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Updated: 18.12.2012 15:51
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Guinea: Neuer Premierminister ernannt - Nachgereicht: Solidaritätserklärungen aus der französischen Linken

Korrektur und Ergänzung vom 01.03.2007:

Entgegen unseren Angaben vom Dienstag heißt der neue Premierminister der Republik Guinea nicht « Eugène » Kouyaté, sondern LANSANA Kouyaté. Er teilt somit seinen Vornamen nicht mit dem geschassten Premierminister (vom 9. Februar bis 25. Februar 2007) Eugène Camara, sondern mit dem noch amtierenden Präsidenten Lansanca Conté, dessen Rücktritt vielfach durch die DemonstrantInnen der letzten anderthalb Monaten gefordert wurde.

Lansana Kouyaté war Vertreter der Vereinten Nationen in Somalia (1994), Sekretär der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft CEDEAO und zuletzt Repräsentant der Internationalen Organisation französischsprachiger Staaten (OIF, Organisation internationale de la francophonie) für das Bürgerkriegsland Côte d'Ivoire.

Wie die anderen drei Persönlichkeiten, die durch die Gewerkschaften und die Vereinigungen der "Zivilgesellschaften" für den Posten des Premierministers vorgeschlagen wurde, wurde Kouyaté ausgewählt, weil er im Gegensatz zu den bisherigen Machthabern als "nicht korrupt" gilt. Als sozialistischer Revolutionär dürfte er wohl nicht durchgehen, wohl aber wird vermutet, dass er an der Entwicklung seines Landes ernsthaft interessiert sei.

Die insgesamt vier vorgeschlagenen Persönlichkeiten (unter denen Präsident Conté für den Posten des Premierministers auswählen durfte/musste) waren:

  • Mohamed Béavogui, Direktor der Abteilung Afrika beim Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (französisch FIDA, englisch IDAF) in Rom, vorgeschlagen durch die vier Gewerkschaftsverbände CNTG, USTG, ONSLG und UDTG und durch die Vertreter der "Zivilgesellschaft";
  • Lansana Kouyaté, siehe oben, vorgeschlagen durch die Gewerkschaftsverbände;
  • Saïdou Diallo von der guineeischen nationalen Krankenversicherung (Caisse Nationale de la Sécurité sociale), vorgeschlagen durch die Gewerkschaftsverbände;
  • und Kabinet Komara, derzeit bei der Afreximbank, vorgeschlagen durch die "Zivilgesellschaftler".

Die vier Namen wurden bei den Vermittlungsgesprächen, die am vorigen Sonntag unter der .Schirmherrschaft der CEDEAO an den früheren Staatschef von Nigeria, Ibrahima B. Babanguida übergeben. Dieser wiederum übermittelte sie an den bislang diktatorisch regierenden guineeischen Präsidenten Conté, der sich nunmehr mit einer Machtteilung abfinden muss.

Die wichtige Frage in den kommenden Monaten wird unterdessen sein, ob die guineeische Regierung nunmehr eine Änderung der Abkommen mit den ausländischen (kanadischen, US-amerikanischen, französischen, russischen, japanischen) Konzernen aushandeln kann, die bislang vor dem Hintergrund der grassierenden Korruption reichlich unerhörte Privilegien im Land genossen.

Möglicherweise beruhigt sich ab dem heutigen Tag die Lage in der Republik Guinea, nach sechs Wochen Generalstreik und mindestens 115 Toten. Am Montag abend hat der Präsident der Republik Guinea, Lansana Conté, wie von ihm gefordert worden war, einen neuen Premierminister ernannt und ihn mit wesentlichen Machtbefugnissen ausgestattet. Er wählte ihn unter den Namen von vier "integren Persönlichkeiten" aus, die ihm durch die Gewerkschaften und die "Zivilgesellschaft" vorgelegt worden waren. Am Sonntag hatten Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (CEDEAO) stattgefunden, bei denen die Gewerkschaften drei Namen und die Vereinigungen der "Zivilgesellschaften" zwei Namen für den gewünschten Regierungschef präsentiert hatten. Da es dabei eine Überschneidung gibt, handelte es sich also um vier Personenvorschläge (und nicht fünf, wie gestern gemeldet).

Der neue Premierminister ist der Diplomat Eugène Kouyaté, der bisher unter anderem die Vereinten Nationen in Somalia (1994) und zuletzt die Vereinigung französischsprachiger Staaten OIF im Bürgerkriegsstaat Côte d'Ivoire repräsentiert hat. Neben ihm waren vor allem die Namen afrikanischer Banker vorgeschlagen worden. Die vier Persönlichkeiten, die bisher das Vertrauen der Gewerkschaften und der "Zivilgesellschaft" besetzten, da sie nicht als notorisch korrupt gelten, zählen zu jenem Teil der einheimischen Elite, der zumindest an die Entwicklung des eigenen Landes ernsthaft glaubt. Ob Eugène Kouyaté in den kommenden Wochen und Monaten tatsächlich Lösungsansätze zumindest für die schreiendsten sozialen und wirtschaftlichen Probleme wird präsentieren können, bleibt im Moment nur abzuwarten. Ebenso, ob Präsident Lansana Conté tatsächlich einen faktischen Machtübergang hinnehmen wird, oder aber doch noch probieren wird, eine dynastische Nachfolge mit seinem Sohn Outhmane Conté an der Staatsspitze durchzusetzen.

Nun aber nochmals zur internationalen Solidarität rund um Guinea.

