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Updated: 18.12.2012 15:51
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Disziplinarausschuss entschied über SUD Rail-Aktivisten

"Von Repressalien bedrohte Mitglieder von SUD-Eisenbahnergewerkschaft nicht mehr von Kündigung bedroht. Unterdessen wird Bahnchefin Idrac gefeuert - wegen mangelnden Vertrauens der Gewerkschaften. Harharhar..." - so beginnt der kurze Nachtrag zu einem Artikel vom 12. Februar 2008 "Disziplinarausschuss entschied über SUD Rail-Aktivisten" von Bernard Schmid vom 22. Februar 2008.

Disziplinarausschuss entschied über SUD Rail-Aktivisten

Von Repressalien bedrohte Mitglieder von SUD-Eisenbahnergewerkschaft nicht mehr von Kündigung bedroht. Unterdessen wird Bahnchefin Idrac gefeuert - wegen mangelnden Vertrauens der Gewerkschaften. Harharhar... (Nachtrag zu unserem Artikel vom 12. Februar 08)

Am vorgestrigen Mittwoch fiel nun die Entscheidung über die beiden Mitglieder linken Basisgewerkschaft SUD-Rail (SUD-Schienenverkehr) - zwei Eisenbahner, die aufgrund von Vorfällen während des letzten Bahnstreiks im November 2007 belangt werden sollten.

Dem einen wurde vorgeworfen, dass er einen Journalisten im Führerstand einer Lokomotive mitfahren ließ, dem anderen eine verbale (zu keinem Zeitpunkt körperlich werdende) Auseinandersetzung mit einem Streikbrecher unter den Lokführern. Beiden drohte, neben eine 12- bzw. 6tägigen Ausschluss vom Arbeitsplatz unter Verlust des Lohnanspruchs, auch je eine "letzte Verwarnung vor Kündigung". Dies hätte bedeutet, dass ihnen beim nächsten, disziplinarrechtlich relevanten Vorwurf seitens ihrer Vorgesetzten oder Direktion unmittelbar die Entlassung gedroht hätte.

Nun liegt also die Entscheidung vor.

Das Ergebnis: Die beiden Eisenbahnerkollegen erhielten zwar jeweils eine mehrtägige Sperre am Arbeitsplatz, aber keine "Verwarnung vor Kündigung". Die Entlassungsdrohung schwebt damit nicht länger im Raum.

Ansonsten wurde der Kollege Aziz zu 9 Tagen, und der Kollege Ouam zu 5 Tagen Ausschluss vom Arbeitsplatz (ohne Lohnfortzahlung) verdonnert. Die Beschlüsse des Disziplinarausschusses liegen damit - auf dieser Ebene - knapp unterhalb dessen, was die Hierarchie gefordert hatte. Die Kollegen und ihrer Gewerkschaft zeigten sich jedoch nach dem Verdikt "erleichtert".

Die Hauptsache ist in ihren Augen zunächst, dass keine Kündigungsdrohung mehr über den Häuptern der beiden Gewerkschafter hängt.

Unterdessen wurde bekannt, dass die bisherige Chefin der französischen nationalen Bahngesellschaft SNCF, Anne-Marie Idrac, entgegen mancher gegenläufiger Prognosen ihren Posten nicht behält. Am Mittwoch, 20. Februar veröffentlichte die Regierung - wie geplant - ihr Dekret, durch welches sie die Staatsvertreter im Aufsichtsrat der SNCF ernennt (vgl. http://www.labournet.de/internationales/fr/schmid-sud.html).

De facto legt das Dekret auch fest, wer künftig die Präsidentschaft im Aufsichtsrats innehat; dieser Beschluss über die neue Führung der Bahngesellschaft wird am kommenden Mittwoch (27. Februar) im Kabinett von Premierminister François Fillon ausdrücklich bestätigt werden. Bahnchefin Anne-Marie Idrac wird also geschasst. Verantwortlich dafür ist, laut einem Bericht der Pariser Abendzeitung ,Le Monde' in ihrer Freitagsausgabe, zu maßgeblichen Teilen das mangelnde Vertrauen der Gewerkschaften bei der SNCF in ihre Person; Originalton: "Insbesondere wurden ihr ihre bisweilen schwierigen Beziehungen mit den Gewerkschaftsorganisationen zum Vorwurf gemacht." Die Zeitung erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass erst am Mittwoch dieser Woche sieben von acht Gewerkschaften, die bei der SNCF vertreten sind (alle mit Ausnahme der korporatistischen, d.h. berufsgruppenegoistische Interessen vertretenden, Lokführergewerkschaft FGAAC), in einem Offen Brief an Madame Idrac Vorwürfe an die Adresse der Noch-Bahnchefin erhoben hätten. Ihr wird in dem Brief vorgeworfen, einen "Willen zu Repressalien (gegen Gewerkschafter) als Selbstzweck" zu erheben. Dabei ging es um die durch die Direktion geforderte Kündigung eines bei der CGT organisierten höheren oder leitenden Angestellten, den die Arbeitsinspektion (eine Art Gewerbeaufsichtsamt, das bei Mandatsträgern oder Gewerkschaftsfunktionärin eine Kündigung genehmigen muss) jedoch verweigert hatte.

Bei Anne-Marie Idrac handelt es sich um eine ehemalige Politikerin der christdemokratischen UDF - aus dieser früheren bürgerlichen Partei ging inzwischen die zentrumsdemokratisch orientierte ,Demokratische Bewegung'' (MoDem) unter François Bayrou hervor, wobei ein Teil ihrer Truppen sich der konservativen Regierungspartei UMP angeschlossen hat. 1995, während der großen Streiks u.a. der Eisenbahner/innen, war sie Staatssekretärin für das Transportwesen gewesen. Bei den Gewerkschaften ist sie seitdem nicht sonderlich wohl gelitten. Später, Ende der 1990er Jahre, leitete sie zeitweise den Pariser Nahverkehrsbetrieb RATP.

Ihr Nachfolger wird Gauillaume Pepy, ein früherer Mitarbeiter (Kabinettsdirektor) der mehrfach amtierenden sozialdemokratischen Arbeits- und Sozialministerin Martine Aubry in den Jahren 1991/92, der seit 13 Jahren bei der französischen Bahngesellschaft SNCF arbeitet. Ihm werden bislang "konstruktive Beziehungen" zu den, und ein sanfter Umgang mit den Gewerkschaften nachgesagt. Es wird sich erweisen, wie dies in der Praxis aussieht, wenn Pepy zukünftig nun selbst die Geschicke des Unternehmens führen wird.

Einstweilen darf man sich aber darüber freuen und die Sektkorken knallen lassen, dass die SUD Rail-Mitglieder am selben Tag von der Kündigungsdrohung "befreit" wurden, an dem bekannt wurde, dass Bahnchefin Idrac fliegt. Harharharhar....

Bernhard Schmid (Paris) 22. Februar 2008


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