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Updated: 18.12.2012 15:51 |
"Der Weggang der CSC ist für die CUT von ganz anderer Tragweite als bisherige Auseinandersetzungen" Ende September beschloss eine Konferenz der CSC (Gewerkschaftliche Klassenströmung) von 500 Delegierten in Salvador da Bahia den Austritt der zweitgrössten gewerkschaftlichen Strömung (die der KP Brasiliens nahe steht, eine der Parteien aus Lulas Regierungskoalition) aus dem brasilianischen Gewerkschaftsverband CUT und die Bildung einer eigenen Föderation, zusammen mit unabhängigen GewerkschafterInnen und der kleinen "Strömung sozialistischer Gewerkschafter" (die der sozialdemokratischen Sozialistischen Partei Brasiliens nahe steht und ebenfalls ihren Austritt aus der CUT beschloss). Nach den Auseinandersetzungen mit der traditionell starken Hochschullehrergewerkschaft ANDES und nach der Abspaltung der der PSTU nahestehenden CONLUTAS ist dies die dritte große Auseinandersetzung innerhalb der CUT in der Regierungszeit Lula. Allerdings: sowohl von der politischen Konstellation her - die PC do B ist ausgesprochen aktive Unterstützerin der Regierungspolitik - als auch vom Umfang der Strömung (die CSC hat die Führung in etwas über 20% aller CUT-Gewerkschaften und für ihren Kandidaten zum Vorsitz beim letzten CUT-Kongress etwas über 26% der Stimmen erhalten) mit Abstand der Vorgang mit der grössten praktischen Tragweite. Die Hauptbegründung für diesen drastischen Schritt war die Feststellung, dass die grösste Strömung der CUT, die der PT Regierung nahestehenden Articulacao Sindical mit ihrer Mehrheit alles dafür getan habe, dass die CUT zu einem Anhängsel dieser Regierung geworden sei. Die Ansichten über die politische Bedeutung dieses Schrittes gehen weit auseinander, das wird in der mit Telefoninterviews ergänzten Materialsammlung "CSC verlässt die CUT" aus der ersten Novemberwoche 2007 ebenso deutlich, wie dass die Entwicklung der CUT ebenso einer Regierungslogik folgt, wie etwa bei der südafrikanischen COSATU - beide (einst?) zusammen mit der südkoreanischen KCTU, eine Art Hoffnungsträger der Gewerkschaftslinken. CSC verlässt die CUT Die - nach mehreren Stellungnahmen von "Insidern" erwartete, für die allgemeine Öffentlichkeit eher überraschende - Nachricht kam Ende September: Die landesweite CSC Konferenz in Salvador hatte den Austritt der CSC aus der CUT beschlossen. Der Ablösungsprozeß war am 8. Juli 2007 mit einer Resolution des Zentralkomitees der PCdoB - "Novo caminho para fortalecer o movimento sindical" sozusagen offizialisiert worden, in der die "Diskussionen innerhalb der CSC, zu neuen Wegen zu finden, die Gewerkschaftsbewegung zu stärken" begrüßt wurden. Dieser Prozeß wurde abgeschlossen mit der Resolution "Rumo a uma central classista e democrática" die am 29. September 2007 von der landesweiten Konferenz der CSC verabschiedet wurde, der schon im ganzen Jahr regionale Treffen vorangegangen waren. In dieser Resolution wird der Schritt, aus der CUT auszutreten, in den Zusammenhang der generellen gesellschaftlichen Entwicklung und der dadurch hervorgerufenen Veränderungen in der brasilianischen Gewerkschaftsbewegung gestellt, und die gesamte Geschichte des Wirkens der CSC in der CUT seit ihrem Beitritt 1991 als der Einheit dienend dargestellt. Meinungen Die Frage an Raimundo Silveira, langjähriger Aktivist der Chemiegewerkschaft im Bundesstaat Minas Gerais, wie er die Begründungen der CSC für ihren Austritt beurteilt, beantwortet der keiner Strömung zugehörige so: "Sie haben zum einen sicher recht mit der Feststellung, dass sich die gewerkschaftliche Landschaft auch in Brasilien verändert - das Projekt, alle Strömungen in einer Föderation zu vereinigen ist so, wie es einmal geplant war, also in der CUT, die diesen Anspruch ja im Namen trägt, gescheitert. Zum einen ist die Forca Sindical entstanden, die ihrerseits die allzu offene Unterstützung neoliberaler Restrukturierung aufgegeben hat, zum anderen sind ja eine ganze Reihe kleinerer linker Strömungen schon vorher ausgetreten, wie auch einzelne Gewerkschaften, und haben neue Koordinationen und ähnliches geschaffen. Und die CSC hat meiner Meinung nach auch recht damit, dass sie sagt, der Prozeß