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Updated: 18.12.2012 15:51
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Die CGT lässt von Sans papiers besetztes Gewerkschaftshaus gewaltsam räumen - Fortgang der Ereignisse

Am vergangenen Freitag (26.06.2009) berichteten wir über die, mehr oder minder brutal durchgeführte, Räumung des seit 14 Monaten von illegalisierten Einwanderern besetzten Pariser Gewerkschaftshauses (bzw. eines Nebenbaus, in der rue Charlot) durch den Ordnerdienst der örtlichen CGT in Paris. Hier noch einige gewerkschaftliche und sonstige Stellungnahmen dazu, sowie - im Anschluss - aktuelle Informationen zum Fortgang der Ereignisse seit dem Ende vergangener Woche.

Zu dieser Aktion des Ordnerdiensts der CGT hat die Pariser Sektion der Union syndicale Solidaires (Zusammenschluss u.a. der linken Basisgewerkschaften SUD) am vergangenen Donnerstag Stellung genommen. Darin schreibt der linksalternative Gewerkschaftszusammenschluss einerseits, die Besetzung gerade des Gewerkschaftshauses durch die betreffenden Sans papiers sei in gewisser Weise "paradox" gewesen, da zur selben Zeit mehrere Gewerkschaften an der Seite der "papierlosen Arbeiter" gekämpft hätten (in Form ihrer Unterstützung des Streiks illegalisierter Lohnabhängiger ab dem 15. April 2008) - und, wäre hinzuzufügen, weil sie keinen Druck auf Behörden und Arbeitgeber ausübte. Auf der anderen Seite schreibt der Bezirksverband der Union syndicale Solidaires , es sei "nicht annehmbar, dass Gewerkschaften versuchen, das Problem dieser Hunderten von Lohnabhängigen zu lösen, indem sie diese aus dem Gewerkschaftshaus hinauswerfen": "Differenzen über die Aktionsformen (.) können nicht auf diese Weise geregelt werden". Hinfort werde die Union Syndicales Solidaires in Paris auch weiterhin "gegen die antisoziale und xenophobe (ausländerfeindliche) Politik der Regierung an der Seite der Sans papiers , gegen ihre Abschiebungen und für die Legalisierung aller Männer und Frauen kämpfen". (Quelle 1, wo die Reaktion der Union syndicale Solidaires und eine - inhaltlich sehr ähnliche - vom Nouveau Parti Anticapitaliste externer Link/NPA, einer Partei der undogmatischen radikalen Linken, dokumentiert sind) Dem Vernehmen nach fanden Mitglieder oder einzelne Mitgliedsverbände der ,Union syndicale Solidaires' diese Erklärung freilich gegenüber dem Vorgehen der CGT erheblich "zu schlapp".

Inzwischen protestierten aber auch mehrere Mitgliedsgewerkschaften des Dachverbands CGT gegen dieses Vorgehen der Führung ihres Pariser Bezirksverbands. So gibt es unzweideutige Solidaritätserklärungen für die zwangsweise "evakuierten" Sans papiers aus dem Pariser Gewerkschaftshaus. Bspw. von der CGT bei Saint-Gobain (Großunternehmen der Baumaterial- und Glasindustrie) in Aubervilliers, einer Vorstadt nordöstlich von Paris, die von "Angewidertheit und Scham über unsere Gewerkschaftsmitgliedschaft" bezüglich der "angewandten Methode" spricht. Dieselbe Mitgliedsgewerkschaft der CGT nimmt auch zur Kampfführung ihres Dachverbands im Sans papiers -Streik seit dem April 2008 Stellung (vgl. Quelle 2 externer Link). Sie wirft dessen Führung insbesondere vor, darin zu defensiv vorgegangen zu sein und sich die Regierungspolitik der Einzelfallregelung gemä b den Bedürfnissen der Ökonomie zu eigen gemacht zu haben; tatsächlich hatte die CGT seit damals diese grundsätzliche Vorgabe der Regierung "geschluckt" und versucht, die von ihr unterstützten Illegalisierten durch das Nadelöhr der Einzelfallprüfung hindurch zu bringen. Eine Strategie, die es erlaubt hat, eine bestimmte Anzahl von menschlichen "Einzelfällen" unter den lohnabhängigen Illegalisierten "zu "regeln", aber den Rahmen der Gesamtpolitik nicht infrage stellte - auch wenn dieser in den fraglichen Einzelfällen umfunktioniert worden ist, und man (statt "Legalisierungen" in Einzelfällen auf Antrag der Arbeitgeber) in diesen Situationen stattdessen "Legalisierungen" unter Druck des Streiks erreichen konnte. Bis heute konnten infolge des - durch den CGT-Apparat unterstützen UND kanalisierten - Sans papiers-Streiks, seit dessen "Ausbruch" im April 2008, insgesamt knapp 1.500 "papierlose Arbeiter" ihren Aufenthaltstitel erkämpfen. Wäre mehr möglich gewesen? Ja, so die Auffassung der CGT bei Saint-Gobain.

