vier andere Gewerkschaften gemeinsam in der "New Unity Partnership" getan. Der Pläne gibt es seit Anfang 2003 noch mehr - so viele, dass Herman Benson von der AUD (Association for Union Democracy - Vereinigung für Gewerkschaftsdemokratie) seinem Kommentar zu dieser Entwicklung den oben übersetzten Titel gab. (Eine kommentierte Materialsammlung von Helmut Weiss zum Stand der Debatte im Dezember 2004) Von den verschiedenen Diskussionen bzw ihren textlichen Grundlagen, erregen zwei die grösste Aufmerksamkeit - auch bedingt durch ihren "Widerhall" in den kommerziellen Medien: Das ist zum einen der Vorschlag der "Teamsters", der traditionellen (und nicht eben in gutem Ruf stehenden) Strassentransportgewerschaft (die heutezutage, wie viele grössere Gewerkschaften, auch in anderen "Branchen" zu finden ist): "Which Way For the AFL-CIO? The Teamsters' Proposal" - ein Vorschlag, der Gewicht bekommt nicht zuletzt durch die Tatsache, dass die Teamsters die drittgrösste der AfL Gewerkschaften sind. Zum anderen ist es das Dokument "Unite To Win- A 21st Century Plan to Build New Strength for Working People" der Dienstleistungsgewerkschaft SEIU vom November 2004, die breits vor einiger Zeit mit vier anderen Gewerkschaften zusammen die "New Unity Partnership" gebildet hatte. Die SEIU ist mit 1,7 Millionen Mitgliedern die stärkste Gewerkschaft der USA - und sie wächst weiter. Beide Gewerkschaften zählen also zu den starken innerhalb des AfL-CIO und könnten kaum unterschiedlicheren Ruf haben: die Teamsters gelten als traditionell, konservativ (jener Gewerkschaftsflügel, der auch mit der Republikanischen Partei "kann"), die SEIU wurde bekannt als eine Gewerkschaft, die neuen Bereichen und neuen Organisationsformen gegenüber aufgeschlossen ist (etwa in der "Justice for Janitors" Kampagne). Der Plan der Teamsters könnte vom DGB sein: eine Sammlung im wesentlichen organisatorischer und finanzieller Maßnahmen, ohne politische Begründungen ausgemalt, vereinfachen (dh AfL Strukturen abbauen), weniger Geld für den Gewerkschaftsbund (Halbierung der Beiträge für jede Gewerkschaft, die mehr als 10% ihrer Gelder für Organisationskampagnen ausgibt), Verschmelzungen erleichtern, Konkurrenz zwischen Gewerkschaften abbauen (dabei wird insbesondere die Praxis kritisiert, über "billigere" Tarifverträge in andere "Domänen" einzubrechen - anscheinend verbreitet) usw. Alles Maßnahmen, die "kolateral" zu einer Weiterung Zentralisierung von Einzelgewerkschaften führen. Der Vorschlag der SEIU ist direkter politisch, er beginnt mit zwei politischen Zielsetzungen (und es gibt ihn, nicht zufällig, auch auf spanisch): Gegen die Walmartisierung der Arbeit und eine gute Krankenversicherung für alle - zwei Losungen, die die Kämpfe der letzten Zeit widerspiegeln. Und er verankert als eines der Prinzipien die Internationalisierung der Gewerkschaftsbewegung. Wenn es zu den organisatorischen Fragen kommt, wird SEIU auch konkreter und analysiert: Dass beispielsweise im Transportgewerbe gleich 15 Gewerkschaften wirken, 13 im öffentlichen Dienst und 9 in der verarbeitenden Industrie. Im Gesundheitswesen gibt es über 30 Gewerkschaften. In 13 der 15 wichtigsten Branchen der US Wirtschaft gibt es mindestens 4 wichtige Gewerkschaften, in 9 dieser Branchen sogar jeweils 6 Gewerkschaften. Deswegen haben von den 65 AfL-CIO Gewerkschaften auch nur 15 mehr als 250.000 Mitglieder und über 40 haben weniger als 100.000 Mitglieder, alle versuchen sich durch Ausdehnung in andere Branchen zu "sanieren". Der Vorschlag mündet im organisatorischen Teil deshalb in der Zielsetzung, die Zahl der Einzelgewerkschaften circa auf 20 zu senken. Von der Debatte zur Auseinandersetzung Was spätestens seit dem SEIU Vorstoss zur "New Unity Partnership" eine Debatte war, von der viele Kommentatoren meinten, es ginge dem SEIU - Vorsitzenden Andrew Stern im wesentlichen darum John Sweeney zu ersetzen (AfL-CIO Vorsitzender, Vorgänger von Stern als SEIU Präsident und sein "politischer Ziehvater") - das ist, vor allem nach der letzten US-Präsidentenwahl zur offenen Auseinandersetzung geworden: Auf der letzten Sitzung der AfL Exekutive vor wenigen Wochen kam es zu gegenseitigen Austrittsdrohungen von SEIU und Allierten sowie