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Updated: 18.12.2012 15:51
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Repression gegen gewerkschaftliche Proteste in Südmexiko

Der aktuelle Solidaritätsaufruf und Lagebericht "Repression gegen gewerkschaftliche Proteste in Südmexiko" von Eberhard Raithelhuber, Vorsitzender von promovio e.V. (Verein zur Förderung der indianischen Menschenrechtsbewegung in Oaxaca/ Mexiko, Mitglied in der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko) vom 15. Juni 2006.

Seit 24 Tagen demonstrieren die demokratischen Gewerkschaften des südmexikanischen Bundesstaates Oaxaca - allen voran die Lehrerschaft - gemeinsam mit sozialen und indigenen Organisationen für eine Verbesserung des Bildungssystems und höhere Löhne, ebenso wie für die Freilassung der politischen Gefangenen, eine Wiederherstellung der rechtsstaatlichen Ordnung und ein Ende der Repression gegenüber oppositionellen Gruppen.

Gestern, am 14. Juni, kam es zu massiven Angriffen der Sicherheitskräfte auf die Demonstrierenden und Platzbesetzer im Zentrum der Hauptstadt des Bundesstaates. Der gewaltsame Überfall wurde im Laufe des Tages seitens der gewerkschaftlich-sozialen Bewegung zurückgeschlagen. Trotzdem weist eine erste Bilanz mehrere Tote auf - am gestrigen Tag sollen 8 Erwachsene und 3 Kinder bei den Zusammenstößen umgekommen sein.

Wir rufen die gewerkschaftlichen Organisationen in Deutschland auf, diese Verletzung der Menschenrechte an Mitgliedern der gewerkschaftlich-sozialen Bewegung in Oaxaca entschieden zu verurteilen, der Lehrerschaft und den sozialen, populären und indigenen Organisationen ihre internationale Solidarität zuzusichern sowie die repressive Politik des Gouverneurs von Oaxaca in Protestschreiben an die Regierung von Oaxaca zurückzuweisen. Wir bitten darum, dass alle Informationen über die aktuellen Entwicklungen über entsprechende Newsletter, Blogs und Informationsplattformen weitergeleitet und veröffentlicht werden.

Der folgende Bericht bietet eine erste zusammenfassende Information der Geschehnisse auf Deutsch mit Stand von gestern Abend (14.06.06), 21.00h MEZ. Im Anhang findet sich eine Zusammenstellung von Adressen, an die Protestschreiben gesendet werden sollen. Wir rufen demnächst zu einer Dringenden Action (Urgent Action) auf, die einen Briefvorschlag auf Spanisch enthält. Wenn Sie weitere Informationen zugesendet gekommen möchten, teilen Sie uns dies bitte mit.

Mit solidarischen Grüßen, Eberhard Raithelhuber, Vorsitzernder von promovio e.V. (Verein zur Förderung der indianischen Menschenrechtsbewegung in Oaxaca/ Mexiko, Mitglied in der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko)

Katharinenstr. 15
01099 Dresden
Deutschland
+49 (351) 374 22 34
+49 (179) 456 19 19
Eberhard.Raithelhuber@gmx.de

Straßenschlachten in Oaxaca - massiver Polizeieinsatz gegen die soziale und gewerkschaftliche Bewegung in der Landeshauptstadt

Heute morgen (14. Juni 2006) gegen 4 Uhr Ortszeit rückten mehrere Hundertschaften unterschiedlicher Polizeieinheiten unter massivem Einsatz von Tränengasgranaten, Hunden, Luftunterstützung, mit scharfer Munition bewaffnet, brutal gegen die Demonstrierenden vor, die seit dem 22. Mai das Zentrum der Hauptstadt des Bundesstaates Oaxaca besetzt halten. Dabei wurden mehrere Hundert Menschen vertrieben, die zurückgelassenen Habseligkeiten und das logistische Equipment der Protestierenden systematisch zerstört.

Seit 6 Uhr gelang es den Mitgliedern der gewerkschaftlichen, sozialen und indianischen Bewegung, sich neu zu ordnen und der gewaltsamen Vertreibung Widerstand zu bieten. Die Demonstrierenden, die auf die Unterstützung von Teilen der Bevölkerung zählen können, übertreffen die Zahl der Polizeikräfte um ein Vielfaches. Zeitweise gelang es ihnen, die Tränengasgranaten, die unter anderem aus der Luft abgefeuert werden, in die Polizeitruppen zurückzuschmeißen und das Zentrum zurückzuerobern. Gegen 16.00h wurde bekannt, dass die Straßenzüge um Morelos und Independencia ebenso wie die Gegenden um den ehemaligen Konvent Santo Domingo sowie der Hauptplatz Zocalo von den Demonstrierenden besetzt waren. Bisher ist bekannt, dass 12 Mitglieder der Bewegung - angeblich Führungspersonen aus der Lehrergewerkschaft - festgenommen wurden. Des weiteren wurde von mehreren Schwerverletzten berichtet. Die Lage vor Ort ist aktuell noch schwerüberschaubar, allerdings liegen schon erste persönliche schriftliche Zeugenaussagen über das gewaltsame Vorgehen der Polizeikräfte vor.

