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Updated: 18.12.2012 15:51
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Auseinandersetzungen in der Lehrergewerkschaft SNTE und Auseinandersetzungen in der APPO: Ein Zusammenhang?

Der Vorsitzende der (oppositionellen) Sektion 22 - eben Oaxaca - der Lehrergewerkschaft SNTE (die zum nationalen oppositionellen Verbund CNTE gehört) tritt kurz vor Ablauf seiner Amtszeit zurück. Die SNTE forciert mit ihrer neugegründeten Sektion 59 die Spaltung. Ähnliche Fragestellungen wie in der Volksversammlung APPO, deren Tendenzen sich um die Haltung zur Wahl streiten oder "nur" gewerkschaftsinterne Problematik? Eine aktuelle Telefonkonferenz: ein Schwerpunkt-Spezialthema über die "Rolle einer Gewerkschaftsopposition in der Kommune von Oaxaca" vom 8. März 2007.

Die Rolle einer Gewerkschaftsopposition in der Kommune von Oaxaca

Dass die reaktionären Kräfte im Bundesstaat Oaxaca - einstweilen - die Oberhand behalten haben, scheint klar, denn der Gouverneur Ruiz regiert immer noch, bzw tut als ob. Die Repression Ende 2006 hatte durchaus Erfolg - wenn auch keineswegs behauptet werden kann, die breite Volksbewegung, die sich um die Volksallianz APPO sammelte und sammelt, deren eine tragende Säule die Lehrergewerkschaftsopposition CNTE in Oaxaca ist, sei am Ende: Die Mobilisierungen sind nach wie vor sehr gross.

Zu den Informationen über interne Auseinandersetzungen in der CNTE und den Aufbau einer Konkurrenzorganisation durch die SNTE Zentrale sprachen wir mit Arlindo Flores. Der 46-jährige Lehrer ist selbst Aktivist der Gewerkschaftsopposition CNTE in Mexiko-Stadt, der Bezirk 10 der SNTE, der ebenfalls von der CNTE geleitet wird. Zum speziellen Hintergrund des Bildungswesens in Mexiko hatten wir Luisa Dalguirre am Telefon, die 25 Jahre lang an diversen Dorfschulen unterrichtete und ebenfalls CNTE Aktivistin war, heute als Rentnerin in Guadalajara an alternativen Bildungsprojekten mitarbeitet. Roland Navarro hat lange Zeit im ebenfalls südlichen Bundesstaat Chiapas gelebt und seine Ausbildung an den - zur Privatisierung anstehenden - sozialistischen Landschulen "genossen". Nach langer Zeit als linker Parteiaktivist ist er heute "nur noch" Aktivist der Elektrikergewerkschaft SME.

Seit 1943 staatstragend...

Jetzt sagt mir doch erstmal was, damit die LeserInnen in Deutschland, die sich nicht sehr mit den politischen und gewerkschaftlichen Verhältnissen Mexikos auskennen, einigermassen verstehen können, was CNTE und SNTE eigentlich sind.

Arlindo (lacht): Was wir eigentlich sind, wäre ein echtes Sonderthema. Tatsache ist, die SNTE als nationaler Einheitsverband der Lehrer und im Erziehungswesen Beschäftigten wurde 1943 gegründet, aus einer Vielzahl gewerkschaftlich-regionaler und politisch bestimmter Verbände - und dies durchaus auf Betreiben der damaligen Regierung. Da wurden dann natürlich auch bei der Gründung bereits bestimmte Strömungen oder aber deren bekannteste Repräsentanten "herausgefiltert", die SNTE war vom ersten Tage ihrer Existenz an - und ist es, trotz aller PRI-Desaster bis heute - eine dezidiert staatstragende Veranstaltung. Die in der Vergangenheit durchaus im engen gewerkschaftlichen Sinne betrachtet, ihrer Mitgliedschaft einiges zu bieten hatte, wie es ja im PRI-System überhaupt so war, dass es viel Unterstützung aus den Kreisen der Werktätigen gab, sei es wegen materieller Gewinne oder aber aus sozialpolitischen Traditionen, meistens aus einem Mix von beidem. Deswegen ist die SNTE bis heute die größte Gewerkschaft Lateinamerikas mit beinahe 1,4 Millionen Mitgliedern.

Und was ist dann die CNTE?