der Entdemokratisierung der CUT durch die regierungsnahe Strömung habe auf dem letzten Kongreß einen Wendepunkt genommen, als - vereinfacht gesagt - einige linkere PT Strömungen per Machtpolitik aus leitenden Positionen gedrängt wurden. Wo es aber schon fraglich wird, ist dann eben die Einschätzung der eigenen Haltung und Praxis. Wenn sie sagen, ein Wendepunkt seien die Verhandlungen der CUT-Spitze mit der Regierung Cardoso über die Reform der Sozialversicherung 1996 gewesen, dann entsteht doch von selbst die Frage, wie das dann noch 11 Jahre lang gehen sollte". Ademar Ferreira, Funktionär der Bankgewerkschaft in Belo Horizonte und der PT-Abspaltung PSOL zugehörig, sieht das ganze einfacher: "Das ist ja nur noch Selbstverteidigung - auch die CSC ist auf dem letzten Kongreß ins Abseits gestellt worden, obwohl sie sich bisher durchaus nicht immer gegen die Rolle der CUT als Transmissionsriemen der Regierung gewehrt hat, dennoch: die CSC durfte zwar den stellvertretenden Vorsitzenden stellen, aber mit eindeutig reduzierten Funktionen". Otomar Barbosa von der Metallergewerkschaft in Minas Gerais sagt - worauf auch die anderen hinweisen - dass der aktuelle Grund zumindest teilweise auch ein anderer sei: "Jetzt rennen doch alle hin und lassen sich beim Arbeitsministerium als Gewerkschaftsbund registrieren - die Veränderung der Gewerkschaftsgesetzgebung bedeutet für registrierte Einheiten mehr Geld. Der ganze Vorgang steht doch im Widerspruch dazu, dass die CSC beispielsweise an vorderster Front gegen die PSTU polemisierte, als diese die Initiative für die CONLUTAS ergriff". Ubirajara Alves, im Exekutivkomitee der Metallgewerkschaftsföderation CNM in der CUT, sagt: "Der Weggang der CSC ist für die CUT von ganz anderer Tragweite als bisherige Auseinandersetzungen, sowohl wegen ihrer Größe, als auch wegen ihrer bisherigen Rolle. Die CSC war ein wichtiger tragender Pfeiler der CUT seit 1991, was immer man auch im einzelnen von ihrer Politik halten mag. Ich finde es zumindest erstmal eine Schwächung, dass wir jetzt faktisch den Zustand haben, dass jede existierende Gewerkschaftsföderation einer Partei zugeordnet ist - um nicht zu sagen untergeordnet. Denn natürlich ist viel dran am Vorwurf der CSC, die regierungsnahe Hauptströmung lasse es an demokratischer Kultur fehlen, aber andrerseits waren sie selbst oft genug daran beteiligt". Positionen Das Mitglied der nationalen CUT- Exekutive Julio Turra, Vertreter einer linken Minderheitsströmung in der CUT, hat nach der Tagung des Zentralkomitees der PCdoB einen offenen Brief an die CSC verfasst, in der er den Beschluss der Trennung kritisiert und die Position seiner Strömung erläutert, die Demokratiedefizite innerhalb der CUT zu bekämpfen. In "Ainda é tempo de reverter a saída da CSC da CUT" vom 27. Juli 2007 auf der CUT- Homepage vertritt er diese Argumentation, die als stellvertretend für all jene linken Strömungen genommen werden kann, die in der CUT verbleiben. Am ausführlichsten begründen ihre Kritik am CSC-Austritt die Vertreter der (trotzkistisch orientierten) CSD, die zusammen mit Articulacao und CSC auf den letzten Kongressen gemeinsame Positionen und Wahlvorschläge vertraten. In dem offiziellen Strömungsdokument "O SEGUNDO ERRO HISTÓRICO DOS SINDICALISTAS DO PCdoB" ("Der zweite historische Fehler der Gewerkschafter der KPB") - verfasst von drei Mitgliedern der Strömung im CUT-Exekutivkomitee OSANE DA SILVA, DARY BECK FILHO und MILTON CANUTO - ordnen sie den Vorgang in die Geschichte der CUT ein und befassen sich mit jedem einzelnen der zentralen Argumente der CSC für den Austritt. Der erste historische Fehler sei es gewesen, nicht von Beginn an zur CUT dazu zu stoßen, wegen der Angst der Partei vor einer Radikalisierung der damaligen (1983) Demokratiebewegung. Und jetzt gäbe es erneut Hinweise darauf, dass auch die Zusammenarbeit mit alten anti-CUT Bastionen in den Gewerkschaften gesucht werde. Das Dokument ist insofern repräsentativ für eine über die Strömung hinausgehende Argumentation.als immer wieder unterstrichen wird, noch immer sei es Grundposition der Linken, dass die Spaltung von Gewerkschaften ein Werk der Rechten sei. (Zusammengestellt und Meinungen eingeholt von hrw) |