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Updated: 18.12.2012 16:00 |
Sozialproteste in Frankreich - Teil 2 "Zu den Arbeitskämpfen bei der französischen Bahngesellschaft SNCF (von gestern) und bei Air France, am heutigen Freitag. Und zu einigen Gründen dafür, warum die sozialen Kämpfe im Augenblick sich in eher bescheidenen Ausmaßen entwickeln" - der Anfang des heutigen 2. Teils (Fortsetzung von gestern) des Artikels "Sozialproteste in Frankreich" von Bernard Schmid vom 26. Oktober 2012. Sozialproteste in Frankreich II Fortsetzung des gestrigen Berichts Zu den Arbeitskämpfen bei der französischen Bahngesellschaft SNCF (von gestern) und bei Air France, am heutigen Freitag. Und zu einigen Gründen dafür, warum die sozialen Kämpfe im Augenblick sich in eher bescheidenen Ausmaßen entwickeln. Am heutigen Freitag früh begann der Arbeitskampf bei der französischen Fluggesellschaft Air France. Er richtet sich gegen die Flexibilisierung von beruflicher Laufbahn und Löhnen, die Abschaffung oder Verringerung garantierter Lohnbestandteile (etwa für die Betriebszugehörigkeit) oder auch die Verringerung von Pausen - auf 30 Minuten täglich - und arbeitsfreien Tagen. Siehe dazu ausführlicher das Flugblatt der CGT bei Air France: http://ddata.over-blog.com/xxxyyy/0/32/46/53/textes02/CGT-AF-26-10-2012.pdf Dennoch blieben die Auswirkungen des Ausstands am heutigen Vormittag begrenzt. Am frühen Morgen wurde vermeldet, es würden Verspätungen bei einigen Flügen verzeichnet, es käme aber zu keinerlei Ausfall von Flugbewegungen. (Vgl. http://www.lemonde.fr/societe/article/2012/10/26/greve-a-air-france-des-retards-mais-pas-d-annulations-de-vols_1781401_3224.html ) Ähnlich war auch die Situation bei der französischen Bahngesellschaft SNCF am gestrigen Donnerstag durch die bürgerlichen Medien als "ruhig" beschrieben worden, mit "geringen Beeinträchtigungen" in den Bahnhöfen; vgl. etwa http://actu.orange.fr/une/greve-sncf-trafic-perturbe-mais-situation-calme-dans-la-plupart-des-gares-afp_1151332.html . Der dortige Streiktag war seit mehreren Monaten - seit Sommer 2012 - geplant gewesen. Zunächst hatten manche bürgerlichen Medien Panik zu stiften versucht, da er am Vorabend des (heute beginnenden) Reiseverkehrs in die Herbstferien der französischen Schulen fiel. Doch letztendlich ist "nicht sehr viel passiert". Für den Ausstand gab es durchaus hervorragende Gründe; vgl. dazu u.a. auch das Flugblatt der CGT "Warum der Streik am 25. Oktober 2012?" (Siehe hier: http://canempechepasnicolas.over-blog.com/article-pourquoi-la-greve-a-la-sncf-le-25-octobre-2012-111497732.html ) Fakt ist, dass die Bahngesellschaft SNCF im laufenden Jahr ihren Beschäftigten das tolle "Angebot" einer Lohnerhöhung in Höhe von 0,5 % für das gesamte Jahr macht - bei einer Inflation, die laut offiziellen Zahlen derzeit 2 % beträgt... Hinzu kommt der Verlust von Arbeitsplätzen jedenfalls bei der Kerngesellschaft SNCF (im laufenden Jahr -1.400 Stellen). Er wird nach außen hin durch die Einstellungspolitik - 10.000 Anstellungen im laufenden Jahr im Konzern rund um die SNCF - maskiert. Allerdings muss man dabei dem Umstand Rechnung tragen, dass durch dieses Wachstum ganz andere Aktivitäten entwickelt werden, deren Expansion zumindest z.T. unmittelbar zu Lasten der Eisenbahner/innen selbst