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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Thomas Hohlfeld / Dirk Vogelskamp, Komitee für Grundrechte und Demokratie Die Rechte der ArbeitsmigrantInnen Zum Stand der Petitionsinitiative des Komitees für Grundrechte und Demokratie – Das Komitee für Grundrechte und Demokratie startete im April diesen Jahres eine Initiative für die Unterzeichnung der ”Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen” (im Folgenden: UN-Konvention) in Form einer Massenpetition, die im Dezember dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages übergeben werden soll. MigrantInnen im Kontext einer globalen Niedriglohnökonomie Weltweit nimmt die Entwurzelung von Menschen zu. Das ist unter anderem eine Folge dessen, was allgemein als ‚neoliberale Globalisierung‘ bezeichnet wird. Gemeint ist damit die expansiv gewaltsame Durchdringung aller Lebensverhältnisse bis in den letzten Weltwinkel hinein und ihre Zurichtung nach den Erfordernissen der Kapitalverwertung. Unzählige Menschen sind deshalb gezwungen, sich aus den Schütterzonen der Globalisierung aufzumachen. Auf der Suche nach Schutz, existenzsichernder Arbeit und menschengerechten Lebensperspektiven. Diese globalen Wanderungsbewegungen machen auch vor den tödlich befestigten Grenzen Europas nicht halt – viele verlieren ihr Leben auf der Suche nach einem besseren. Einem Teil der unerwünschten MigrantInnen gelingt es dennoch, unerlaubt in die europäischen Wohlstandszonen vorzudringen. Dort werden sie von den informellen Arbeitsmärkten aufgesogen. Diese ArbeitsmigrantInnen bilden das profitabel ausbeutbare Unterfutter einer globalisierten Ökonomie, die den Preis für die Weltmarktware Arbeitskraft drückt. Sie sind Teil einer globalen Niedriglohnökonomie (Michel Chossodowsky). In Europa gilt dies insbesondere für jene arbeitsintensiven Sektoren (Bauwirtschaft, Landwirtschaft, hausnahe Dienstleistungen, Gastronomie, Pflegedienste usw.), die nicht in andere Länder ausgelagert werden können. Nicht wenige der ‚unsichtbaren‘ Arbeitskräfte schuften unter sklavenähnlichen, menschenunwürdigen Bedingungen und sind fortwährender Diskriminierung, Ausbeutung und Gewalt ausgesetzt. Gegenüber ArbeitsmigrantInnen werden fundamentale Menschenrechte vielfach verletzt oder missachtet, insbesondere, wenn sie sich ,unerlaubt’ im Lande aufhalten oder ,unerwünscht’ sind. Gegen diese Praxis wendet sich die UN-Konvention, die in der Überzeugung geschaffen wurde, dass es notwendig sei, Menschenrechte von WanderarbeiterInnen und ihren Familienangehörigen präzise zu bestimmen, ihre Beachtung zu überwachen und Möglichkeiten ihrer tatsächlichen Durchsetzbarkeit zu schaffen. Die Konvention sichert ArbeitsmigrantInnen – und zwar unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status – grundlegende politische, persönliche und soziale Rechte zu. So das Recht auf Freiheit, auf Bildung, auf körperliche Unversehrtheit und medizinische Behandlung, auf angemessene Bezahlung und rechtsstaatliche Verfahren. In Deutschland ist diese UN-Konvention weitgehend unbekannt, obwohl sie seit dem 1.7.2003 in Kraft getreten ist, nachdem mehr als 20 Staaten sie ratifiziert haben. Das, was die UN-Konvention speziell auf WanderarbeiterInnen bezogen normiert, ist bereits im Kern auch in der von der BRD unterzeichneten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und anderen internationalen Abkommen enthalten. Diese Menschenrechtsbestimmungen müssten in der BRD also ,unmittelbar’, d.h. auch für WanderarbeiterInnen, gelten (vgl. Art. 1 GG). Die tatsächlichen Lebensbedingungen, insbesondere von ‚irregulären‘ ArbeitsmigrantInnen, und zahlreiche Gesetzesbestimmungen entsprechend dem jedoch nicht. Die rot-grüne Bundesregierung begründet ihre Weigerung, die UN-Konvention für einen wirksamen Schutz dieser Menschenrechte zu unterzeichnen, im Wesentlichen damit, dass dies einen ,Anreiz’ für Andere darstellen könnte, ohne eine Erlaubnis in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Dabei tastet die Konvention das Recht der Nationalstaaten, über den Aufenthalt in ihren Territorien zu bestimmen, ausdrücklich nicht an. Da die Bundesregierung aufgrund wirtschaftspolitischer und ideologischer Interessen bislang nicht bereit ist, die UN-Konvention zu ratifizieren, will das Komitee für Grundrechte und Demokratie mit seiner Petition eine öffentliche und parlamentarische Debatte über die Einschränkung fundamentaler Menschenrechte