letzte Änderung am 27.Januar 2004

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Suedkorea: Der Ueberlebenskampf einer Gewerkschaft

Von Christian Karl, Seoul

Am 7. Januar protestierten ueber 80 MigrantInnen gegenueber der Botschaft Bangladeshs in Seoul gegen die Inhaftierung zweier Mitglieder der ETU-MB (Equality Trade Union ­ Migrants Branch) in Dhaka. Kurz davor, am 30. Dezember, hatten Beamte der suedkoreanischen Auslaenderpolizei die Deportationsverfuegung von Mohammed Bidduth und Jamal Ali in ihre Heimat Bangladesh vollstreckt. Dort uebergaben sie die beiden der Polizei mit der Begruendung, dass diese in Suedkorea "terroristische Aktivitaeten” verwickelt gewesen seien sollen. Bidduths und Alis einzigstes Verbrechen: aktive Mitgliedschaft in der MigrantInnengewerkschaft ETU-MB. Kurz vor Ende der Kundgebung ­ schon kurz nach Beginn der Veranstaltung waren mehrere Hundertschaften der beruechtigten Anti-Aufruhreinheiten der Polizei in bedrohlicher Naehe der DemonstratInnen aufgezogen ­ konnten die OrganisatorInnen des Protestes in Erfahrung bringen, dass sich im benachbarten Hotel Capitol 50 Beamte der Auslaenderpolizei aufhalten sollen. Durch diese Nachricht alarmiert wurde eiligst zum geschlossenen Abmarsch zur nahegelegenen U-Bahn-Station geblasen. Nur wenige Augenblicke spaeter mussten die MigrantInnen aber feststellen, dass die Polizei ihnen auf den Faersen war, sie ueberhohlten und sie and einer weiteren Flucht hinderten, indem sie sie einkesselten. Kurz darauf trafen die Beamten der Auslaenderpolizei ein und versuchten geziehlt Fuehrungsmitglieder der ETU-MB herauszugreifen, was ihnen auf grund der massiven Gegenwehr aber nicht gelang. Dafuer fiehlen ihnen zwei Migranten in die Haende, deren Kraefte waehrend der Auseinandersetzung merklich nachgelassen hatten. Der Nepalese Kul Bahadur Yakha und Enamul Haq aus Bangladesh wurden waehrend ihrer Verschleppung massiv misshandelt. Zwar versuchten koreanische UnterstuetzerInnen der ETU-MB den Abtransport der beiden zu verhindern, was aber angesichts der Uebermacht der Staatsgewalt vor Ort aussichtslos war. Die beiden Verschleppten wurden am Tag darauf in dass Auslaendergefaengniss in Hwaseong, unweit der Hauptstadt Seoul verbracht.

Dieser Angriff war die bisher folgenschwehrste Attacke der suedkoreanischen Sicherheitskraefte auf die ETU-MB. Erst wenige Tage zuvor, zu Silvester wurde eine genehmigte Protestkundgebung der MigrantInnen vor der zentralen Auslaenderbehoerde in Seoul von 40 Beamten der Auslaenderpolizei angegriffen. Schon hier versuchen sie geziehlt Fuehrungsmitglieder der ETU-MB heraus zu greifen. Da sich an diesem Tag die anwesenden Anti-Aufruhreinheiten noch passiv verhalten hatten, konnten die MigrantInnen und deren koreanischen UnterstuetzerInnen den Angiff erfolgreich abwehren und sich in die fuer ihre Abfahrt bereitstehenden Bussen in Sicherheit bringen. Am selben Tage noch verkuendete das suedkoreanische Justizministerium, dass die Fuehrungsriege der ETU-MB von jetzt an zu jeder Zeit mit der Inhaftierung zu rechnen hat.

