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Updated: 18.12.2012 15:51
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Amtlich bestätigt: RSA ist diskriminierend!

"Wir hatten es in Labournet aufgegriffen und kritisiert: Das neu geschaffene "Aktive Solidaritätseinkommen" (RSA), das in Bälde - ab 2009 - in Frankreich alle bisherigen Sozialleitungen zur Absicherung des lebensnotwendigen Minimums ersetzen soll, schafft eine flagrante Ausländerdiskriminierung. In einem ausführlichen Beschluss vom 20. Oktober 2008 befindet die französische Antidiskriminierungsbehörde HALDE (Haute Autorité de Lutte contre les discriminations et pour l'Egalité), dass diese Kritik, die in Frankreich von Migranten-Solidaritätsinitiativen vorgetragen worden war, zutrifft. Zuvor hatte eine Rechtsberatungsgruppe für Immigrant/inn/en GISTI die Anstalt zur Diskriminierungsbekämpfung angerufen. Und die HALDE hat ihr nun quasi auf der ganzen Linie Recht gegeben. Die Gesetzesvorlage zum RSA ist ihr zufolge an zahlreichen Punkten als rechtswidrig zu betrachten" - so beginnt der aktuelle Beitrag "Französische Antidiskrimierungsbehörde HALDE bestätigt offiziell: Die Gesetzesvorlage zur Schaffung des "Aktiven Solidaritätseinkommens" (RSA) beinhaltet Ausländerdiskriminierung" von Bernard Schmid vom 24. Oktober 2008.

 "Aktivierung der Sozialausgaben" in Frankreich: Französische Antidiskrimierungsbehörde HALDE bestätigt offiziell: Die Gesetzesvorlage zur Schaffung des "Aktiven Solidaritätseinkommens" (RSA) beinhaltet Ausländerdiskriminierung

Wir hatten es in Labournet aufgegriffen und kritisiert: Das neu geschaffene "Aktive Solidaritätseinkommen" (RSA), das in Bälde - ab 2009 - in Frankreich alle bisherigen Sozialleitungen zur Absicherung des lebensnotwendigen Minimums ersetzen soll, schafft eine flagrante Ausländerdiskriminierung. (Vgl.ausführlich: http://www.labournet.de/internationales/fr/rsa_bs.html)

In einem ausführlichen Beschluss vom 20. Oktober 2008 befindet die französische Antidiskriminierungsbehörde HALDE (Haute Autorité de Lutte contre les discriminations et pour l'Egalité), dass diese Kritik, die in Frankreich von Migranten-Solidaritätsinitiativen vorgetragen worden war, zutrifft. Zuvor hatte eine Rechtsberatungsgruppe für Immigrant/inn/en GISTI die Anstalt zur Diskriminierungsbekämpfung angerufen.

Und die HALDE hat ihr nun quasi auf der ganzen Linie Recht gegeben. Die Gesetzesvorlage zum RSA ist ihr zufolge an zahlreichen Punkten als rechtswidrig zu betrachten. Die HALDE oder "Hohe Behörde zum Kampf gegen Diskriminierungen und für Gleichbehandlung" analysiert in ihrem zehnseitigen Untersuchungsbericht, der von einem zweiseitigen Papier für die Presse begleitet wird, die derzeit im parlamentarischen Verabschiedungsprozess befindliche Gesetzesvorlage zur Schaffung des RSA.

Bei der HALDE handelt es sich um eine regierungsunabhängige (also nicht weisungspflichtige) Behörde, die Vorschläge und Empfehlungen formulieren und auch Regierungsbeschlüsse kritisieren "darf". Allerdings haben die Berichte und Empfehlungen der HALDE keine Gesetzeskraft und auch nicht dieselbe Rechtsverbindlichkeit wie Gerichtsurteile, die Regierung kann sich also unter Umständen auch "draufsetzen" (wie die Französin sagt, während der Deutsche "die Sache aussitzen" würde). Allerdings kann die HALDE bzw. können ihre Repräsentant/inn/en beispielsweise bei gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten über Diskriminierungen in den Zeugenstand gerufen werden, so dass ihre Aussagen unter Umständen den Ausschlag beim Ausgang des Verfahrens geben oder ihn zumindest beeinflussen können. (Seit ihrer Gründung im Jahr 2004/05 hat Renault Schweitzer, der frühere Vorstandschef der Automobilwerke Renault, ihren Vorsitz inne: Auch eine Art, sich ein gutes Gewissen zu verschaffen, denn Renault wurde in jüngerer Vergangenheit mehrfach aufgrund von "Rassendiskriminierung" sowie Diskriminierungspraktiken gegen Gewerkschafter/innen verurteilt. Nichtsdestotrotz sind die Stellungnahmen der HALDE in der Praxis oft gut und im Kampf gegen rassistische Praktiken nützlich.)

Zur Erinnerung: Der RSA (Revenu de solidarité active), oder das "Aktive Solidaritätsabkommen", wird in Naher Zukunft alle bisherigen Sozialleistungen von staatlicher Seite ersetzen. Also den RMI (Revenu minimum d'insertion oder "Minimal-Eingliederungseikommen"), das seit 1988 existierende französische Äquivalent zur früheren deutschen "Sozialhilfe", das gut 400 Euro pro Monat beträgt; die ASS (Allocation spécifique de solidarité oder "Besondere Solidaritäts-Leistung"), die rund 20 Euro oberhalb der "Sozialhilfe" liegt und solchen ehemals erwerbstätig Beschäftigten offensteht, die ihre Ansprüche gegenüber der Arbeitslosenkasse auf "normales" Arbeitslosengeld erschöpft haben - dies ist in der Regel nach spätestens zwei Jahren der Fall - und die mindestens fünf Jahre hindurch lohnabhängig beschäftigt waren; und die Allocation parent isolé oder "Leistung für Alleinerziehende".