von arbeitenden und vielfach illegalisierten ImmigrantInnen in Deutschland in Gang setzen. Ein Mangel an Solidarität? Viele linke und migrationspolitisch engagierte Gruppen haben die Petitionsinitiative des Komitees unterstützt, indem sie informierende Beiträge zum Thema veröffentlichten, die Petition auf ihrer Homepage vorstellten oder Komiteemitglieder zu Veranstaltungen einluden. Über tausend Bürgerinnen und Bürger haben sich der Petition inzwischen angeschlossen und diese unterzeichnet. Das ist für eine politisch an den Rand gedrängte und mit dem Stigma des Kriminellen und Illegalen versehene Problematik nicht unbedeutend. Das Bürgerrechtskomitee verfügt zugleich nicht über entsprechende materielle Ressourcen, um etwa in ganzseitigen Anzeigen in der bürgerlich-liberalen Presse für seine Initiative zu werben. Die Situation insbesondere der illegalisierten ArbeitsmigrantInnen scheint zudem kein Gewerkschaftsthema zu sein. Von ver.di, die die Petitionsinitiative zumindest zur Kenntnis genommen und darauf aufmerksam gemacht hat, abgesehen, gab es keinerlei nennenswerte gewerkschaftliche Unterstützung. Die IG BAU, die erst kürzlich einen ‚Europäischen Verband der Wanderarbeiter‘ gründete, hat sich obwohl vom Komitee dazu befragt bislang nicht zu der Petition geäußert. Das mag auch daran liegen, dass die ILO (International Labour Organization) mit ihren Forderungen hinter denen der UN-Konvention weit zurückbleibt und dass die deutschen Gewerkschaften derzeit in erster Linie damit beschäftigt sind, die Rechte regulär inländisch Beschäftigter zu sichern. Die Entrechtung eines globalisierten Subproletariats In einer Zeit jedoch, in der Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse der arbeitenden Bevölkerung durch Regierung und Unternehmerverbände massiv unter Druck gesetzt und neue Zwangsarbeitsverhältnisse geschaffen werden, in der die Klasse der ‚working poor‘ (der arbeitenden Armen) sich ausbreitet und in der ein breites Spektrum von prekären Niedriglohnarbeiten mit ‚reformerischer‘ Gewalt in die Gesellschaft hineingetrieben wird, ist es geradezu töricht, die besonders gewaltförmige Ausbeutung und Entrechtung der WanderarbeiterInnen verschweigen und sich damit abzufinden zu wollen. Denn die Menschenrechte sind unteilbar, und die Entrechtung eines globalisierten Subproletariats, die sich unter menschlichenrechtlich skandalösen Bedingungen vollzieht, wird auch die Entrechtung der besitz- und einflusslosen Klassen in den kapitalistischen Metropolen vorantreiben, die bislang aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft zumindest vor Verelendung sicher zu sein schienen. Auf diese Weise werden die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft insgesamt langfristig zersetzt. Es kommt also mehr denn je darauf an, in den illegalisierten und irregulären WanderarbeiterInnen nicht Konkurrenten auf einem globalisierten deregulierten Arbeitsmarkt zu sehen, sondern Arbeiterinnen und Arbeiter, die heute schon unter Bedingungen arbeiten und leben müssen, wie sie jetzt auch Arbeiterinnen und Arbeitern in Europa in Aussicht gestellt werden (ein Blick auf die USA kann uns dies lehren). Die Rechte der ArbeitsmigrantInnen können somit nur um den Preis der eigen aufgegeben werden. Das Kapital bezieht sich seit jeher nicht nur auf eine nationale Arbeiterklasse, wie die koloniale und imperialistische Vergangenheit sowie die „neoliberale Gegenwart“ zeigt. Auch irreguläre Arbeitskräfte und ImmigrantInnen wurden und werden in den Kernländern der Industrialisierung stets gewinnbringend in den Prozess der Profitmaximierung mit einbezogen. Im Kampf gegen neue Ausbeutungsverhältnisse, gegen Prekarität wie sie in der BRD etwa durch Zwangs-Ein-Euro-Jobs eingeschliffen werden sollen, kann es deshalb nur eine internationalistische Perspektive geben – und dies heißt konkret: Für die fundamentalen Rechte (auch) der WanderarbeiterInnen einzutreten. Die Petitionsinitiative des Komitees für Grundrechte und Demokratie kann hierzu einen Beitrag leisten. Das vierseitige Petitionsfaltblatt für
die Unterschriftensammlung kann angefordert werden unter: Komitee für
Grundrechte und Demokratie, Aquinostr. 7-11, 50670 Köln, info@grundrechtekomitee.de Auch nach der offiziellen Einreichung der Petition Mitte Dezember 2004 an den entsprechenden Ausschuss des Deutschen Bundestages können Unterschriften nachgereicht werden, da Bearbeitung und Beratung gewöhnlich einige Zeit in Anspruch nehmen werden. |