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Updated: 18.12.2012 15:51
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SBB-Cargo: Erster Angriff abgewehrt

"Am Samstag, 5. April hat das Treffen der ArbeiterInnenvertretung mit Bundesrat Moritz Leuenberger und der SBB-Konzernspitze zu folgendem Ergebnis geführt: In Bellinzona wird der Restrukturierungsplan zurückgezogen, die Arbeitsplätze bleiben erhalten und die SBB-Industriewerke werden weder ausgelagert noch privatisiert. Sofern die Versammlung der ArbeiterInnen am Montag diese Ergebnisse akzeptiert, soll der Streik am Mittwoch, 9. April beendet sein" - so beginnt die kurze Einschätzung "Ein erster Sieg" die am 9. April 2008 aus der "Bresche" übersetzt wurde.

Ein erster Sieg

"Wir haben eine Schlacht, aber nicht den Krieg gewonnen", Gianni Frizzo, Präsident des Streikkomitees SBB Cargo Bellinzona, SDA, 5. April 2008.

Am Samstag, 5. April hat das Treffen der ArbeiterInnenvertretung mit Bundesrat Moritz Leuenberger und der SBB-Konzernspitze zu folgendem Ergebnis geführt: In Bellinzona wird der Restrukturierungsplan zurückgezogen, die Arbeitsplätze bleiben erhalten und die SBB-Industriewerke werden weder ausgelagert noch privatisiert. Sofern die Versammlung der ArbeiterInnen am Montag diese Ergebnisse akzeptiert, soll der Streik am Mittwoch, 9. April beendet sein.

Wir veröffentlichen dazu eine erste Einschätzung der Antikapitalistischen Linken im Tessin (MPS-Sinistra anticapitalista). In der 1. Mai-Bresche werden wir über den Streik Bilanz ziehen.

Die ArbeiterInnen der Officine haben über einen Monat lang gestreikt und ihren Betrieb besetzt und dadurch einen ersten, grossen Sieg errungen. Die zwei zentralen Forderungen, die die Streikenden in den letzten Wochen aufgestellt haben, musste der Bundesrat hinnehmen: Der Rückzug des Umstrukturierungsplanes, den der Verwaltungsrat der SBB am 6. März vorgestellt hatte und eine verbindliche Zusage, über den Erhalt und Ausbau des Industriewerks und der Arbeitsplätze zu diskutieren, was nun im Rahmen eines "Runden Tisches" geschehen soll.

Damit ist der Kampf der Officine-Belegschaften aber keineswegs zu Ende. Denn diese wissen, wie schwierig und delikat die Phase, die jetzt beginnt, sein wird. Die Arbeitenden sind sich darüber im Klaren, dass die "Runden Tische" eine Welt darstellen, in der ihre Sache (und sei sie noch so richtig und "vernünftig") viel weniger Gewicht haben wird als im direkten Arbeitskampf, wo sie ihre Macht durch den Streik auszuüben vermögen.

Andererseits kann angesichts der Kräfteverhältnisse, die die Streikenden aufgebaut haben, der"Runde Tisch" eine Gelegenheit bieten, um diesen ersten Erfolg zu festigen und die Basis für die Fortsetzung der industriellen Aktivität des SBB-Industriewerks als öffentlichen Betrieb zu legen.

Die Triebkraft des Streiks und der aussergewöhnlichen Widerstandsbewegung, die sich im Tessin und - schwächer - im Rest der Schweiz entwickelt hat, wird auch in den nächsten Wochen wirksam bleiben und ihren Einfluss auf den "Runden Tisch" ausüben. Die SBB-Leitung wäre schlecht beraten, wenn sie so tun würde, wie wenn nichts geschehen wäre und wieder Positionen einnehmen würde, die sie aufgeben musste.

Um den Sieg des Arbeitskampfes abzusichern, braucht es jedoch mindestens drei zusätzliche Bedingungen.

Erstens muss die Macht, die Kraft und die Entschlossenheit der Arbeitenden weiterhin zu spüren sein. Es ist wichtig, dass die Officine-Leute sich weiterhin mobilisieren, dass sie die Gewohnheit beibehalten, sich zu versammeln, zu diskutieren, die jeweils konkrete Situation einzuschätzen.

Es geht ausserdem darum, dass sie grundsätzliche Fragen angehen, mit denen sie sich in dem eben stattgefundenen Konflikt auseinandersetzen mussten: Die Rolle des öffentlichen Dienstes, des Staates, der Gewerkschaft, der Arbeitersolidarität usw.

Zweitens muss die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative "Giù le mani dalle Officine", die die Schaffung eines Technologie- und Industrieparks im öffentlichen Verkehr fordert und den SBB mit Enteignung droht, falls sie sich daran nicht konstruktiv beteiligen abgeschlossen werden. Das kann schon in den nächsten Tagen passieren. Die Initiative hat die nötige Anzahl Unterschriften längst erreicht. Diese Volksinitiative kann die Arbeiten des "Runden Tisches" begleiten und ein Druckmittel in der Hand der ArbeiterInnen darstellen.

Drittens müssen die Aktivitäten und Debatten des"Runden Tisches" vollkommen transparent und offen stattfinden, um die demokratische Kontrolle des "Runden Tisches" durch die ArbeiterInnen und die Tausenden von Menschen, die sich in diesen Wochen für die Officine mobilisiert haben, zu sichern. Die Officine sind nämlich ansatzweise zu einem gesellschaftlichen Gut geworden. In den Wochen der Besetzung und des Streikdorfes wurde das (bürgerliche) Staatseigentum der Officine streckenweise sozialisiert. Die Officine sind zu einem kollektiven Bezugspunkt und zu einem Symbol für den tiefen Wunsch der lohnabhängigen Bevölkerung geworden, nach Jahren der neoliberalen Offensive endlich selber etwas zu sagen und zu bestimmen zu haben, das eigene Schicksal und das der Gesellschaft in die Hand zu nehmen. Dies ist eine kostbare, für viele Menschen neue Erfahrung. Sie ist von grosser politischer Tragweite. Setzen wir alles daran, um dieses Gefühl wach zu halten.


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