Nachgereicht: Politische Solidaritätserklärungen aus Frankreich

Nur wenige französische Linke und Gewerkschafter/innen sind in jüngster Zeit leibhaftig für die Solidarität mit Guinea auf die Straße gegangen. Der Großteil der französischen Linken hat inzwischen allerdings inzwischen Solidaritätserklärungen für die sozialen Bewegungen in der Republik Guinea befasst, die mal mehr und mal weniger korrekt ausfallen. In einigen wird oft auch die Rolle Frankreichs und der übrigen imperialistischen Staaten korrekt benannt, während - nun ja, was wollte man erwarten? - von der französischen Sozialdemokratie eine verstärkte Rolle der Europäischen Union zwecks Förderung der Demokratie gefordert wird.

Nach den gewerkschaftlichen Stellungnahmen (vgl. Labournet vom vorigen Freitag) hier also die Stellungnahmen aus der politischen Linken in Frankreich.

Radikale und etablierte französische Linke

Die libertär-kommunistische Vereinigung AL (Alternative Libertaire) veröffentlichte am 22. Februar 2007 eine Erklärung unter der Überschrift "Guinea: Weder französische Intervention noch Einmischung"pdf-Datei. Darin heißt es insbesondere: "Der französische Staat, der bislang das Regime (in Guinea) unterstützt, hat soeben das Kriegsschiff 'Sirocco' in den Golf von Guinea auslaufen lassen. Und die französischen Truppen, die in Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) präsent sind, könnten in Guinea eingreifen, um die französischen Staatsbürger zu evakuieren und um eine Ordnung wiederherzustellen, die seinen (des französischen Staates) Interessen konform ist und den Interessen der französischen Unternehmen, die Profit aus der Ausbeutung der Ressourcen des Landes ziehen. Frankreich bestätigt so seine Rolle als neokolonialer Gendarm und als Garant der Interessen der multinationalen Konzerne, die es in Afrika immer hat spielen wollen. Alternative Liberatire bekräftigt ihre Unterstützung für die sozialen und demokratischen Forderungen der guineeischen Bevölkerungen, und verlangt den Stopp der Repression gegen die soziale und gewerkschaftliche Bewegung. Wir verlangen den Rückzug der französischen Truppen vom afrikanischen Kontinent."

Die Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR, undogmatisch-trotzkistisch) hat ihrerseits am 15. Februar 2007 ein Pressekommuniqué pdf-Datei veröffentlicht. Darin ist u.a. zu lesen: "Die LCR bekräftigt energisch ihre Solidarität mit dem guineeischen Volkes, das zur Zielscheibe einer grausamen Repression wird. Die internationale Gemeinschaft verurteilt die Gewalt (Anm.: der Repression) in Lippenbekenntnissen, aber ergreift keinerlei Sanktionen gegen die guineeischen Machthaber und sieht gar zu glücklich dabei zu, wie französische, (US-)amerikanische, russische und andere Unternehmen dieses eigentlich sehr rohstoffreiche Land ausplündern. Frankreich muss sofort seine militärische und ökonomische Kooperation mit diesem mörderischen Regime beenden, wie jene mit sämtlichen afrikanischen Diktatoren, die es unterstützt oder selbst an die Macht befördert hat."

Die Französische kommunistische Partei (PCF, Parti communiste français) veröffentlichte am 26. Januar 2007, als der Konflikt zum ersten Mal auf eine Lösung zuzusteuern schien, eine Erklärung veröffentlicht. (Vgl. http://www.pcf.fr/spip.php?article1320 externer Link) Darin heißt es unter anderem: "Das guineeische Volk verlangt legitimer Weise mehr Gerechtigkeit, die Wiederherstellung aller Grundrechte und einen wirklichen Rechtsstaat. Die Politik der Strukturanpassungsprogramme - unter Kontrolle des IWF - und der Reduzierung der öffentlichen Ausgaben, das Zurückfahren der Sozialprogramme, um die Schuldenzahlung zu finanzieren, in einem Land, wo die Hälfte der Bevölkerung mit weniger als einem Dollar pro Tag lebt, sind die Ursachen der dring lichen Forderungen der Unterklassen (populaires). Die Verantwortung Frankreich und der anderen Länder des 'Pariser Clubs', der die Auslandsschulden des guineeischen Staates verwaltet, ist unmittelbar. (...)."

Die französische "Sozialistische" Partei hatte am 23. Januar 2007 eine Erklärung ihres Sekretariats für internationale Angelegenheit veröffentlicht. (Vgl. http://presse.parti-socialiste.fr/2007/01/23/guinee-le-ps-condamne-la-repression/ externer Link) Darin ist zu lesen: "Die Sozialistische Partei verurteilt entschieden die blutige Repression der Demonstrationen in Guinea durch die 'Sicherheits'kräfte. Die Sozialiste Partei verurteilt ebenfalls die Verhaftung der wichtigsten Gewerkschaftsführer der CNTG und der USTG. Bei einem Treffen mit der CNTG im Rahmen des (Welt-) Sozialforums in Nairobi hat die französische sozialistische Delegation unter Leitung von (Anm.: Europaparlamentarier und Ex-SOS Racisme-Chef, Oberkarrierist) Harlem Désir den Vertretern dieses Gewerkschaftsbunds ihre Unterstützung und ihren Willen, Druck auf die französische Regierung auszuüben, erklärt. Die Sozialistische Partei verlangt (...) den Respekt und die Wiederherstellung der individuellen und gewerkschaftlichen Grundrechte. Längerfristig (...) wünscht die Sozialistische Partei, dass die Europäische Union sich engagiert, um die notwendige demokratische Transition und die Abhaltung freier Wahlen in naher Zukunft garantiert."

Die Rechte der guineeischen Gewerkschaften zu verteidigen, ist ehrbar. Aber dies mit der Perspektive einer verstärkten Rolle der Europäischen Union zu verbinden ist ein Taschenspielertrick, den man sozialdemokratischen Arschlöchern allemal zutrauen durfte.

Bernhard Schmid, Paris, 27.02.2007


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