Arlindo: Moment, komme ich gleich zu. Als sich vor einigen Jahren einige Häupter der SNTE, allen voran Frau Gordillo, heftigst um die Zugänge zu Ämter, Würden und Geld stritten, haben sie sich gegenseitig den Vorwurf gemacht, auch vor Mordaufträgen nicht zurückgeschreckt zu sein - und hatten wohl allesamt recht. Also wenn man bei der SNTE vom Kampf um die Demokratisierung der Gewerkschaft spricht, dann spricht man eigentlich von zwei Dingen: von einer Umwälzung titanischen Ausmaßes und einer gefährlichen Aufgabe. Genau zu diesem Zweck ist aber vor bald 30 Jahren innerhalb der SNTE die CNTE gegründet worden, die heute - und schon länger - insgesamt etwa ein Siebtel aller Mitglieder organisiert hat und in mehreren Bezirken die Führung innehat - eben unter anderem in Oaxaca und auch bei uns hier - aber ehrlich gesagt kaum Fortschritte erzielt hat. Vielleicht geht das auch gar nicht, frage ich mich immer öfter, so ein Gebilde, das mit bürokratischem Apparat nur milde umschrieben ist, zu reformieren.

Luisa: Man muss schon dazu noch sehen, dass 1943 eben nicht nur die SNTE gegründet wurde, auf Impuls der Regierung, das ist ja weder ein Geheheimnis noch eine These, sondern niemand streitet das ab. Das war ein Jahr grosser Veränderungen in Mexiko, kurz nach dem Ende der Amtsperiode von Cardenas (1940). Damals wurde auch die Bildungsgarantie in der Verfassung geändert: aus einem Anspruch auf eine "sozialistische Erziehung" wurde eine Anspruch auf eine "demokratische Erziehung". Das war die Zeit, in der sich Cardenas Politik strukturell auswirkte, die Industrialisierung explodierte, Öl wurde gefördert und die Städte begannen explosiv zu wachsen, natürlich musste das Bildungssystem, das mit der Revolution, die ja eine Revolution auf dem Land war überhaupt erst entstanden war, dem angepasst werden, das wurde genutzt um diverse Stachel zu ziehen. Und das eben zusammen mit einem einheitlichen grossen Verband - das geht dann schon...

Roland: Da will ich doch gleich noch weiter ausholen: Es gibt eine böse Tradition der mexikanischen Gewerkschaftsbewegung, die nicht vergessen werden darf. Die Gewerkschaften stellten in der revolutionären Zeit, so um 1915, rote Bataillone auf - die zusammen mit den Regierungstruppen gegen die Truppen Zapatas kämpften, dafür bekamen sie Lohnerhöhungen...Das ist die Tradition, an die die Gewerkschaftszentralen wie CT oder CTM anknüpften, und es gab und gibt gerade noch, Sektoren die - man kann es nicht Privilegien nennen, dazu ist es zu wenig - sich besser gestellt sehen (und empfinden): als willkürliches Beispiel kann ich meinen Onkel nennen, der war Eisenbahner und die waren immer mit grosser Mehrheit auf Seiten der PRI.

Gibt es eine Art Bilanz der Gewerkschaftsopposition?

Roland: Nun ja, erstmal muss man wissen, dass es in Mexico ohne Ende Strömungen und Gruppierungen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung gibt, die sich als oppositionell bezeichnen, sich dem zurechnen, was neben dem PRI-Gewerkschaftssystem als unabhängige Gewerkschaften bezeichnet wird und immer neue Versuche, diese zusammenzuschliessen, die mehrfach sehr gut angefangen haben um dann einen Niedergang zu erleben. Wer die Bilanzdebatte, wenn man sie jetzt mal so nennt, kräftig angestossen hat - das waren die Zapatisten, die diese Unabhängigen recht scharf kritisiert haben und sie, vereinfacht gesagt, in die PRD-Ecke gestellt haben. Was sicher in vielen Fällen, wenn auch nicht in allen zutrifft.

Luisa: Natürlich hatten wir Auf und Nieder, oder eben, negativ gesagt: haben wir auch Stillstand, was etwa die CNTE betrifft. Aber es ist eben insgesamt deutlich geworden, daß nach dem Staatsbankrott der 80er Jahre, der ja den Auftakt zu dieser aggressiven Politik bedeutete, die man heute Neoliberalismus nennt, überhaupt erst die Bedingungen gewachsen sind dafür, mit einer anderen Art Gewerkschaftsbewegung landesweit wirksam werden zu können und, bei aller Kritik, denke ich, dass die UNT, die ja dieses Jahr gerade 10 Jahre alt wird, ein Zusammenschluss ist, dessen Weiterbestehen und dessen üngere Erfolge durchaus ein Ausdruck dafür sind, dass sich die Möglichkeiten verändert haben.