Auch die CGT im Bildungssektor der Region Aquitaine (um Bordeaux, in Südwestfrankreich) äußerte sich dazu und erklärte: "Die CGT Educ'Action Aquitaine verurteilt die brutale Räumung der Sans papiers , die das Pariser Gewerkschaftshaus <besetzten>, durch Angehörige der CGT. Die Benutzung von Tränengas und von Schlagstöcken wird von zahlreichen Augenzeugen berichtet, die die Gewalttätigkeit der Vorgehensweise unterstrichen. (.) Die Fragen nach den Prinzipien und Symbolen sind von hoher Bedeutung. Der Einsatz physischer und moralischer Gewalt ist alles andere als zweitrangig. Es ist höchste Zeit, die Dinge zurecht zu rücken und gemeinsam gegen die einwandererfeindliche Politik, die das Elend und die Arbeit der Sans papiers ausnutzt, zu kämpfen." (Quelle 3 externer Link)

Wie es unterdessen weiterging

Im Laufe des vorigen Donnerstag und Freitag schien sich eine Auflösung der "Blockadesituation" anzubahnen, die sich nun freilich noch in den Fakten bestätigen muss.

Diese sog. "Blockadesituation" widerspiegelte sich zunächst darin, dass zeitweise bis zu 200 - 300 Personen auf den Trottoirs rund um das zwangsgeräumte Gewerkschaftshaus campierten. Es war die Polizeipräfektur (d.h. die zentrale Pariser Polizei- und Ausländerbehörde), die nun ihrerseits die Initiative ergriff und die dort sich aufhaltenden Ex-Insassen des "besetzten" Gewerkschaftshauses zu Gesprächen in ihre Zentrale einlud. Christian Lambert, der Büroleiter des Polizeipräfekten, wurde dabei persönlich aktiv und hat sich am Donnerstag Abend vor Ort begeben. Am Freitag früh dann wurde eine Delegation der um eine "Legalisierung" ihres Aufenthaltsstatus kämpfenden Einwanderer in der Präfektur empfangen, die nun über die individuellen Dossiers der Betreffenden - die erstmals dort eingereicht werden "durften" - entscheiden wird. Noch vor einem Monat hatte dieselbe Präfektur sich geweigert, diese Dossiers anzunehmen.

Es bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, wie diese Fortentwicklung der Situation interpretiert werden kann: Entweder hat die Polizeibehörde auf diese Weise darauf reagiert, dass die Besetzung sich nun von innerhalb des Gewerkschaftshauses auf die Trottoirs davor und rund darum herum verlagert hatte - und dadurch zum öffentlich sichtbaren "Störfaktor" wurde. So lautet jedenfalls die These der linksliberalen Tageszeitung ,Libération' aus den letzten Tagen. (Vgl. Artikel externer Link) Es besteht aber noch eine andere, mögliche Annahme: Dieser Hypothese zufolge ging es der Polizeipräfektur darum, die CGT als "Vermittlerin" zu umgehen und die Sans papiers von der Gewerkschaft abzuspalten - indem sie ihnen demonstrativ vorführt, dass die Behörde immer noch humaner mit ihnen umging als die CGT (oder zumindest ihr Ordnerdienst), und dadurch, dass sie ihnen nun über die Köpfe der CGT hinweg ein Angebot unterbreitet.

Die erstere Hypothese - sofern sie zutrifft - würde belegen, dass die Besetzung des Gewerkschaftshauses einen taktischen Fehler darstellte. Die zweite genannte Annahme hingegen würde zwar ein perfides Kalkül der Behörde belegen. Aber sie wäre zugleich AUCH höchst blamabel für die Gewerkschaftsbürokraten bei der CGT und ihren Ordnerdienst: eine Art von Offenbarungseid.

Am Montag ab 14 Uhr hat eine Solidaritätskundgebung von Unterstützer/inne/n für die Zwangsgeräumten aus dem Pariser Gewerkschaftshaus auf der Pariser Place de la République statt.gefunden. Nun gilt es abzuwarten, wie die Präfekturbehörden über die in den letzten Tagen bei ihnen eingereichten Dossiers zur Einzelfallprüfung konkret entscheiden werden.

Bernard Schmid 30. Juni 2009


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