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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Sans papiers besetzen die Räumlichkeiten der CGT im Pariser Gewerkschaftshaus Die Bilder stammen von der Demo zur Unterstützung der Travailleurs sans papiers am 1. Mai 2008 und wurden von Bernard Schmid fotografiert. Siehe dazu auch den Artikel: "Frankreich: Streik der Travailleurs sans papiers prägt den 1. Mai, und beginnt erste Ergebnisse zu zeitigen" Die Konflikte um die Kampfführung des Gewerkschaftsbunds CGT im aktuellen Streik der "illegal eingewanderten" Arbeiter (travailleurs sans papiers) eskalieren in den letzten Tagen. Seit dem vergangenen Freitag (2. Mai) besetzt die "Pariser Koordination der Sans papiers" nun mit circa 200 bis 300 Personen die Lokale der CGT und das Pariser Gewerkschaftshaus, um Druck für ihre Forderung zu entfalten, 1.000 ihrerseits zusammengestellte Dossiers zu akzeptieren und ebenso wie die bei den Präfekturen (= Polizei- und Ausländerbehörden) eingereichten 1.000 Dossiers als (vor)dringlich zu behandeln. Was die CGT ihrerseits ablehnt, mit der Begründung, jene, die sich selbst gewerkschaftlich organisieren und an einem Streik teilnehmen, seien als Verhandlungsteilnehmer vorrangig, "dies ist nun einmal die Basis des Gewerkschaftswesens" (so die CGT-Sekretärin Francine Blanche). Dies hat durchaus seine Logik, denn tatsächlich definiert sich die Aktivität einer Gewerkschaft nun einmal zuvörderst über die aktive Solidarität und das eigene Einbringen in kollektive Streiks. Es hat ebenfalls seine Logik, dass die CGT "ihre" derzeit bei den Präfekturen in Paris und in den Bezirkshauptstädten im Pariser Umland eingereichten Dossiers von Streikteilnehmern zuerst behandelt sehen möchte: Alle Kollektive und Koordinationen von Sans papiers, die bislang existieren und (infolge von Demonstrationen, Besetzungsaktionen, öffentlichem Druck usw.) de facto als Verhandlungspartner der Staatsmacht auftreten können, handeln ihrerseits ähnlich. Wenn die Präfektur einem Sans papiers-Kollektiv zu erkennen gibt, dass sie bereits sei, 200 Personen zu "legalisieren", dann wählt das Kollektiv seinerseits 200 Namen aus, um sie bei der Präfektur einzureichen - und tut dies unter Berücksichtigung derjenigen, die selbst beim eigenen Kollektiv organisiert oder dort aktiv sind. Insofern handelt es sich um eine nachvollziehbare, aber beklagenswerte "Konkurrenz"logik, die jedoch aufgrund des Handelns der Gegenseite quasi unvermeidlich zu werden schien: Die Pariser Regierung hatte der CGT signalisiert, das sie bereit sei, 1.000 "Legalisierungen" in Erwägung zu ziehen, hat ihr aber zugleich als Gegenleistung abgefordert, die aktuelle Bewegung zu "beruhigen". Also keine neuen Streiks für "Legalisierung" unmittelbar nachkommen zu lassen. Und wenn man genaue Kenntnis davon hat, dass die Gegenseite nun einmal bereit ist, 1.000 Personen zu "legalisieren", aber nicht mehr, dann steckt man selbst in der Bredouille, weil man selbst quasi zum "Auswählen" der "guten" Dossiers gezwungen wird. Dafür kann die CGT (bis zu diesem Punkt) nichts, denn sie wird selbst durch die Regierung dem Zwang dieser Logik ausgesetzt. Dennoch bleibt ein schaler bis negativer Nachgeschmack bei diesen Auseinandersetzungen übrig; dafür sorgt die Kombination aus mehr oder minder abgeschotteten Verhandlungen zwischen dem Ministerium "für Einwanderung und nationale Identität" von Brice Hortefeux (wo die beiden CGT-Repräsentanten Raymond Chauveau und Francine Blanche am 21. April empfangen wurden), einer defensiven Kampfführung und der momentanen Ablehnung einer Ausweitung der Streiks durch die CGT. Es ist also völlig normal und nicht ungewöhnlich, dass jene, die nicht zu den 1.000 "prioriären Dossiers" (also vorrangig, als dringlich behandelten Akten) gehören, sich "ausgegrenzt" fühlen und ihre eigene Berücksichtigung reklamieren. Das Dilemma, durch das "Nadelöhr" der durch die Gegenseite derzeit angekündigten bzw. "gewährten" eintausend Legalisierungs-Anträge hindurch zu müssen, lässt sich dadurch allein aber noch nicht auflösen. Hinzu kommt aber - und an diesem Punkt wird es vollends kritikwürdig - die Logik, durch die jedenfalls ein Teil der CGT ihre "Legalisierungs"politik begleitet. Die Sekretärin des Gewerkschaftsbunds, Francine Blanche, die am 21. April an dem Termin mit dem Ministerium "für Einwanderung und nationale Identität" von Brice Hortefeux teilgenommen hat, sprach im Anschluss daran von "nützlicher" bzw. "ausgesuchter Einwanderung". Und griff dabei einen Begriff der amtierenden Rechtsregierung auf (l'immigration choisie), wobei sie versuchte, das hinter der durch Nicolas Sarkozy erfundenen Begrifflichkeit stehende Konzept für die von ihr "betreuten", arbeitenden Einwanderer nutzbar zu machen: Die regierenden Konservativen verstehen unter "ausgesuchter Einwanderung" im Kern eher eine auf die Zuwanderung von hochqualifizierten oder hochspezialisierten Arbeits- und Führungskräften begrenzte Einwanderung, über deren Zulassung Frankreich allein zu entscheiden habe. Francine Blanche versucht dieses Konzept nun ein bisschen umzudrehen. Nach ihren Worten wurden die jetzt streikenden Arbeitskräfte ja "durch ihre Arbeitgeber ausgewählt/ausgesucht" und seien zudem für die französische Ökonomie unbestreitbar nützlich. Insofern, so argumentiert Francine Blanche, handele es sich da doch auch um "ausgesuchte Einwanderung". Dieses Spiel mit einem Konzept, das durch die Regierungspolitik aufgebracht worden ist, mag zwar im konkreten Falle für die konkret am Streik beteiligten "illegalen" Einwanderer nützlich sein. Es bedeutet aber zugleich, das instrumentelle, utilitaristische und sozialdarwinistische Grundkonzept der Regierung zu akzeptieren und sich ihre Fragestellung zu eigen zu machen: Wer ist "für uns von Nutzen" (und wird also durch die CGT ,betreut'), welches Dossier ist hingegen "schlecht"? An diesem Punkt müsste die Kritik, auf eine scharfe Analyse gestützt, ansetzen. Bernard Schmid, Paris, 06.05.2008 |