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Updated: 18.12.2012 15:51
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Der hohe Preis des Wirtschaftssegens Kohle - Proteste gegen Drummond und Glencore im Dorf La Jagua, Cesar

Das Departement Cesar im Norden Kolumbiens mit Zugang zum karibischen Meer ist nicht nur eines der von den Paramilitärs am stärksten kontrollierten Departemente, es beherbergt auch ein beachtliches Vorkommen an Kohle. Diese wird hauptsächlich vom US-amerikanischen Kohlenkonzern Drummond und dem Schweizer Multi Glencore abgebaut. Drummond, das aktivere der beiden multinationalen Unternehmen in der Region mit einer jährlichen Kohlengewinnung von 27 Mio. Tonnen, befindet sich zurzeit in einer Evaluationsphase. Drummond will die Förderungsfläche im Cesar von 20 Mio. ha auf 43 Mio. ha ausbauen und die Produktion der letzten Jahre verdoppeln. Die Firma wartet zurzeit noch auf den Entscheid der Regierung bezüglich der Umweltverträglichkeitsstudie für die neu zu eröffnende Mine El Descanso. Für die kolumbianische Regierung hat der Kohlesektor höchste Priorität, da die Kohle das zweitgrösste Exportprodukt des Landes nach dem Erdöl und der drittgrösste Devisenbringer ist. Zudem fliesst der Grossteil der Investitionen im Bergbau in den Kohlenabbau, so dass dieser Sektor die makroökonomischen Daten der Wirtschaft äusserst positiv beeinflusst, was leider für die soziale und wirtschaftliche Lage vor Ort überhaupt nicht zutrifft!

Den Preis für diesen makroökonomischen Segen hat nämlich die ansässige Bevölkerung zu tragen. Die Gemeinde La Jagua de Ibirico ist eine von drei Gemeinden im Departement Cesar, in denen Kohle abgebaut wird. Gerade ihre BewohnerInnen leiden besonders unter den Auswirkungen der Minenaktivitäten. Denn trotz der enormen Gewinne, die durch den Kohlenabbau in ihrer Region erzeugt werden, leiden die Menschen in La Jagua unter Wasserknappheit, schlechten Strassen und hoher Arbeitslosigkeit. Nur 8% aller Angestellten der Kohlenminen kommen aus der Region und arbeiten fast ausschliesslich in der Reinigung oder als Hilfskräfte beim Kohlenabbau. 3 von 10 Pesos, die das Departement Cesar erhält, fliessen in die Gemeinde La Jagua. Trotzdem gibt es kein Trinkwasser und die öffentlichen Dienstleitungen sind nicht besser als in Dörfern ohne die Tantiemen des Bergbaus. Die Kindersterblichkeit ist doppelt so hoch als der Landesdurchschnitt! Die hohe Konzentration von Kohlenstaub in der Luft und weitere Unzulänglichkeiten im Bereich des Umweltschutzes verursachen gesundheitliche Probleme. Infektionen und Erkrankungen der Atemwege gelten als Gesundheitsproblem Nummer eins in La Jagua. Wasserquellen, Wälder und Nahrung der Tiere sind verunreinigt. Zudem: Obschon die kolumbianische Regierung eine bescheidene Abgabe von 5% bis 10% des Gewinns an die Bevölkerung festgesetzt hat, haben die Bewohner bis heute noch keinen Peso davon gesehen. La Jagua gilt als die korrupteste Gemeinde Kolumbiens, was die Regierung veranlasst hat, Gelder im Wert von über 100 Mrd. Pesos auf unbestimmte Zeit „einzufrieren“. Von den letzten vier Bürgermeistern sind drei wegen Korruption und Verbrechen angeklagt. Der rechtschaffene Bürgermeister musste das Dorf wegen Todesdrohungen verlassen. Denn mit dem Reichtum kamen auch Kriminelle, die Guerilla und die Paramilitärs. Mit dem beschaulichen Leben und dem bescheidenen Wohlstand aus der Landwirtschaft war es vorbei. La Jagua war auf den Geldsegen eindeutig nicht vorbereitet!

