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Updated: 18.12.2012 15:51
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Die Grenzen des Unia Modells

Übersetzung eines Interviews (von Guy Schneider aus Luxemburg - wir danken!!) in der schweizerischen "La Brèche" (französischsprachige Zeitung der Bewegung für den Sozialismus) vom April 2006.

Während unserem letzten Gespräch am 15 Februar zeigte sich die Belegschaft angesichts der Unnachgiebigkeit seitens der Direktion von Swissmetal fest entschlossen, den Streik weiterzuführen.

8 Tage später, am 23 Februar, stimmten 138 Arbeiter/innen bei 63 Gegenstimmen für den Abbruch des Streiks, ein Trend der sich eine Woche später, am 28 Februar mit 142 Stimmen gegen 102 bestätigen sollte. Dabei hatte die Leitung von Swissmetal alle Forderungen der Belegschaft zur Beendigung des Streiks abgelehnt: Wiedereinstellung der Entlassenen, Ernennung eines Direktors für die Fabrik, Schluss mit den Aussperrungen...

Guy Zurkiden: Was sind nun die Ursachen für diese Entscheidung der Arbeiter/innen ?

Luis:

Man hatte uns vor vollendete Tatsachen gestellt: entweder die Wiederaufnahme der Arbeit oder aber man würde uns in die Wüste schicken. Die Schlichtung war beendet. Bloch zog sich zurück und wir standen mit leeren Händen da. Nicolas (Wuillemin, der Präsident der Personalvertretung) erklärte uns , dass Bloch und die Unsa einen enormen Druck auf ihn ausüben würden. Ich bin zudem der Meinung, dass die Aussagen von Ambrosetti (der Vize- Präsident von Unia) und Daguet (Unia Führungsmitglied) während den Vollversammlungen ausschlaggebend waren für die Entscheidung der Belegschaft, den Streik zu beenden. Ambrosetti und Daguet haben uns durch die Blume zu verstehen gegeben, dass wenn wir weiter streiken, wir nicht mehr mit ihrer Unterstützung zu rechnen brauchen. Viele haben dann gegen ihre Überzeugung für die Wiederaufnahme der Arbeit gestimmt, teilweise aus Angst, am Monatsende keinen Lohn mehr zu erhalten. Sie haben mit Ja gestimmt. obwohl sie genau wußten, dass der Rausschmiss der 21 Entlassenen nicht rückgängig gemacht werden wird.

Hat die Unia Leitung einen entscheidenden Einfluss auf die Wiederaufnahme der Arbeit gehabt?

Ich denke schon, dass das Nein am 23 Februar überwogen hätte, wenn wir uns der Unterstützung der Unia hätten sicher sein können. Zudem bin ich mir sicher, dass wenn das Nein sich durchgesetzt hätte, dann hätte Unia keinen Rückzieher mehr machen und uns fallen lassen können. Der Schaden für das Image wäre auf nationaler Ebene zu groß gewesen. Ich bin der Meinung, dass das Modell Unia seine Grenzen offenbart hat, über die es nicht hinaus kann. Es gilt diese Hindernisse zu beseitigen und etwas Neues zu schaffen.

Ich muss betonen, dass wenn ich Unia sage, die Macher an der Spitze visiert sind, nämlich Ambrosetti und Daguet und nicht etwa die Militanten an der Basis. Diese teilen keinesfalls die Ansichten der Gewerkschaftsspitze. Im Gegenteil : sie haben uns in dem Betrieb immer 100 % unterstützt und werden dies auch weiterhin tun.

Welcher Strategie hätte es der Meinung der Streik Befürworter nach bedurft ?

Wir hätten verhindern müssen, dass die Firmenleitung uns ein drittes Mal aufs Glatteis führt. Der Kampf hätte zu Ende geführt werden müssen, also die Fortsetzung des Streiks, bis ein Interessent Boillat für einen niedrigen Preis aufgekauft hätte. Wir hätten Swissmetal zwingen müssen, die Fabrik in die Unabhängigkeit zu entlassen.

Wie funktioniert die Wiederaufnahme der Arbeit?

Nach der Abstimmung haben die Kollegen/innen wieder angefangen zu arbeiten, aber die Lage ist katastrophal : die entlassenen Kaderbeamten besaßen wichtige Kompetenzen und die fehlen jetzt im Betreibsablauf. Swissmetal hat die entlassenen Kollegen/innen durch Führungskräfte von Dornach ersetzt, die absolut keine Ahnung haben, wie unser Werk zu leiten ist. Den Kollegen/innen fehlt die Moral, die Motivation ist auf den Nullpunkt gesunken. Die Stimmung im Betrieb ist mies, jeder befürchtet Entlassungen.

Positiv ist jedoch, dass die Belegschaft weiterhin geeint bleibt. In der Halle 3 finden Konferenzen statt, die Solidarität wird weiterhin groß geschrieben. Nur wenige versuchen aus Angst vor Entlassung durch Leistung zu glänzen.

Auch von Aussen erhalten wir weiterhin massive Unterstützung.

Ich möchte mich an dieser Stelle herzlichst bedanken.

Wie stehen die Chancen, Boillat und eure Arbeitsplätze zu verteidigen !

Wir hängen jetzt von der Schlichtung ab. Die nächste Verhandlungsrunde ist am 23 März und wir hoffen, dass das Werk aufgekauft werden wird und wir unabhängig von der Swissmetal Gruppe werden. Dadurch könnten viele Kollegen/innen die wegen der jetzigen Geschäftsleitung gekündigt haben, ihre Kompetenzen und Fähigkeiten erneut einbringen. Unser Ziel ist es also, dass Boillat so schnell wie möglich aufgekauft wird.

Und wenn die Schlichtung scheitert ?

Wenn es nicht zu einem Aufkauf kommen wird, werden auch die 21 entlassen Fachleute nicht zurückkehren und das Werk wird untergehen. Unter diesen Umständen wird es sehr schwer werden, einen neuen Streik zu organisieren. Wir haben bereits 2 Streiks hinter uns. Aber ich will hier nicht Prophet spielen. Es wäre sicher sehr zeitaufwendig und würde sehr intensiver Diskussionen und jeder Menge Versammlungen bedürfen.

Bei unserem ersten Gespräch haben einige von euch die Selbstverwaltung erwogen. Steht ihr heute noch hinter dieser Idee?

Momentan ist bei den meisten Leuten hier die Selbstverwaltung, wie sie zbsp in einigen Fabriken in Argentinien existiert, sicherlich noch nicht in den Köpfen verankert. Vielleicht in einigen Jahren.... das bedarf einer enormen Energie und einer massiven Unterstützung von Aussen. Da genügen keine 20 oder 30 Kollegen/innen von 300 die daran glauben, sondern es müssten schon 295 sein. aber die Diskussion läuft....

Welche Zwischenbilanz eueres Arbeitskampfes würdest Du ziehen? Was waren seine Stärken, was seine Schwächen?

Unsere Stärke war unsere Solidarität, die Solidarität zwischen Arbeiter/innen und die Solidarität die wir von Aussen bekamen.

Unsere Schwäche war die Unfähigkeit, unsere Bewegung auf sämtliche Kantone der Schweiz auszudehnen. Nur so hätten wir einen maximalen Druck auf Hellweg ausüben können. Der Weg dazu wären Konferenzen gewesen, während denen wir unseren Kampf erklärt und für eine breitere Unterstützung geworben hätten. Wir sind hier nicht in Zürich, sondern in einem Tal des Juras. Wir hätten Demos in allen grösseren Städten organisieren.


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