Arlindo: Ja, spätestens seit den Zeiten von Salinas ist den PRI-Gewerkschaften nach und nach die materielle Basis genommen werden, bzw sie haben deren Entzug selbst mit betrieben.

Heisst neue Gewerkschaftsbewegung jetzt, einmal polemisch gefragt: Daselbe wie vorher, nur eben radikaler oder konsequenter, oder heisst das auch, etwas neues machen?

Luisa: Nun, es kann eigentlich gar nicht nur heissen radikaler für dieselben Ziele zu kämpfen - speziell in Mexico nicht, aber auch nicht anderswo, denn das würde ja bedeuten, eine sozusagen ständische Interessenspolitik zu radikalisieren. Schau Dir die CNTE an - deren jüngerer, kleiner Wiederaufschwung begann damit, dass sie sich massiv für die Verbesserung des Schulsystems einsetzte, spätestens als die Politik der Privatisierung begann. Und heute regelt a faktisch ein einziges Privatunternehmen die gesamte Struktur des Zugangs zur höheren Bildung - die CENEVAL, und da wird bezahlt, pronto. Nun ist die Qualität der zentralen Prüfungen, die dieses Unternehmen zusammen mit der UNAM entwickelt hat, immer wieder heftig kritisiert worden. Multiple Choice Prüfungen im amerikanischen Stil sind ja eigentlich eine pädagogische Bankrotterklärung.

Ein "x" für die Zukunft

Du meinst, man bezahlt für eine Art - wie es in Deutschland genannt wird - Zentralabitur bei einem Privatunternehmen, das aus ein paar x-en besteht?

Luisa: Ja, so ganz grob kann man das so sagen. Es sind 128 Fragen und die Kritiker haben verschiedentlich darauf hingewiesen, dass in mehreren Fällen mehrere Antworten richtig wären, in anderen eigentlich gar keine. Also schlampig auch noch. Und da hat die CNTE - und unter ihrem Druck auch einige SNTE Instanzen - Opposition dagegen gemacht, zusammen mit Kindern und Eltern und Fachleuten - und Kommunalpolitikern aus der Provinz, die zu den Verlierern dieses Prozeßes gehören. In diesem System werden die Lehrkräfte dann nach Erfolg bezahlt, dh eine Erziehung zu selbstständigen kritischen Reflexion von Sachlagen ist nicht gewünscht: Das "x" muss an die richtige Stelle, fertig. Wer daran verdient, sind vor allem die Privatunternehmen und die grossen Unis, bzw deren Arbeitsmarkt-Relevante Fächer. Und das alles auf Basis einer Grundschulstruktur, die verarmt ist, die SchülerInnen gar nicht die Voraussetzungen geben kann, die sie brauchen.

Roland: Man kann sagen, dass seit der Revolution das Erziehungswesen in Mexiko im Prinzip drei Etappen durchlaufen hat: Die Errichtung eines Bildungssystems, speziell auf dem Land in der ersten Phase, seine Modernisierung in den städten etwa ab den 1940er ahren und, seit Ende der 70er ahre die zunehmende - und mit Fox nochmal vorangetriebene - Privatisierung. Ist etzt etwas schematisch, weil zeitgliech immer noch Fragen aus anderen Epochen auftauchten - so sollen erst etzt die letzten sozialistischen Landschulen beseitigt werden, ich bin deren Verfechter und davon gibt es gar nicht so wenige, nur sind sie selbstverständlich im heutigen verrückten System ein Anachronismus.

Arlindo: Hier gilt einfach, was ja auch in Europa gilt - das Kapital sucht geradezu verzweifelt nach neuen Möglichkeiten, Profit zu machen, und dazu muss alles zur Ware werden. Da haben sich a auch quer durchs Land immer wieder und immer stärker Zusammenschlüsse herausgebildet, die sich gegen die generelle Kommerzialisierung zur Wehr setzen, dabei ist sicher der Bildungsbereich einer der wichtigen, aber eben auch die ganze Reform der Sozialversicherung - das ist a auch überall so, diese generelle und weltweite Bankrotterklärung des Kapitalismus, der überall jammert, meistens in Form von Sozialdemokraten, es gehe halt nicht mehr mit der sozialen Sicherheit, die es ja vielleicht höchstens mal vorübergehend in Westeuropa gegeben haben mag.

Und was ist nun mit den Auseinandersetzungen innerhalb der CNTE speziell in Oaxaca - ich meine, zum Hintergrund der Sache haben wir jetzt einiges gehört, worum geht es dabei?

