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Updated: 18.12.2012 16:07
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Aktueller Nachtrag zum Thema Verschärfung der Einwanderungsgesetze

In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag hat die französische Nationalversammlung wesentliche Bestimmungen des neuen Einwanderungsgesetzes angenommen. Dazu zählt der bislang noch heftig umstrittene Zusatzantrag des Abgeordneten Thierry Mariani, dem zufolge DNA-Untersuchungen bei Visumsbewerbern im Rahmen der Familienzusammenführung durchgeführt werden sollen. (LabourNet Germany berichtete)

Selbst die konservative Mehrheitspartei UMP war dazu in den letzten Tagen tief gespalten gewesen. Liberale Abgeordnete wie François Goulard oder christlich-humanistisch inspirierte Bürgerliche wie Etienne Pinte (beide UMP) waren zu dieser Vermengung von Recht und Biologie, die Goulard klar benannt hatte, auf Distanz gegangen. Am Ende hatte sogar der Premierminister, François Fillon, der noch immer nicht aus dem Schatten des übermächtigen Sarkozy herauskommt, einigen Abstand genommen. Sein "Kompromissvorschlag" hatte dann jedoch gelautet, einige kleinere Änderungen an dem Zusatzantrag Marianis vorzunehmen. So soll die "Freiwilligkeit" der DNA-Tests stärker betont werden - die aber auch bisher schon theoretisch bestand. Die entscheidende Frage wird jedoch in naher Zukunft lauten, wie es um die Aussichten auf ein Visum für jene steht, die den genetischen Test nicht durchführen lassen. Ferner regte François Fillon an, die DNA-Test für eine zweijährige "Probephase" einzuführen und danach durch eine "unabhängige Kommission" Bilanz ziehen zu lassen. Dies wurde in dem künftigen Gesetz auch verankert.

Und die öffentliche Meinung?

Die französische öffentliche Meinung ist angeblich (und wohl auch tatsächlich) zugunsten der wesentlichen Regeln dieser Gesetzesnovelle eingestellt. Laut einer Umfrage, die im Auftrag der konservativen Tageszeitung ,Le Figaro' durchgeführt worden ist - selbstverständlich kommt es bei solchen Umfragen auch immer auf die Formulierung der an das Publikum gerichtet Fragen an, so dass sie zum Teil auch manipulativ wirken - stimmen rund 70 Prozent der befragten Französinnen und Franzosen den hauptsächlichen Bestimmungen zu. ( Vgl. dazu den Link externer Link)

Demnach befürworten 74 % der Befragten die Regelung über die künftige Durchührung von französischen Sprachtests in den Herkunftsländern, im Rahmen der Familienzusammenführung. Allerdings ist der Mehrzahl der Befragten wohl auch nicht bewusst, welche ökonomischen Hürden (s.o.) dies de facto beinhaltet, vielmehr sprechen sie sich sicherlich mehrheitlich vor allem für eine Verbesserung der Sprachkenntnisse von Immigrationsanwärtern (als bessere Voraussetzung für "Integration") aus. So ist die Gesetzesvorlage ja auch vor der Öffentlichkeit begründet worden. Demnach befürworten drei Viertel der Sarkozy-Anhänger, aber auch 65 Prozent der Wähler/innen seiner sozialdemokratischen Gegenkandidatin Ségolène Royal bei der letzten Präsidentschaftswahl diese Neuerung.

Gespalten(er) ist hingegen das Meinungsbild, fragt man nach den offen benannten ökonomischen Hürden, die im Rahmen der Familienzusammenführung errichtet werden. Die sozialdemokratische Wählerschaft ist demnach in zwei Hälften gespalten, was die einkommensbezogene Bedingung (bis zum 1,33-fachen des gesetzlichen Mindestlohns SMIC für den Nachzug von Kindern aufs französische Staatsgebiet) betrifft. "Nur" 49 Prozent der sozialdemokratischen Wähler/innen befürworten demnach diese Neuregelung, aber hingegen 81 Prozent der Sarkozy-Wählerschaft. Ausschlaggebend dürfte dabei auch sein, dass die Befragten, die positiv zu der neuen Bestimmung eingestellt sind, glauben, auf diesem Wege arme Schlucker abhalten zu helfen - die "sonst nur die Sozialkassen Geld kosten" würden. Ökonomischer Sozialdarwinismus und Steuersenkerpack geben hier sicherlich bei den Befürworter/innen, neben puren und plumpen Rassisten, mit den Ton an.

Die Wählerschaft des rechtsextremen Front National (FN), so erfährt man am selben Ort, befürwortet "zu nahezu 100 Prozent" die neuen Verschärfungen im Ausländerrecht. Die Partei selbst allerdings bemüht sich, durch verbales Übertrumpfen des konservativen Lagers an Profil zu gewinnen. So schlug die Partei Jean-Marie Le Pens am heutigen Dienstag (18. september) in einem Kommuniqué vor, die Bestimmungen zum Familiennachzug auf einen einzigen Artikel zu begrenzen: "Ein (Gesetzes-)Artikel genügt: Die Zusammenführung der Familien von Einwanderern findet im Herkunftsland statt." Die Cheftochter Marine Le Pen sprach sich am Dienstag ihrerseits dafür aus, "die Familienzusammenführung (Anm.: in Frankreich) schlicht und einfach abzuschaffen." Dadurch, dass die rechtsextreme Partei durch lautes Tönespucken gegen einen bereits an und für sich restriktiven Gesetzentwurf anstänkern muss, droht sie sich allerdings in der öffentlichen Meinung eher selbst in eine "extreme Ecke" zu drängen.

Fazit

Wohl auch aus diesem Grund, also aufgrund des Stands der öffentlichen Meinung zu diesen Themen, hat Nicolas Sarkozy in dieser Woche gleichzeitig die Debatte zur Verschärfung der Ausländergesetzgebung und die Sozial- u. Wirtschafts"reformen" gepusht. Seine beiden wichtigsten Reden dazu hielt er am Dienstag und Mittwoch, parallel zur Debatte im Parlament (und ihrer Widerspiegelung im Fernsehen) über die neue Runde bei der Verschärfung der Einwanderungsgesetze. Es ist also eindeutig, dass er, im Vorgriff auf die mögliche erste ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften, die sich eventuell anbahnt (falls die Dachverbände nicht kneifen, oder sich einlullen lassen!), nachdem nun in Sachen Renten in den öffentlichen Diensten Klartext gesprochen wird, sich auf einem anderen Terrain Popularität zu organisieren versucht. Für den Fall, dass er es nötig hätte - denn im Moment scheint sogar die regressive Reform der Renten in den öffentlichen Diensten, im Kontext eines anhaltenden Sozialneid-Diskurses ("Warum sollen die faulen öffentlich Bediensten es besser haben als wir Privatbeschäftigten?"), noch populär zu sein: 68 % Zustimmung laut der Sonntagsausgabe von ,Le Parisien'. Diese Zustimmungsfront kann aber bröckeln, falls eine härtere Auseinandersetzung dazu in Gang kommt. Anders sieht es mutmaßlich, leider, zur Zeit bei den Zuwanderungsgesetzen aus. Auf dem Rücken von ausländischen Familien seine Popularität (wieder)herzustellen, dürfte Nicolas Sarkozy auf jeden Fall nicht stören.

Bernard Schmid, Paris, 20.09.2007


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