Der RSA stellt eine Art "Kombilohn" dar, d.h. er "erlaubt" es den von "Sozialleistungen zur Absicherung des Existenzminimums" (minima sociaux) Lebenden, nebenher lohnabhängig zu arbeiten und dabei einen Hungerlohn zu verdienen, ohne einen Teil (!) der Ansprüche auf Sozialleistungen zu verlieren. Und dies bis zu einer Obergrenze, für die Kombination aus beiden, in Höhe von 1.200 Euro. Dies entspricht ungefähr dem derzeitigen Niveau des gesetzlichen Mindestlohns SMIC. Für ein Paar mit zwei Kindern, aber einem einzelnen Haushaltseinkommen beträgt die Obergrenze für die Kombination aus beiden (plus kinderbezogene Sozialleistungen) 2.150 Euro. Ausländerinnen und Ausländer sollen jedoch von dem "Aktiven Solidaritätseinkommen" (das auf Dauer sämtliche Sozialleistungen "zur Absicherung des Existenzminimums" ersetzen wird) ausgeschlossen bleiben, sofern sie nicht zuvor mindestens fünf Jahre lang über eine Aufenthalts- UND Arbeitserlaubnis verfügt haben.

Diese Regelung ist wesentlich strenger als die bisherigen Bestimmungen zur Auszahlung des RMI, der französischen "Sozialhilfe", die einen vorausgegangenen mindestens dreijährigen "legalen" Aufenthalt erforderten - jedoch ohne Berücksichtigung des Typus des Aufenthaltstitels (titre de séjour), also auch unter Einbeziehung solcher Aufenthaltspapieren, die ihren Inhabern (beispielsweise als nur vorübergehend "Geduldeten") eine gesetzesmäßige Arbeitsaufnahme untersagten. Letztere sind nun ausdrücklich ausgenommen. Überdies erfordert das neue Gesetz zum RSA, sofern es denn im Anschluss an die derzeit laufenden parlamentarischen Beratungen der Vorlage entsprechend verabschiedet wird, auch für den Lebenspartner oder die Lebenspartner/in - um ihn oder sie bei Bedürftigkeit bei der Berechnung des "Aktiven Solidaritätseinkommens" zu berücksichtigen - die Erfüllung derselben Bedingungen. Auch der oder die bedürftige Lebenspartner/in benötigt also einen abgeschlossenen, mindestens fünfjährigen, "gesetzeskonformen" Aufenthalt mit Arbeitserlaubnis. Ansonsten findet er oder sie, trotz Bedürftigkeit, mitsamt Kindern keine Berücksichtigung bei der Kalkulation des RSA für den anderen Partner. Ausgeschlossen sollen ferner auch unter 25jährige, genau wie bislang bei der Auszahlung des RMI, also der französischen "Sozialhilfe".

Die Gesamtheit dieser Bestimmungen verstößt laut dem neuesten Beschluss der HALDE gegen mehrere Diskriminierungsverbote. Konkret ist die Gesetzesvorlage zur Schaffung des RSA, ihr zufolge, konträr gegen folgende Regelwerke: Die Konvention Nr. 118 der International Labour Organization (ILO, französisch OIT) zur "Gleichbehandlung in Sachen Sozialversicherung" vom 28. Juni 1962; Die "Europäische Sozialcharta" des Europarats in ihrer aktualisierten Fassung, vom 3. Mai 1996; Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMK, französisch CEDH) und ihr Zusatzprotokoll Nummer 1; Den "Internationalen Pakt für ökonomische, soziale und kulturelle Rechte" von 1966, der durch das Dekret vom 29. Januar 1981 in innerfranzösisches Recht umgesetzt wurde; Mehrere Direktiven der Europäischen Union (vom 27. November 2000, 25. November 2003, und vom 29. April 2004).

Ferner betrachtet die HALDE die Gesetzesvorlage als konträr gegen bestehende Diskriminierungsverbote, da sie nicht nur rechtswidrig zwischen französischen Staatsbürger/inne/n und Ausländer/inne/n beim Zugang zum "Aktiven Solidaritätseinkommen" unterscheide, sondern auch Unterschiede zwischen den Ausländer/inne/n hervorrufe. Aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen, beispielsweise mit der Türkei, sowie auf der Grundlage des Waffenstillstandsabkommens von Evian - das die Unabhängigkeit Algeriens ab März 1962 in die Wege leitete - ist nämlich ausländischen Staatsbürger/inne/n bestimmter Herkunftsländer eine Gleichberichtigung mit den "Einheimischen" beim Zugang zu sozialer Grundversorgung zuzusichern.

Die weiteren Konsequenzen aus diesem Untersuchungsbericht bleiben nun abzuwarten. Die Stellungnahme der französischen Antidiskriminierungsbehörde ist überdeutlich, allerdings verfügt die HALDE über keinerlei gesetzgebende Gewalt.

B.Schmid, 24. Oktober 2008


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