Ein besonderes Problem stellt der Lastwagentransport der Kohle von der Mine zum Hafen in Santa Marta dar. Lediglich Drummond verfügt bisher über die Möglichkeit, ihre Kohlenproduktion im Cesar per Eisenbahn zum Hafen zu bringen. Glencore und weitere kleinere Firmen machen dies per Sattelschlepper, was die Strassen zerstört, enorme Staubbelastungen hervorruft und Santa Marta als Feriendestination ruiniert: Das Stadtbild ist von Tausenden von Lastwagen, Reparaturwerkstätten und Tankstellen verschandelt. Die Gesellschaft FENOCO - sie betriebt die Eisenbahn nach Santa Marta - wurde nun aber gemeinsam von den Kohlen-Multis übernommen – Glencore hält 40% daran –, und die Eisenbahnlinie wird doppelspurig ausgebaut, um in ein paar Jahren die ganze Kohle per Bahn zum Hafen transportieren zu können. Auch das Meer wird verschmutzt, da die Kohle mit kleinen Schiffen hinaus zu den grossen Tankern transportiert wird und beim Verladen auf hoher See Kohle ins Meer fällt. Die visuelle Verschmutzung der Badestrände ist enorm. Abhilfe sollen neue Hafenanlagen schaffen, wozu die Bahía teilweise ausgebaggert und ein 5 Kilometer langer Hafenterminal gebaut werden muss, um die direkte Beladung der Schiffe über Fliessbänder zu ermöglichen. Auch daran ist Glencore über ihre Tochterfirma C.I. Prodeco beteiligt: Im neuen Hafen sollen Exporte von jährlich 64 Millionen Tonnen abgewickelt werden.

Die Frustration über die Umweltverschmutzung, die gesundheitliche Zumutung sowie über den armseligen Verdienst der Kohlenarbeiter und das fehlende Angebot an Arbeitsplätzen für die regionale Bevölkerung entlud sich zwischen dem 8. und 10. Februar 2007, als sich die Bewohner von La Jagua zum Streik gegen die multinationalen Kohlebauunternehmen Drummond und Glencore zusammen taten und die Zugangsstrassen zu den Minen mit Steinen und Gräben blockierten. Die Bereitschaftspolizei griff die friedliche Protestaktion mit Tränengas an, weshalb es dann zu wüsten Zusammenstössen mit Soldaten und Polizisten kam und das Polizeirevier und verschiedene Lastwagen angezündet wurden. Am Schluss zählte man einen Toten und rund fünfzig Verletzte. Die Organisatoren der Proteste bezeichnen einheitlich die Sicherheitskräfte als die Schuldigen für die Eskalation. Die Regierung schien die Brisanz der Situation zu erkennen, denn schon am darauf folgenden Tag erschien Präsident Uribe am Ort des Geschehens, um die Aufhebung des Protests auszuhandeln mit dem Versprechen, keine Sanktionen zu verhängen, den Fall des Getöteten ausgenommen. Mit der Gemeinschaft wurde ein Abkommen ausgehandelt, wobei sich die Regierung für die Lösung des Umweltproblems, die Verbesserung der Wohnqualität und die Fertigstellung der Wasser- und Abwasserversorgung verantwortlich erklärte. Weiter hat Uribe eröffnet, dass er nun endlich die von der Regierung unter dem Vorwand der Korruption „eingefrorenen“ Abgaben freigeben werde. Allerdings hat er auch Vorschläge gemacht, die der Bevölkerung von La Jagua nicht passen, unter anderem will er einen Teil der für die soziale Entwicklung der lokalen Gemeinschaften zweckbestimmten Gelder dafür verwenden, die Millionen schweren Schäden – verursacht durch zwei Jahrzehnte rücksichtslosen Kohlenabbau – zu beheben. Dies ist jedoch unannehmbar und wäre eine krasse Begünstigung der Multis.

