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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Die Deutschen müssen zahlen Eine Aufstellung der deutschen Kriegsschulden an Griechenland Tasos Minas Iliadakis [*] "Die Deutschen sollen erst mal ihre Kriegsschulden an Griechenland bezahlen, bevor sie von uns was wollen." Diese Forderung wird in Griechenland immer lauter - und sie ist berechtigt. In den frühen 40er Jahren drückten die Nazis dem besetzten Griechenland außerordentliche finanzielle Verpflichtungen auf, um die deutsche Besatzung sowie ihre militärischen und strategischen Ziele auf dem Balkan, im Mittelmeerraum und in Libyen zu finanzieren. Außerdem wurde die griechische Nahrungsmittelproduktion für die Verpflegung der deutschen Truppen an der libyschen Front verwendet. Die Deutschen hatten es auf das Öl aus Libyen und aus dem Nahen Osten sowie auf die Erze aus dem Balkan abgesehen: Von Letzterem bezog die deutsche Rüstungsindustrie 20% ihres Bedarfs an Antimon, 50% an Mineralöl, 60% an Bauxit und ihren vollen Bedarf an Nickel. Gleichzeitig war Griechenland der einzige Raum, von dem aus die Alliierten den deutschen Einfluss auf dem Balkan zurückdrängen konnten. Aus diesem Grund waren die deutschen Forderungen nach dem griechischen Anteil an den Kriegslasten unelastisch und provozierten Reaktionen selbst seitens des Kollaborationsregimes von Georgios Tsolakoglou, der mit seinem Rücktritt drohte. Auch Mussolini und der Bevollmächtigte des Reichs für Griechenland, Günther Altenburg, drängten Berlin, die Besatzungskosten für Griechenland zu senken. Die Last der deutschen Okkupation verschlimmerte sich noch durch die Beschlagnahmung aller Güter seitens der Wehrmacht. Sie führte zu der Hungersnot, vor der Altenburg gewarnt hatte. Im Winter 1941/42 berichtete der päpstliche Nuntius, Angelo Roncalli (der spätere Papst Johannes XXIII.), die Zahl der Hungertoten im Gebiet Athen/Piräus habe sich verdreifacht. Goebbels notierte in seinem Tagebuch: «Hunger ist zu einer endemischen Krankheit geworden. Leute sterben aus Erschöpfung zu Tausenden in den Straßen Athens.» Die Regierung in London verschlimmerte die Situation noch, indem sie Griechenland von Nahrungsmittellieferungen abschnitt, um die Bevölkerung zu Aufständen gegen die deutschen Besatzer anzustacheln. Die Deutschen konnten die zunehmende Hungersnot, Gesetzlosigkeit und die wachsenden Sympathien für die Engländer nicht länger ignorieren. Die Hungersnot führte zu Volksaufständen, der Zulauf zur Widerstandsbewegung nahm zu. Auf der Deutsch-Italienischen Finanzkonferenz in Rom, im Januar-März 1942, stand das Thema ganz oben auf der Tagesordnung. Die Deutschen bestanden darauf, substantielle Mittel aus Griechenland abzuziehen, und die Konferenz mündete in eine Sackgasse. Da schlug der italienische Bankier und Wirtschaftsbevollmächtigte Italiens in Griechenland, D'Agostino, einen Zwangskredit vor: Mittel, die Deutschland von Griechenland über die direkten Kosten der Okkupation hinaus forderte, sollten die Form eines Kredits an Deutschland und Italien annehmen. Ein "Kreditabkommen" wurde am 14.März 1942 von Altenburg und Gidzi unterzeichnet, jeweils Bevollmächtigte aus Deutschland und Italien für Griechenland. Griechenland selbst war nicht eingeladen Worte und nicht anwesend. Das Abkommen sah vor:
Es wurde kein Datum festgelegt, ab wann die Rückzahlung beginnen sollte. Der griechische Finanzminister wies den Notenbankchef an, das Abkommen zu erfüllen. Das Zwangsabkommen wurde dreimal geändert, im Zuge dessen wurden die Zwangskredite in normale Kredite umgewandelt, d.h. sie trugen jetzt Zinsen und waren auf eine stabile Währung ausgestellt. Nach Angaben der Bank von Griechenland belief sich die Höhe des Kredits (ohne Zinsen) auf insgesamt 227.940.201 US-Dollar (von 1944), nach Angaben Altenburgs auf 400 Mio. Deutsche (Nachkriegs-)Mark. Mit Anpassungen und Zinsen hat er sich heute auf einige Dutzend Mrd. Euro summiert. Der griechische Kredit an Deutschland berührt nicht die Frage der Reparationen. Deswegen fällt er auch nicht unter das Londoner Schuldenabkommen von 1953, das Deutschland von allen Reparationen und Kompensationen freispricht. Griechenland hat auf allen relevanten internationalen Konferenzen stets geltend gemacht, dass der Kredit und die Forderung nach Reparationen zu trennen sind - so auf der Reparationskonferenz 1945, der Paris Konferenz 1946 und der Londoner Außenministerkonferenz 1947. Griechenland hat stets die Rückzahlung der deutschen Besatzungsschulden gefordert. 1967 verwies die deutsche Seite bei Gelegenheit einer deutsch-griechischen Unterredung auf ein Schreiben des Premierministers Konstantin Karamanlis, in dem dieser auf die Forderung nach Rückzahlung des Kredits verzichtet habe. Später wurde die Behauptung dahingehend korrigiert, der Verzicht sei mündlich erfolgt. Karamanlis dementierte die Behauptung. In einer diplomatischen Note vom 31.März 1967 gab Deutschland schließlich zu, dass Karamanlis auf die Forderung nie verzichtet habe. Deutschland hat die griechische Forderung stets abgewiesen mit den Begründungen: der Kredit falle unter das Londoner Schuldenabkommen; Konstantin Karamanlis habe auf sie verzichtet; solche Forderungen könnten 50 Jahre später nicht mehr erhoben werden. (Griechenland erhebt sie aber seit 1945.) Die deutsche Position entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Seit dem Fall der Mauer kann Deutschland nicht einmal mehr geltend mache, sie könne nicht gegen ein geteiltes Land erhoben werden. Die Forderung ist nun fällig, es kann sie die griechische Regierung erheben, oder die Bank von Griechenland oder einer ihrer Aktionäre, aber auch das griechische Volk vermittelt durch seine Institutionen. Präzedenzfälle dafür gibt es in Jugoslawien und in Polen, denen Nazideutschland ähnliche Besatzungskredite aufgezwungen hatte und die von (West-)Deutschland 1956 bzw. 1971 zurückgezahlt wurden. Artikel von Tasos Minas Iliadakis - wir danken der SoZ-Redaktion für den Vorabdruck *) Der Autor war Mitglied der griechischen Delegation bei der Internationalen Londoner Konferenz über das Nazigold 1997 und nahm als Redner an der Konferenz über die Staatsschulden 2005 in Alexandroupolis teil. |