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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Gafsa: Terror-Urteil gegen Gewerkschafter/innen und Teilnehmer am Massenprotest im tunesischen Bergbaubecken Am vergangenen Donnerstag begann - und endete, spät Abends - in Gafsa (rund 350 km südwestlich von Tunis) die Hauptverhandlung gegen 30 Teilnehmer/innen an der sozialen Protestbewegung im Frühjahr 2008. Damals hatte ein von breiten Bevölkerungskreisen getragener "ziviler Au Aufstand" im Bergbaubecken von Gafsa stattgefunden, der sich gegen mafiöse Einstellungspraktiken im staatlichen Bergbauunternehmen - dem mit Abstand wichtigsten Arbeitgeber der Region - und gegen die hohe Massenarbeitslosigkeit richtet. Gewerkschafter/innen, Lehrer und Journalisten waren deshalb angeklagt, einer "terroristischen Vereinigung" angehört zu haben. Der Gerichtshof reagierte an diesem ersten (und einzigen) Verhandlungstag gegen die Hauptangeklagten nicht auf Anträge der Anwältin Radhia Nasraoui den Prozess zu verschieben. (Radhia Nasraoui ist selbst eine bekannte politische Aktivistin und Oppositionelle, sowie die Ehefrau von Hamma Hammadi, des Chefs der "Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens" PCOT. Diese ehemals ziemlich sektiererische - früher pro-albanische, maoistisch-stalinistische - Partei zählt derzeit zu den stärksten Einzelkräften der organisierten Opposition in Tunesien. Inzwischen ist sie allerdings eher opportunistisch, gegenüber bürgerlichen Demokraten ebenso wie tunesischen Islamisten, mit denen sie vor drei Jahren ein strategisches Bündnis gegen die Diktatur des Mafiapräsidenten Ben Ali einging...) Die Anwältin hatte diesen Antrag gestellt, um überhaupt Akteneinsicht nehmen zu können, da sie soeben frisch als Verteidigerin ernannt worden war. Auch reagierte der Vorsitzende Richter nicht auf Hinweise, dass die vorgeführten Angeklagten gefoltert worden seien, wie medizinische Gutachten bestätigen - aber auch sichtbare Spuren bei einigen von ihnen bezeugen können. Die Angeklagten weigerten sich zunächst, auf Fragen des Gerichts zu antworten. Daraufhin sprangen Polizisten in Zivil und in Uniform auf, um sie zu verprügeln und aus dem Gerichtssaal hinaus zu befördern. Die Beamten kamen wenig später in den Verhandlungssaal zurück, um die Familien der Angeklagten anzugreifen. Mehrere Ehefrauen wurden so brutal misshandelt. Auch die Anwältinnen und Anwälte der Verteidigung, die ihrerseits protestierten, wurden getroffen. Am Abend dann fielen die Urteile: Haftstrafen zwischen zwei und zehn Jahren. Fünf der "Rädelsführer" erhielten die Höchststrafe von zehn Jahren, aufgrund ihrer "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung", die angeblich subversive Pläne gehegt und Anschläge programmiert habe. In Abwesenheit zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde der in Frankreich lebende Auslandstunesier Mohieddine Cherbib, Vorsitzender der französisch-tunesischen "Vereinigung für Bürgerrechte auf beiden Ufern (des Mittelmeers) FTCR". Er wurde der "Mitgliedschaft in einer Bande" sowie der "Verbreitung von der öffentlichen Sicherheit abträglichen Dokumenten" bezichtigt, aufgrund eines Radiointerviews, das er während der laufenden Ereignisse im Frühjahr 2008 gegeben hatte. Seit Ende November 2008 waren drei französische Solidaritätsdelegationen nach Tunis respektive nach Gafsa gereist. Sie umfassten ein Spektrum, das von der französischen KP-Vorsitzenden Marie-George Buffet (an diesem Wochenende als Parteichefin wiedergewählt) bis zum Auslandskontaktmenschen der linksalternativen Basisgewerkschaften SUD/Solidaires, Alain Baron, reichte. NÄHERES ZU DEM PROZESS UND DEN HINTERGRÜNDEN FOLGT IN DER MORGIGEN AUSGABE DES LABOURNET. Bernard Schmid, Paris, 15.12.2008 |