Anfang 2007 konnte die Kohlearbeitergewerkschaft in Verhandlungen mit den Kohleminenbetreibern einen Erfolg verbuchen. Dies hat höchst wahrscheinlich den durch die lokalen politischen Umstände und die einschüchternde Präsenz der bewaffneten Gruppen in der Region lange unterdrückten Streik mit angefacht. Im Zentrum der Debatte sowohl des Arbeitskonfliktes wie auch des Zivilstreiks stand die Aggression der Kohleunternehmen gegenüber der Bevölkerung und der Umwelt. Die Arbeiter und lokale Gemeinschaften forderten nicht nur einen Beitrag der multinationalen Unternehmen, die in Kolumbien um die 3 Mrd. US Dollars pro Jahr am Kohlenabbau verdienen, an die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung. Sie verlangten auch, dass die ausländischen Konzerne, die sich in Zusammenarbeit mit der Regierung an den kolumbianischen Bodenschätzen bereichern, sich zu einem Kompromiss für direkte soziale Investitionen bereit erklären. Weiter wollten sie die Bergbauunternehmen auf ihre Verpflichtungen im Bereich des Umweltschutzes behaften, deren Einhaltung eine Bedingung für das Erhalten der Abbaulizenz war. Doch trotz Uribes Versprechen nach den Protesten vom Februar gegenüber der lokalen Gemeinschaften ist es sehr fraglich, ob nun tatsächlich eine Verbesserung der Lage für die Bevölkerung eintreten wird. Erstes Anzeichen dafür, dass die multinationalen Unternehmen weiterhin das Wohl und die Rechte der ansässigen Bevölkerung mit Füssen treten, ist beispielsweise ihre nach wie vor fehlende Bereitschaft, den Anteil der lokalen Bevölkerung in ihrer Arbeiterschaft zu erhöhen, um die hohe Arbeitslosigkeit in der Region einzudämmen. Nach den Protesten wurden sechs sogenannte Arbeitstische einberufen, um die Anliegen der Bevölkerung mit den Unternehmen und den staatlichen Institutionen zu verhandeln. Diese Verhandlungen kommen jedoch kaum vom Fleck und führten bisher zu keinen tiefgreifenden Lösungen. Andererseits bemühen sich die Unternehmen mit ihren „grosszügigen“ Investitionen in Umweltschutz und soziale Projekte um ein günstigeres Image. So legte Reinhold Hans Schmidt, Manager der Glencore-Mine Carbones de la Jagua, dar, wie Glencore sich um einen integralen Produktionsprozess bemüht, der allen internationalen Standards genügen werde – z.B. mit neuen Anlagen für die Zerkleinerung der Kohle vor dem Transport. Glencore bemühe sich um nachhaltige Operationen gegenüber der Umwelt, den Arbeitern und der Gesellschaft des Cesar im Allgemeinen. So seien auch stattliche Investitionen in die Aufforstung getätigt worden, und Glencore betreibe mehrere gemeinnützige Stiftungen, mit denen sie Bildungs- und Gesundheitsprogramme unterstütze. Diese Investitionen scheinen – wenn man sich die Proteste der Bevölkerung vor Augen führt – mehr PR-Aktionen und Tropfen auf den heissen Stein, denn wirkliches soziales Engagement zu sein.

Auch an der Aufrichtigkeit von Präsident Uribe selbst muss gezweifelt werden, hat er doch noch letztes Jahr den Manager von Drummond öffentlich gelobt für den Kompromiss, den sein Unternehmen einging, um die von Kohle-Produktion und –Transport verursachten Umweltschäden zu mildern. Weiter hat Uribe auch deutlich seinen Wunsch ausgedrückt, dass Konzerne wie Drummond weiter wachsen, da dies zum Wohl des Landes beitrage. Bei seinen Lobgesängen auf die Konzerne lässt er sich auch nicht von der Tatsache stören, dass z.B. Drummond beim Strafgericht von Alabama der Unterstützung von bewaffneten Gruppen angeklagt ist, die für die Ermordung von drei Gewerkschaftern, für Drohungen, antigewerkschaftliche Praktiken und Feindseligkeiten gegen Arbeiterführer, insbesondere während des Streiks von 2006, verantwortlich gemacht werden.

Falls Drummond nun also die Erlaubnis für die geplante Ausdehnung erhielte, würde dies die Lebensbedingungen der Bevölkerung, die nun schon seit über zwanzig Jahren unter den Folgen der Kohleausbeutung in der Region leidet, noch stärker beeinträchtigen. Das neue Projekt würde nicht nur eine weitere Ausbeutung billiger Arbeitskräfte und eine Zunahme der vom Kohlenstaub bedingten Erkrankungen unter der ansässigen Bevölkerung mit sich bringen. Es würde auch das für das Funktionieren des Ökosystems und das wirtschaftliche Leben der Bevölkerung entscheidende Gewässersystem aufs Schwerste beeinträchtigen. Deshalb meint der lokale Präsident der Einheitsgewerkschaft CUT, dass beim Entscheid über eine weitere Expansion der Minenaktivitäten in der Region jene angehört werden müssten, die vom Verlust von 43'000 ha Land und vom Transport von Millionen Tonnen Kohle am unmittelbarsten betroffen sind.

Lisa Huber, Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien externer Link, Juli 2007


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