konservativen Gewerkschaften auf der anderen Seite. Der Grund für diese Verschärfung ist klar: Noch nie hatten die Gewerkschaften so viele Menschen und Geld für einen Wahlkampf mobilisiert wie für John Kerry. Dass alles nichts genutzt hat, wird darauf zurückgeführt, dass die Gewerkschaften - wie der stellvertretende SEIU Vorsitzende es der Presse sagte - am Rande der Bedeutungslosigkeit angekommen seien. ("In matters of elections, or winning contracts that ensure middle-class living standards, SEIU Executive Vice President Gerry Hudson said earlier this month at a conference debating labor's future, "We have a labor movement dangerously close to being too small to matter."- so zitiert in "For Labor, Tough Choices" ein Artikel von Harold Meyerson in der "Washington Post" vom 15.Dezember 2004 (gespiegelt bei der "Labor Research Association" LRA Online). Der Organisationsgrad in der Privatwirtschaft beträgt gerade mal noch 8,2 Prozent - seinen Höhepunkt hatte dieser Grad nach dem 2.Weltkrieg, als über ein Drittel der Privatbeschäftigten organisiert war (im öffentlichen Bereich ist der Grad stets deutlich höher, der Gesamtorganisationsgrad liegt bei ca 13%) - nicht zuletzt gespeist von der damaligen oppositionellen Neugründung CIO, im wesentlichen durch die Bergarbeitergewerkschaft. Die Marke von 8 Prozent gewerkschaftlich Organisierter war das letzte Mal im Jahre 1901 zu verzeichnen. Während in den kommerziellen Medien meist der Gegensatz zwischen der "alten Generation" - die etwa durch die "International Association of Machinists" aber auch durch die "United Steelworkers of America" vertreten sind und den neuen Gewerkschaftsführern mit Universitätsdiplom ("Ivy League connection") hervorgehoben wird (siehe etwa: "Disorganized Labor" ein Artikel von Professor Richard Hurd in der "Los Angeles Times" vom 1.Dezember 2004 - bei LRA Online), sieht die Auseinandersetzung an der Basis der aktiven GewerkschafterInnen ziemlich anders aus. Rank and file - wird (wieder mal) nicht gefragt, meldet sich aber zu Wort Es gibt eine sich entwickelnde Opposition zu den Konzeptionen der Gewerkschaftsreform auch innerhalb der SEIU. So zum Beispiel der Beitrag "Is This New Strength Unity?" des (von den Mitgliedern gewählten) Vorstandsmitglieds Tom Goodkind vom "local 888" (für öffentliche Bedienstete im Bundesstaat Massachussetts) auf der Seite von "Local 888 Members' Democracy Campaign". Dieser Bereich 888 war im August 2003 geschaffen worden, um alle Bediensteten der Universität in einer Organisation zu haben - ein Plan, dem die Mitgliedschaft mit vielen Bedenken zustimmte. Nun, sagte Goodkind auf einer SEIU Konferenz, 14 Monate später müsse man sagen, der Versuch sei fehlgeschlagen - beispielsweise habe die allseits propagierte "Professionalisierung" dazu geführt, dass in 14 Monaten keine Sitzung des gewählten Vorstands stattgefunden habe... Auch die Ortsgruppe "local 509" (soziale Dienste in der Stadt Boston) meldet sich zu Wort: "Local 509 asks questions about democracy in the SEIU" ist ein Artikel von Herman Benson in der AUD Zeitschrift "Union Democracy Reviewed" Ausgabe November-Dezember 2004 über den Vorstoss der "509er" auf einer SEIU Konferenz, die Wahlen in der Gewerkschaft zu demokratisieren - was mit der Begründung abgeschmettert wurde, es ginge jetzt ums organisieren... Doch gibt es diese Opposition keineswegs nur bei der SEIU. Auf der Seite der "Members for Democracy" der Handels- und Nahrungsgewerkschaft UFCW werden die Kommentare der AUD Zeitschrift ausführlich wiedergegeben. Auf der AUD-Webseite gibt es eine ganze lange Reihe von Links zu Basisgruppen oder AktivistInnen, von denen viele aus den direkt betroffenen Gewerkschaften Stellung zu der "Reformdebatte" nehmen. Viele der oppositionellen Kritiken an der ganzen Auseinandersetzung werden im Editorial der Dezember 2004 Ausgabe (309) der Zeitschrift "Labornotes" - "What Will Make Unions a Power in Politics?" (Wodurch werden Gewerkschaften zu einer Kraft in der Politik) zusammengefasst, in dem an den diversen Konzepten insgesamt kritisiert wird, dass es allesamt von oben entworfene technokratische Visionen sind, die die Aktivitäten der Mitgliedschaft weder stärken noch in Rechnung stellen.
|