Arlindo: Schau, das ist grob gesagt so: Ulysses Ruiz hat das gemacht, was die PRI immer gemacht hat. Er hat auf jene innerhalb der Gewerkschaftsbewegung gesetzt, die sich mit den - manchmal fetten - Brosamen zufriedengeben. Denn: Wenn gesagt wird, diese oder jene Sektion ist von der CNTE, dann heisst das ja nicht - wie im umgekehrten Fall auch - dass jetzt jede Person CNTE ist, es gibt in jedem Falle Minderheiten, so auch in Oaxaca. Wenn da 70.000 Mitglieder sind, gab es bereits seit langem, öffentlich glaube ich seit 2004, eine sogenannte Kampfkoordination, die in Wirklichkeit SNTE-Positionen vertritt, die immer so etwa 5.000 Mitglieder hatte. Die haben dann, als im Mai letzten Jahres die Streikbewegung begann, sich öffentlich abgesetzt, nicht teilgenommen und sich als eigenes Zentrum konstituiert mit Frau Soto als Sekretärin. Und mit dieser Gruppierung stand nicht nur der Gouverneur in ständiger Verbindung, sondern auch die SNTE, die dann, bei der ersten Gelegenheit, im Dezember 2006 der Koordination grünes Licht gab, eine eigene Sektion in Oaxaca zu gründen, eben die Sektion 59 - das nennt man Gewerkschaftsspaltung. Sie sagen, sie haben jetzt 15.000 Mitglieder - ob es so viele sind, weiss ich nicht, sicher haben sie Ängstliche aufgesammelt.

Der Rücktritt

Gut, also die SNTE macht, was die CNTE immer vermeidet: Paralell organisieren, im Falle der SNTE 59 einmal mehr mit Unterstützung der Regierung, des Gouverneurs in diesem Falle - und diesen unterstützend. Aber warum dann der Rücktritt von SNTE 22 Sekretär Rueda Pacheco?

Luisa: Er hat ja gesagt, es gäbe eine Kampagne gegen ihn, er sei zu opportunistisch bei den Abkommen gewesen, die Ende letzten Jahres abgeschlossen wurden und so weiter - ich finde das eine seltsame Begründung, denn wenn es so wäre, müsste er doch erst recht die Auseinandersetzung suchen. Aber erst rumreisen, ins Ausland und sich als Lider feiern lassen und dann abhauen, das finde ich billig.

Roland: Sehe ich auch so, er hätte ja argumentieren können, was machbar war und was nicht, um Positionen kämpfen - ich weiss nicht, was da konkret gelaufen ist, aber das erscheint mir sehr undurchsichtig. Oder er hätte stillschweigend gehen können, ohne von Haßkampagnen zu reden. Und das in einer Situation, in der Aktivisten von 22 und 59 sich vor den Schulen mit Steinen und Prügeln traktieren - das ist ja dann Munition für die Kampagne gegen die "radikale 22".

Arlindo: Ich denke und weiss aus verschiedensten Gesprächen, dass es natürlich ein ganzes Gemenge von Fragen gibt, die dann oft in der laufenden Auseinandersetzung auch nicht mehr getrennt werden oder werden können. Und die SNTE in Oaxaca steht dann sozusagen im Schnittpunkt all dieser Fragen, weil die Entstehung der APPO ja nun schon sehr eng mit dem Streik und der Repression der Landesregierung verbunden ist, die Gewerkschaft deswegen auch immer eine der Säulen der APPO war und ist. Nun muß man noch folgendes beachten:

Es gibt kein politisches Niemandsland...

...Wenn ich mir die ganzen Berichte anschaue, die in der in- und ausländischen Presse vor allem, aber auch den sonstigen Medien stattfanden, dann denke ich, kann man leicht einen Fehler sehen, der auch sonst oft gemacht wird, wenn es um andere Länder oder Gegenden geht, gerade auch von der "wohlmeinenden" Presse. Da wird dann gerne so getan, als ob es sich um ein absolut spontanes Ereignis handele, Naturmenschen sozusagen, die plötzlich aktiv werden.

Ich habe kürzlich einen Artikel von Natanael Guzman gelesen, in dem er gerade das heftigst kritisiert bei seinen eigenen politischen Freunden in Europa und den USA vor allem: Sie suchten vor allem den reinen Wilden, wie schon die Romantik vor bald 200 Jahren den edlen Wilden gesucht habe - er wirft ihnen sozusagen eine Form von Rassismus vor. Was haltet ihr davon?