Die regionale Tageszeitung Noticias berichtet aktuell vom Tod zweier Lehrerinnen und eines Kindes, die in Folge des morgendlichen Überfalls auf das plantón - die Platzbesetzung - durch Polizeikräfte ermordet worden seien. Des weiteren sei ein Lehrer im Krankenhaus verstorben, nachdem er beim Versuch, andere Lehrer zu retten, durch einen Schlag mit einem Stock auf sein rechtes Auge verletzt worden war. Angeblich haben Demonstrierende drei Polizisten als Geiseln genommen. Indymedia Mexiko berichtete um 12h mittags mexikanischer Zeit, dass laut Angaben von Lehrern und Ärzten des Roten Kreuzes inzwischen der Tod von acht Erwachsenen und drei Kindern zu beklagen sei.

Die Staatsanwaltschaft hatte im Laufe des Nachmittags über die kommerziellen Medien erklärt, unter anderem bei der Eroberung des Gebäudes der Lehrergewerkschaft großkalibrige Waffen gefunden zu haben (AK 47 Sturmgewehre). Außerdem seien dort neun bewaffnete Personen festgenommen worden. Nach offiziellen Angaben befinden sich 1200 Polizisten im Zentrum der Stadt und man hofft, einen Zusammenstoß mit den Demonstrierenden zu verhindern.

Seitens des Oaxakenischen Menschenrechtsnetzwerks (RODH) wurde diese Version der Regierung in einer schriftlichen Presseerklärung vom heutigen Tag (14.06.) umgehend dementiert. Gegen die offiziellen Darstellungen führen sie Aussagen von Zeugen ins Feld, die von massiven Misshandlungen, Menschenrechtsverletzungen und Übergriffen berichten. Das Netzwerk informiert, dass gegenwärtig mehrere hundert Menschen verschwunden seien, unter ihnen etliche, die an der Platzbesetzung teilnahmen. Die gewerkschaftlich-soziale Bewegung hat im Laufe des Tages mehrere Protestmärsche organisiert, die von verschiedenen Punkten außerhalb der Stadt ins Zentrum vordringen sollten. Einheiten der Bundespolizei für Prävention versuchten ebenfalls, wieder in die Stadt vorzurücken.

Die Gewalt war vorhersehbar und geplant - soziale Proteste im Kontext des Präsidentschaftswahlkampfs

Seitens der Demonstrierenden und MenschenrechtsbeobachterInnen wurde eine solche Aktion der Sicherheitskräfte befürchtet. Dem massiven Polizeieinsatz waren insgesamt zwei Megamärsche vorausgegangen, sowie eine politische Verurteilung des Gouverneurs von Oaxaca, Ulises Ruiz Ortiz. An der zweiten megamarcha am 7. Juni beteiligten sich nach unterschiedlichen Quellen zwischen 120.000 und mehr als 200.000 Menschen, die Demonstration wurde von ca. 200 verschiedenen sozialen, populären, gewerkschaftlichen, indigenen und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie mehreren Gemeinden unterstützt.

Ulises Ruiz Ortiz (URO) wurde bei dem politischen Verurteilungsakt (juicio político) seitens der Bewegung offiziell seine Autorität als Gouverneur aberkannt. Seit seinem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren werden ihm vielfach Menschenrechtsverletzungen und eine äußerst repressive Politik gegenüber oppositionellen Gruppen und Gemeinden zur Last gelegt. Am 7. Juni installierte die soziale Bewegung eine so genannte "Permanente Versammlung der Gewerkschaften und des Volkes" (Asamblea Permanente Magisterial Popular). Als so genannte "Richter des Volkes" wurden mehrere angesehene Vertreter gewählt, unter anderem Forscher, Universitätsprofessoren, Gewerkschafter. Als Zeugen traten VertreterInnen von ungefähr 30 Organisationen mit gewerkschaftlich-sozialem Profil auf. Das juicio politico und der darauf folgende Prozess der Anklagensammlung und der angestrebten strafrechtlichen Untersuchung der Vorwürfe verfolgt das Ziel, den Gouverneur abzusetzen. Die Protestwelle, die Oaxaca in den vergangenen 3¬Ω Wochen erlebt hatte, gilt als die größte Mobilisierung in der Geschichte des Bundesstaates. Oaxaca, das nach wie vor fest in der Hand der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) ist, gilt als Hochburg der ehemaligen Staatspartei. Die PRI regiert seit 2000 nicht mehr auf landesweiter Ebene, versucht im aktuellen Kampf um die Präsidentschaftswahl am 2. Juli 2006, auf nationaler Ebene wieder an die Macht zu gelangen. Der Gouverneur von Oaxaca gilt als enger Vertrauter des PRI-Kandidaten Roberto Madrazo Pintado.

Internationale Proteste aus Deutschland im Vorfeld

Die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko hatte sich seit dem Amtsantritt des Gouverneurs von Oaxaca zu Beginn des vergangenen Jahres in mehreren Fällen eingeschaltet. Dabei wurde die Regierung des Bundesstaates aufgefordert, die internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte einzuhalten, die von Mexiko unterzeichnet und ratifiziert wurden. Auch im Falle der aktuellen Proteste schickte das Netzwerk aus 15 deutschen Nichtregierungs-Organisationen und Vereinen, die sich für die Beachtung der Menschenrechte in Mexiko einsetzen, ein Protestschreiben. In dem Brief vom 9. Juni 2006 wurde der Gouverneur aufgefordert, jegliche Form der Zuspitzung von Gewalt zu vermeiden, eine friedliche Lösung anzustreben und die Unversehrtheit der Demonstrierenden zu garantieren.


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