Die Vorgeschichte: Am 31. Juli hatte Suedkoreas Parlament ein Gesetz verabschiedet, das MigrantInnen eine dreijährige Erwerbstätigkeit im Lande ermöglicht. Voraussetzung sollte jedoch sein, dass alle, die sich laenger als drei Jahre in Korea aufhalten, zunaechst »freiwillig« in ihre Heimat zurückkehren, um dort bei der suedkoreanischen Botschaft eine neue Arbeitserlaubnis für ein Jahr zu beantragen. Wer laenger als vier Jahre in Korea ist, darf selbst dies nicht. Seither befuerchten mehr als 120000 so genannte »Illegale« die polizeiliche Verfolgung und ihre anschließende Abschiebung. Viele EinwandererInnen ­ zumeist aus Suedostasien, aber auch aus ehemaligen Sowjetrepubliken ­ hatten eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung im Rahmen des so genannten ITS (Industrial Trainee System). Dabei handelte es sich aber zumeist um eine moderne Form der Sklaverei: »Trainees« werden die haertesten, schmutzigsten und gefaehrlichsten Arbeiten zugewiesen, sie bekommen Hungerloehne und werden bisweilen wie Gefangene gehalten. Deshalb suchen die meisten nach einem besseren Arbeitsplatz. Da ihre Aufenthaltsgenehmigung aber an den ITS-Arbeitsplatz gebunden ist, werden sie damit automatisch zu »Illegalen«. Schon am 26. Oktober gingen über 1000 MigrantInnen, unterstuetzt von tausenden koreanischen ArbeiterInnen, auf die Straße und forderten Visa mit einer Arbeitserlaubnis für mindestens fuenf Jahre, Organisations- und Redefreiheit, Streikrecht und Legalisierung aller MigrantInnen. Die Demonstration wurde blutig niedergeschlagen, zwei Aktivisten ­ die eingangs erwaehnten Mohammed Bidduth und Jamal Ali - der ETU-MB, wurden verhaftet.

Am 16. November begannen die Behoerden mit Massenverhaftungen und -deportationen von »Illegalen«. Nur wenige Stunden zuvor, am spaeten Abend des 15. Novembers besetzten etwa 100 MigrantInnen das Gelaende der Myeongdong Kathedrale im Herzen Seouls. Zum Aerger der Staatsmacht wird diese Aktion von der zweitstaerksten Gewerkschaft, der militanten KCTU (Korean Confederation of Trade Unions) unterstuetzt. Seit dem Beginn der Besetzung vergeht nun kaum ein Tag, an dem die BesetzerInnen nicht medienwirksam auf sich aufmerksam machen. Allein schon die Tatsache, dass nahezu 100 Meschen bei den derzeit eisigen Temperaturen in Suedkorea sich in Zelten aufhalten, ruehrt an die Gefuehle vieler BuergerInnen. Taeglich bekommen die BesetzerInnen Besuch von mit ihnen sympathisierenden StudentInnen und GewerkschafterInnen. Und gerade die Tatsache, dass der Sache der MigrantInnen so viel Sympathie in der Oeffentlichkeit entgegen gebracht wird, macht sie so verhasst in den Augen der Machthaber in Seoul. Daher ist auch nicht weiter verwunderlich, dass die suedkoreanische Regierung, die bekanntermassen auch sonst nicht sehr zimperlich auf soziale Protesten reagiert, jede nur moegliche Gelegenheit nutzt, um die Aktivitaeten der ETU-MB zu unterdruecken. Ziel ist es potenzielle UnterstuetzerInnen, vor allem aus dem Kreis der MigrantInnen, abzuschrecken. Bisher ist jedoch genau das Gegenteil eingetreten: Selbst MigrantInnen die in dem eher gemaessigtem JCMK (Joint Committee for Migrants in Korea) organisiert sind, haben nach den letzten Angiffen auf die ETU-MB deren Forderungen, die sie kurz zuvor noch als zu radikal abgelehnt hatten, komplett uebernommen.

Als vorlaeufig letzten Hoehepunkt in der Entwicklung ist die Bildung des Gemeinsamen Aktionskommitees, welches KCTU und ETU-MB, gemeinsam mit anderen Organisationen ins leben gerufen haben, um fuer den 28. Januar einen Internationalen Aktionstag zum Schutze der MigrantInnen in Suedkorea im Allgemeinen und ihrer Gewerkschaft im Besonderen zu organisieren. Den ersten Auftritt in der internationalen Oeffentlichkeit hatte das Kommmitee im indischen Mumbai im Rahmen des WSF2004. Alle diese Aktivitaeten duerfen jedoch nicht darueber hinweg taeuschen, dass, wenn die Regierung ihren Plan der Massendeportation "erfolgreich” umsetzten kann, die ETU-MB faktisch zerschlagen ist, wird sie doch im Rahmen dessen schlichtweg ihrer Mitglieder beraubt. Und was ist schon eine Gewerkschaft ohne Mitglieder wert?

Weitere Informationen unter:
Migranten bei Nodong
Informationen und Material zum International Action Day: 0128@jinbo.net
Bei Laborstart koennt Ihr einen Protestbrief an den suedkoreanischen Praesidenten schicken.<7p>
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