Roland: Nun Natanael ist immer sehr heftig - aber das befruchtet auch Debatten. Sei es wie es sei, Tatsache ist, wie Arlindo sagt, dass es nie ein politisches Niemandsland gibt. Das heisst: Sei es als Organisationen, sei es als einzelne Personen oder sei es auch nur der Einfluss von bestimmten Ideen - die "politische Landschaft" ist immer da, und so haben wir in der CNTE wie in der APPO alles, was man von überall her kennt. Und das findest Du heute im Süden von Mexiko und im Norden von Papua-Neuguinea. Die Kräfteverhältnisse sind dann unterschiedlich und verändern sich auch - aber es ist kein Zufall, dass jene innerhalb der APPO, die dafür sind, sich an Wahlen zu beteiligen, viele Überschneidungen mit jenen haben, die innerhalb der Gewerkschaft auch zu bestimmten Abkommen bereit sind, die andere wiederum für schlecht halten oder nicht ausreichend.

Luisa: Nun hat ja der APPO-Kongreß am 11. Februar 2007 faktisch entschieden, zur Wahl kann sich jeder verhalten, wie er will: Auf den Listen der PRD, bzw ihrer Frente- was diese anbietet - oder boykottieren oder was auch immer. Was ich auch richtig finde, denn eine Spaltung anhand einer Wahl ist gerade in Mexico völlig überflüssig - hier sagen ja schon viele nicht mehr "ich gehe zur Wahl" sondern richtigerweise gleich "ich gehe zum Betrug". Und dann auch noch in der Provinz, wo es schon im Bund gerichtlich abgesegneten Betrug gibt und dies keineswegs das erste Mal...

Arlindo: Finde ich auch, nur: Es gab ja die Kräfte, die schon im November so getan haben, als hätte die APPO eine Wahlbeteiligung entschieden. Florentino Lopez ist so vor die Presse gegangen und hat doch nur für seine PCM/ML geredet und nicht für die APPO. Und so gibt es verschiedene Verlautbarungen von Sprechern und Sprecherinnen, sei es der Gewerkschaft, der APPO oder auch der indigenen Organisationen, die ja eine weitere Säule der APPO sind, die eben in Wirklichkeit die Meinung ihrer eweiligen politischen Strömungen darstellen - nicht mehr und nicht weniger. Und in diesem Zusammenhang ist dann zu sagen, dass auch Rueda Pacheco eben kein "unbeschriebenes Blatt" ist, sondern langähriger politischer Aktivist. Ähnliches erlebt man a auch in anderen gewerkschaftlichen Organisationen, die in den Auseinandersetzungen in Oaxaca eine Rolle gespielt haben, wie etwa aus dem UNT-Spektrum: als strömungsübergreifende Organisation - ich sage etzt einmal ganz bewusst nicht "Einheitsgewerkschaft", weil das auch immer so eine Behauptung ist, und ich nicht einmal mehr weiss, ob anzustreben - in einem extrem vielfältigen Zusammenschluss, da kommen dann auch eigentlich eher kleinere politische Strömungen zur Geltung, vielleicht mehr, als sie es verdienen.

Roland: Finde ich alles richtig. Nur: Natürlich gab es auch und gibt es noch, spontane Beteiligung an einer Auseinandersetzung, also den Zeitpunkt, an denen die Menschen, die manches hingenommen haben, keine Geduld mehr haben oder keine Leidensfähigkeit mehr oder wie man das immer nennen mag. Und dann stehst Du da und wo vorher sich einhundert versammelt haben, sind plötzlich zehntausend. Nur sind diese Menschen, die da aktiv werden eben auch kein Niemandsland, sie haben Vorstellungen, die entweder denjenigen entsprechen, die mehr oder weniger generell in der Gesellschaft vorhanden sind - oder sie arbeiten sich an diesen ab, anders geht es ja kaum.

Luisa: Und das alles muß man dann vor dem Hintergrund sehen, dass Oaxaca einer der ganz armen Bundesstaaten ist und die PRI-Maschine hier bisher funktioniert hat. Und vor dem Hintergrund der komplexen Geschichte der politischen Linken in Mexico, die ja auch eine Geschichte von Niederlagen ist und von Spaltungen. Wenn es gut läuft - und es ist ziemlich gut gelaufen - kann eine Gewerkschaftsopposition dann eben in so einer Konjunktur die Rolle eines Katalysators übernehmen. Auf den die Kräfte dann aber selbstverständlich auch wieder zurückwirken. Deswegen ist es a auch klar, dass es einen zusammenhang zwischen den Problemen in der CNTE und den Auseinandersetzungen in der APPO gibt.

(Das Gespräch führte hrw)


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