Home > Internationales > Frankreich > Gewerkschaft > cgtraus | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Papierlose aus Gewerkschaftshaus vertrieben "Am Mittwoch (24. Juni) ließ die CGT den Nebenbau des Pariser Gewerkschaftshauses - Annexe de la Bourse du travail de Paris - in der rue Charlot, in der Nähe der Place de la République, gewaltsam räumen. Dieser Nebenbau, der u.a. sieben Versammlungssäale und zwei Druckereien umfasst, war seit dem o2. Mai 2008 - also seit vierzehn Monaten - von Angehörigen der Sans papiers-Bewegung, also der Bewegung für die "Legalisierung" der Aufenthaltssituation illegalisierter Einwanderer, besetzt gewesen" - so beginnt der aktuelle Beitrag "Die CGT lässt von Sans papiers besetztes Gewerkschaftshaus gewaltsam räumen: Desaströse Aktion und fataler Ausgang aus einem objektiven Dilemma" von Bernard Schmid vom 26. Juni 2009. Die CGT lässt von Sans papiers besetztes Gewerkschaftshaus gewaltsam räumen: Desaströse Aktion und fataler Ausgang aus einem objektiven Dilemma Am Mittwoch (24. Juni) ließ die CGT den Nebenbau des Pariser Gewerkschaftshauses - Annexe de la Bourse du travail de Paris - in der rue Charlot, in der Nähe der Place de la République, gewaltsam räumen. Dieser Nebenbau, der u.a. sieben Versammlungssäale und zwei Druckereien umfasst, war seit dem o2. Mai 2008 - also seit vierzehn Monaten - von Angehörigen der Sans papiers-Bewegung, also der Bewegung für die "Legalisierung" der Aufenthaltssituation illegalisierter Einwanderer, besetzt gewesen. Die Situation hatte sich seitdem verlängert und als blockiert erwiesen. Im Hintergrund stand ein objektives Dilemma: Die Coordination des sans papiers 75 (CSP75, d.h. "75" für das Département, die Nummer des Pariser Verwaltungsbezirks) warf der CGT vor, die Situation bestimmter illegalisierter Einwanderer nicht ausreichend berücksichtigt und verteidigt zu haben, als sie ab dem 15. April 2008 und über mehrere Monate hinweg einen Streik der Sans papiers für die "Legalisierung" ihrer Aufenthaltssituation anführte. Dahinter stand allerdings ein objektiver Unterschied in den Ausgangssituationen: Die aktiv durch die CGT verteidigten "Sans papiers-Dossiers" betrafen illegalisierte Migranten, die in der Regel in mittleren bis größeren Betrieben beschäftigt waren, wo in aller Regel mehrere Sans papiers gleichzeitig beschäftigt waren. Im Rahmen dieser Ausgangslage konnte die CGT mit "klassisch gewerkschaftlichen Mitteln", insbesondere durch die Organisierung eines Streiks, erheblichen Druck auf die Arbeitgeber entwickeln - auf dass diese wiederum Druck auf die Ausländerbehörden (Präfekturen) ausübten, um die "Legalisierung" des Aufenthalts der Betreffenden zu erreichen. Hingegen ist dies für eine Gewerkschaft dort ausgesprochen schwierig, wo sie nicht über ihre "klassischen" Kampfmittel wie den Streik verfügt, etwa weil die betroffenen (bezüglich ihres Aufenthalts illegalisierten) Beschäftigten in ihren Betrieben isoliert sind. Dies entweder, weil sie in Klein- oder winzigen Betrieben arbeiteten, oder aber weil sie die einzigen "Illegalen" unter den Personalmitgliedern darstellten. Aus diesem objektiven Dilemma ergab sich eine Konfliktsituation, die sich alsbald zum erbitterten, aber zäh hinter den Kulissen ausgetragenen Streit auswuchs. Die CGT-Sektion Paris griff mehrfach auf die Vermittlungsdienste des ,Conseil national des Maliens de France', einer traditionellen Repräsentationsstruktur der Staatsbürger des westafrikanischen Mali auf französischem Boden, zurück. Doch aufgrund der schwierigen Ausgangslage konnte das Problem nicht beigelegt oder aufgelöst werden. Unterdessen lebten 500 Personen (unter ihnen zahlreiche Frauen und Kinder) permanent, und bis zu 1.400 Personen zeitweise in dem besetzten Gebäude. Eines der dadurch aufgeworfenen Probleme war, dass diese Besetzung keinerlei Druck auf Arbeitgeberlager und/oder Behörden ausübte, sondern allein die Sans papiers auf der einen Seite und Teile der Gewerkschaftsbewegung auf der anderen Seite einander gegenüberstellte. Die CGT hat durchaus Recht, dass sie dieses Problem in ihrer Erklärung nach der Räumung (vgl. http://www.cgt.fr/spip.php?article36222 ) genau so benennt. Eine Lumperei ist hingegen, dass sie hinzufügt: "Was bedeutete also diese Besetzung (.), deren Ende wir nicht absehen konnten? Wer hatte ein Interesse daran, die rein zufällig 14 Tage nach Beginn des Sans papiers-Streiks vom 15. April 2008 begann? Wen störten wir, und wessen Interesse beeinträchtigten wir?" Das ist die schlechte alte Theorie von den ,objektiven Agenten der Bourgeoisie' aus uralten realsozialistischen Zeiten der CGT, die da - verspätet - durchklingt. Nichts kann unterdessen die Gewalttaten rechtfertigen, die allem Anschein nach anlässlich der Räumung verübt worden sind. Die CSP75 spricht in ihrer Erklärung (vgl. http://futurrouge.wordpress.com/2009/06/24/expulsion-des-sans-papiers-de-la-csp75-refugies-a-la-bourse-du-travail-de-paris-par-des-nervis-en-cagoule/ ) von "einer Hundertschaft Schlägern mit Eisenstangen, Stöcken und Tränengasdosen", die zum Zeitpunkt einer Demonstration - während sich vor allem Frauen und Kinder in dem Gebäude befanden - angerückt seien. Die linksliberale Tageszeitung ,Libération' spricht in ihrer Donnerstags-Ausgabe von rund 30 Angehörigen des Ordnerdiensts der CGT, bestätigt die martialische Ausrüstung und spricht von Vermummung und Sonnenbrillen. Nachdem die Besetzung sich aber auf diese Weise nicht beenden ließ, rief die CGT-Sektion Paris die Rathaushausbehörden an, d.h. schaltete indirekt die Polizei ein. Am Nachmittag des Mittwoch war das Gebäude definitiv geräumt. Ein Teil der zuvor darin Anwesenden installierte sich jedoch auf den Trottoirs darum herum, die am gestrigen Donnerstag noch von 180 Personen ,besetzt' waren. Die Stadtratsfraktion der Pariser Grünen spricht in einer ersten Erklärung vom "ungerechtfertigen/durch nichts zu rechtfertigenden Einsatz von Gewalt". Die (eher institutionalisierte) Asylrechts-NGO ,France Terre d'Asile' ihrerseits spricht davon, dass die CGT(-Führung) offenkundig "zu einer Konzentration auf ihre Kernklientel zurückkehren" möchte. Bernard Schmid 26. Juni 2009 |