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Updated: 18.12.2012 15:51
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Chinas neues Arbeitsrecht

Von der Lohnsklaverei zu »doppelt freien« Verträgen

Das neue Arbeitsvertragsgesetz der Volksrepublik China (PRC Labour Contract Law) wurde am 29. Juni d.J. verabschiedet und tritt am 1. Januar 2008 in Kraft. Es bildet zusammen mit dem seit 1994 gültigen Arbeitsgesetz (Labour Law) den Kern des chinesischen Arbeitsrechts.
Im Folgenden haben wir die wichtigsten Regelungen in Kürze zusammengefasst:

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Es gibt keine Vorschrift über schriftliche Arbeitsverträge – nach Angaben des ACFTU haben derzeit 80 Prozent aller ArbeiterInnen in China keinen Arbeitsvertrag (Die Zeit, 18. Oktober 2007). Befristete Arbeitsverhältnisse können beliebig oft wiederholt werden. Es gibt keine Regelungen zur zeitlichen Begrenzung von und zum Entgelt für Probezeiten. Kündigungen und Abfindungen sind unzureichend geregelt – oft verhindern ausstehende Löhne, dass Beschäftigte ihr Arbeitsverhältnis kündigen können. Umgekehrt binden Unternehmen Beschäftigte mittels so genannter »Wettbewerbsklauseln« für Träger von »Betriebsgeheimnissen« an sich und verhindern so die freie Wahl des Arbeitsplatzes.

Neu

Künftig sind individuelle Arbeitsverträge, die entweder befristet, unbefristet oder als Werkvertrag abgeschlossen werden können, spätestens vier Wochen nach Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses zwingend vorgeschrieben, anderenfalls gelten automatisch vorhandene Kollektivverträge. Kann auf solche nicht zurückgegriffen werden, gilt der Grundsatz »gleicher Lohn für gleiche Arbeit«.

  • der Arbeitsvertrag nicht innerhalb eines Jahres schriftlich fixiert, so wird von einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis ausgegangen. Unbefristete Arbeitsverträge sind darüber hinaus spätestens nach zwei Befristungen bzw. zehn Jahren ununterbrochener Beschäftigungsdauer in einem Unternehmen vorgeschrieben.
  • Die Dauer einer Probezeit wird künftig – in Abhängigkeit von der Gesamtlaufzeit des Vertrages – auf maximal sechs Monate begrenzt, es darf max. eine Probezeit vereinbart werden. Das Entgelt darf nicht unterhalb der regionalen Mindestlöhne liegen, es muss mindestens 80 Prozent des Gehalts für eine vergleichbare Festangestellten-Tätigkeit betragen.
  • Beschäftigte, die über Personalvermittlungsagenturen eingestellt werden, müssen das gleiche Gehalt wie Festangestellte des Entleiherunternehmens erhalten. Die Vertragslaufzeit für Beschäftigte bei der Verleihfirma beträgt mindestens zwei Jahre, statt, wie bislang, ein Jahr.
  • Ein Wettbewerbsverbot für Träger von »Betriebsgeheimnissen« darf künftig längstens zwei Jahre fixiert werden. Nur unzureichend wurde allerdings bestimmt, wer als Träger von Betriebsgeheimnissen gilt.
  • Die Kündigung bedarf beidseits der Schriftform, bei Kündigungen durch den Arbeitgeber muss die gewerkschaftliche Vertretung im Betrieb informiert und – verbunden mit einer Korrekturmöglichkeit – hinsichtlich der Kündigungsgründe konsultiert werden. Bei betriebsbedingten Kündigungen gilt das Prinzip der Sozialauswahl (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten). Arbeitnehmer haben das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung, wenn Vorschriften des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit verletzt werden, der Arbeitgeber gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlt, der Arbeitsvertrag bzw. die Tätigkeit gegen geltendes Recht verstößt.
    Bei ordentlichen Kündigungen durch den Arbeitgeber, außerordentlichen Kündigungen durch den Arbeitnehmer und einvernehmlichen Vertragsaufhebungen sind Abfindungen zu zahlen, deren Höhe sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet. Ausgeschlossen sind Kündigungen, wenn der Verdacht auf eine berufsbedingte Erkrankung vorliegt und der Arbeitnehmer diesbezüglich unter Beobachtung steht oder wenn der Arbeitnehmer ununterbrochen 15 Jahre im Betrieb gearbeitet hat und fünf Jahre vor dem Renteneintrittsalter steht.
  • Arbeitsverträge müssen Angaben enthalten, die eine eindeutige Identifikation des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers erlauben.

Bewertung

Zweifellos stellt das neue Arbeitsvertragsgesetz eine Verbesserung der individuellen Rechte der Beschäftigten dar, insbesondere hinsichtlich der arbeitsvertraglichen Gleichstellung der WanderarbeiterInnen. Von einem umfassenden Sozialversicherungsschutz sind diese allerdings nach wie vor aufgrund des Hukou-Registrierungssystems, das die Sozialversicherungen an den Herkunftsort bindet, ausgenommen. Offen bleibt, inwieweit die Staatsgewerkschaft ACFTU und ihre betrieblichen Gliederungen in der Lage sind, diesen Prozess zu unterstützen. Auf dem Papier standen auch vor Verabschiedung des neuen Arbeitsvertragsgesetzes bereits eine ganze Reihe von Rechten (5-Tage-Woche, 40-Stundenwoche, max. 36 Überstunden pro Monat und maximal drei Überstunden pro Tag, geregelte Überstundenvergütungen etc.). Und seit einer Revision des Arbeitsrechts in 2001 hat die Gewerkschaft auch das Recht auf Tarifverträge. Doch Repräsentanz und Einfluss der Gewerkschaft sind auf die schwindende Zahl ehemaliger Staatsunternehmen (Danweis) beschränkt, ihr Einfluss in Privatunternehmen ist äußerst begrenzt. Zudem steht ihr Selbstverständnis als Massenorganisation der Partei der Idee einer unabhängigen Interessenvertretung im Wege, und die Rechte der Gewerkschaften als Interessenvertretungen selbst sind äußerst restringiert. So fehlt den Beschäftigten das Recht auf Koalitionsfreiheit – unabhängige Gewerkschaften sind nach wie vor verboten – und der Gewerkschaft ein entscheidendes Mittel, um ihre Interessen durchzusetzen: Das Streikrecht wurde 1982 aus der Verfassung gestrichen und ist auch jetzt nicht wieder eingeführt worden.

Kirsten Huckenbeck

Erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 12/07


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