geht. Nicht nur wird der Online-Verkauf von Tickets durch einige der neuen Aktivitätszweige entwickelt; wesentlich schlimmer noch: Das Straßentransport- (also LKW-)Unternehmen Géodis, das derzeit expandiert, ist eine hundertprozentige Filiale der SNCF. Nur dürfte es nicht eben von Vorteil für die Eisenbahner/innen sein, just den Gütertransport per LKW - statt auf der Schiene - zu fördern... Zu den Hemmfaktoren zählt aber, natürlich, auch die Politik der etablierten Gewerkschaftsverbände. Diese organisierten zwar einige sektoriell begrenzte Arbeitsniederlegungen (SNCF, Air France) und organisieren mitunter vor Ort konkrete Abwehrkämpfe gegen drohende Massenentlassungen. Doch lassen sie keinerlei "Konvergenz", keinerlei Gedanken an ein Zusammenfließen der unterschiedlichen Kämpfe aufkommen. Mit zur Orientierung der Gewerkschaftsdachverbände trägt bei, dass sie derzeit stark mit der Regelung interner Fragen beschäftigt sind. Tatsächlich wurden im zu Ende gehenden Monat Oktober 12 die Weichen für die Regelung der Nachfolgefrage an der Spitze der beiden mitgliederstärksten Dachverbände geregelt. Bei der sozialdemokratischen CFDT wird in Kürze der - schon vor anderthalb Jahren durch den ausscheidenden Generalsekretär François Chérèque selbst als "Kronprinz" ausgewählte - Laurent Berger das Heft übernehmen. Er war in jungen Jahren vorübergehend als Sozialarbeiter tätig, jedoch seit 1996 langjähriger hauptamtlicher Bürokrat im westfranzösischen Raum Nantes, wo er die "Säuberung" der CFDT von linksgewerkschaftlichen Oppositionellen 1996 (nach den Herbststreiks von 1995) und 2003 mit umsetzte. Dagegen erwies sich die Regelung der Nachfolge von Bernard Thibault bei der "postkommunistischen" CGT in den letzten Monaten als schwieriger. Nunmehr steht jedoch fest, wer seine Nachfolge antreten soll: Das Führungsgremium der CGT stellte die Weichen für den bisherigen Regionalvorsitzenden in der Normandie, Thierry Lepaon (vgl. http://social.blog.lemonde.fr/2012/10/16/fumee-blanche-a-la-cgt-pour-le-successeur-de-bernard-thibault/ ) Auch die Einbindung der Gewerkschaften in die Regierungspolitik, welche unter der derzeitigen Regierung stärker ausfällt als unter der alten unter Nicolas Sarkozy (vor Mai 2012), spielt eine Rolle bei der extremen "Mäßigung" gewerkschaftlicher Mobilisierungsversuche. Soeben wurde eine der sozialpolitischen Weichenstellungen der Regierung Hollande/Ayrault von einem Abkommen zwischen mehreren Gewerkschaftsdachverbänden und dem "Arbeitgeber"lager flankiert: Diese unterstützen den Plan zur Einführung so genannter "Generationenverträge". Diese erlauben es Unternehmen, erhebliche Subventionen - in Form von Nachlässen bei Sozialbeiträgen - zu erhalten, wenn sie "Junioren" einstellen und dabei "Senioren"beschäftigte im Betrieb behalten, um die Letzteren die Ausbildung der Erstgenannten am Arbeitsplatz übernehmen zu lassen. (Vgl. http://social.blog.lemonde.fr/2012/10/20/un-premier-succes-pour-le-dialogue-social/ ) Das Ganze soll als beschäftigungspolitische Maßnahme für die jüngere ebenso wie die ältere Generation dienen, bedeutet aber auch eine indirekte Subventionierung der - durchaus Gewinn bringenden, und nicht als Sozialarbeit misszuverstehenden - Beschäftigung von Arbeitskräften für die Betriebe. Bernard Schmid, 26.10.2012 |