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Updated: 18.12.2012 16:07 |
Nachruf: Redouane Osmane (1951 - 2007, Algier) Genosse Redouane Osmane weilt nicht mehr unter den Lebenden: Lehrergewerkschafter, linker Aktivist, Streikführer Im Alter von 56 Jahren starb am vergangenen Samstag einer der "Großen" unter den Gewerkschafter/inne/n und AktivistInnen sozialer Bewegungen in Algerien. Am Samstag erhielt Redouane OSMANE vor seiner Schulklasse in einer Oberschule der Hauptstadt Algier einen Herzinfarkt, und starb gewissermaßen "die Kreide in der Hand". Der klinische Tod wurde am selben Tag im Krankenhaus ,Hôpital Maillot' festgestellt. Redouane Osmane, der seine Gesundheit nie geschont hat, hatte zuvor ein aufreibendes Wochenende von Versammlungen hinter sich. (Anmerkung: Das algerische Wochenende fällt auf den Donnerstag und den Freitag, den muslimischen Gebetstag. Der Samstag hat also in Algerien dieselbe Funktion wie in europäischen und sonstigen christlich geprägten Ländern der Montag.) Redouane Osmane war einer der Wortführer, er war die treibende Kraft des CLA oder ,Rats der Oberschulen von Algier' ( Conseil des lycées d'Alger ). Der CLA ist eine autonomen und auf Basisstrukturen beruhende Gewerkschaft außerhalb des dominierenden Gewerkschaftsbunds, der früheren Staats- und Einheitsgewerkschaft UGTA ( Union générale des travailleurs algériens ). Unter allen "autonomen" Gewerkschaften in Algerien, von denen einige eher "gelblich" und andere eher kämpferisch sind, war bzw. ist der CLA die radikalste, progressivste, am demokratischsten organisierte. Redouane Osmane war lange Zeit Sympathisant oder Aktivist der marxistischen Linken in Algerien. Seit Ende der 70er Jahre, in Zeiten der Einheitspartei und der Verfolgung politischer Opposition, stand er den Vorläufern der späteren undogmatisch-trotzkistischen Partei PST (Sozialistische Arbeiterpartei) nahe und wurde 1979 in ihre Reihen aufgenommen. Später hat er der kleinen Partei als solcher allerdings den Rücken gekehrt, auch wenn er ihren und ähnlichen Ideen immer verbunden blieb. Der PST bildet nach wie vor einen der Kristallisationskerne einer sowohl undogmatischen als auch kämpferischen Linken in Algerien. 1980 war er bereits einer der Hauptanimateure des damaligen großen Lehrerstreiks in Algier. In der Folgezeit nahm er sein Studium wieder auf, um sich akademisch zu qualifizieren. In späteren Jahren würde Redouane sowohl als Literaturdozent an der Universität, als auch an Schulen unterrichten. - 1987 war er einer der Wortführer der "Unabhängigen und demokratischen Gewerkschaft algerischer Studierender" (SNEAD), die sich außerhalb der UNEA, der für Studierende bestimmten "Massenorganisation" der damaligen Staats- und Einheitspartei FLN, formierte und während des großen Streiks von 1987 eine wichtige Rolle spielte. Während der Jahre des Aufstiegs des Islamismus und des Bürgerkriegs (1992 bis 1998) musste Redouane, wie viele andere Linke und fortschrittliche Menschen auch, "überwintern". Doch im Anschluss wurde er aktiver denn je. Neben seiner Arbeit als Lehrer war Redouane Osmane etwa im Jahr 2001, als es in den Berberprovinzen Algeriens (vor allem der Kabylei) zu einer Massenrevolte kam, als Journalist und Analytiker tätig und schrieb insbesondere in der Wochenzeitung ,La Nouvelle République'. Aus dieser Zeit verdanken wir ihm zahlreiche wertvolle Untersuchungen zu den zeitgenössischen Bewegungen in Algerien. Im Jahr 2003 gründete er zunächst die autonome Gewerkschaft CNAPEST (Nationaler Rat der Oberschulen und technischen Schulen Algeriens) mit. Doch der CNAPEST erwies sich als eine heterogene, in Teilen konservative oder auch - in manchen regionalen Sektionen - islamistisch geprägte Kraut- und Rüben-Gewerkschaft. Die linken LehrerInnen in der Hauptstadt Algier wechselten zu ihrer eigenen unabhängigen Gewerkschaft, dem frisch gegründeten CLA, über. Beim CLA wurden die Sprecher/innen- und anderen Funktionen nach dem Rotationsprinzip besetzt, und 60 Prozent der Delegierten waren Frauen, als die Lehrergewerkschaft 2004 einen harten, mehrmonatigen Streik für die Löhne durchführte. Redouane Osmane hat viel erreicht, von der Verbreitung gewerkschaftlichen (und politischen) Bewusstseins bei seinen ArbeitskollegInnen bis hin zu einem wertvollen Anschub etwa für die Selbstorganisierung prekarisierter, in Zeitverträgen angestellter Lehrkräfte. Er war ein "Großer" in seiner Zeit und an seinem Ort. Reich hingegen war er nie, mangels einer eigenen Wohnung (die für einen Alleinstehenden in Algier kaum erhältlich oder erschwinglich ist) lebte er bei seiner Mutter. Auch nach seinem Tod schien Osmane Redouane den Machthabern noch gefährlich zu wirken. Am gestrigen Sonntag (wie oben beschrieben, einem Werktag in Algerien) sollte sein Sarg in seiner früheren Schule, dem Lycée Abdelkader in Algier, für eine letzte Ehrenbezeugung aufgebahrt werden. Eine beachtliche Menge an LehrerInnen, Schüler/inne/n und JournalistInnen kamen bereits am Vortag dort zusammen, und warteten auf das Eintreffen des Sarges. Doch am Mittag strömten Polizeikräfte herbei und verboten das Aufbahren des Sarges in der Öffentlichkeit. Anwesende skandierten: "Selbst tot, stört er noch." Im Anschluss, nach rund zehnminütigen Verhandlungen mit den Sicherheitskräfte,n wurde der Sarg dann in einem größeren Umzug in die Moschee Es-Sunna in Bab-el-Oued (einem Kleine-Leute-Bezirk im Zentrum von Algier) transportiert, und dort aufgebahrt. Eine beachtliche Menschenmenge, unter ihnen Studierende, Berber, politisch Verantwortliche aus den Reihen des PST (undogmatische Trotzkisten) oder des MDS (Ex-Kommunisten, im Prinzip liberal gewendet), gab ihm dort in emotional aufgewühlter Stimmung das letzte Geleit. Eine Prozession von mehreren Tausend Menschen brachte ihn später zum Friedhof El-Kattar, wo er unter zahlreichen "einfachen Leuten" begraben wurde, wie er es immer gewünscht hatte. Nachruf von Bernard Schmid vom 17.12.07 |