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Updated: 18.12.2012 15:51
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Nach dem - verhinderten - Kölner Rassistenkongress: Die ideologische Gegenoffensive hat begonnen

Zu einer Kampagne in ,Süddeutsche Zeitung', ,Die Welt', bei ,Politically Incorrect' und (sonstigen) rechtsradikalen Protagonisten.

Wie anderswo schon ausführlich berichtet wurde, konnte der durch die rechtsextreme Lokalpartei "Pro Köln" ausgerichtete so genannte "Anti-Islamisierungs-Kongress" am 19./20. September - de facto - weitgehend verhindert werden.

An den Protesten gegen ihn hatten sich mehrere Zehntausend Menschen beteiligt. Nur rund 100 Anhängern der extremen Rechten war es gelungen, auf den Platz der öffentlichen Kundgebung, die den Höhepunkt des "Kongresses" abgeben sollte - den Heumarkt in Köln - zu gelangen. Unter ihnen Aktivisten oder Sympathisanten von "Pro Köln", der italienischen Lega Nord, des französischen MNR, der britischen BNP sowie des Vlaams Belang aus Belgien. Weitere rechtsextreme Gestalten, darunter Repräsentanten des Vlaams Belang und der österreichischen FPÖ, steckten zur selben Zeit am Flughafen Köln-Bonn fest und veranstalteten eine Pressekonferenz in einem Kellerraum unter einem Flughafengebäude.

Nun hat aber, gerade weil die Proteste so erfolgreich und weil die Rechtsextremen/Rechts"populisten" so wenige waren, eine intensive ideologische Gegenoffensive in einem Teilbereich der öffentlichen Meinung begonnen. Dies gilt nicht nur für die extreme Rechte (dass "Pro Köln" gegen die "Zensur" oder "Inquisition", deren Opfer man sei, ebenso wie gegen "unzureichenden Schutz durch die Polizei" tobt und geifert, ist normal bzw. liegt in der Natur der Sache) - sondern auch für Stimmen aus der bürgerlichen, liberalen und konservativen Ecke. Bevor diese näher betrachtet werden, ein kurzer Rückblick auf die Ursachen des Protest-Erfolgs.

Lokale Faktoren

Dazu, dass es überhaupt zu diesem Erfolg der Antifa-Proteste kommen konnte, trugen freilich einige spezifische örtliche Faktoren bei, die kaum auf andere Konstellationen in anderen Städten (oder Ländern) übertragbar scheinen. In München beispielsweise wäre die Sache wohl unter Umständen ziemlich anders verlaufen. Unter den genannten Faktoren seien zwei wichtige benannt:

1) Die spezifische Unfähigkeit und der Dilettanismus der örtlichen extremen Rechten, in Gestalt der zur Mobilisierung einer breiteren sozialen Basis jenseits des Stimmzettels (und insbesondere auf der Straße) offenkundig nicht in der Lage befindlichen Gruppierung "Pro Köln". Allem Anschein nach hatte "Pro Köln" mit dem angekündigten Großereignis vom 19. bis 21. September gerade versucht, sich bei auswärtigen, stärkeren rechtsextremen Parteien in halb Europa fremde Kraft "auszuborgen" - und dadurch zu ungeahnten neuen Kräften zu finden. Dies schlug nun aber fehl, aufgrund einer fehlenden "Massenbasis" vor Ort, die mobilisierungsfähig gewesen wäre - das aber wäre die Voraussetzung für einen Erfolg gewesen.

Hinzu kommt, dass zumindest ein Teil der zum "Kongress" in Köln angereisten auswärtigen Parteien selbst eher "Looser" in ihren eigenen Ländern darstellen. Dies gilt etwa für die beiden französischen Parteien, die vor Ort zu sein schienen: den MNR und die ,Nouvelle Droite Populaire'. Bei beiden handelt es sich um politisch gescheiterte Projekte, die aus - längerfristig erfolglosen - Abspaltungen vom weitaus stärkeren Front National hervorgingen. Der FN seinerseits (oder seine Parteiführung) verspürte überhaupt keine Lust, an den Rhein zu fahren, um "Pro Köln" Aufbau- oder "Entwicklungshilfe" zu erstatten. Sicherlich mag auch die persönliche, wachsende Senilität und Sturheit des Alten an der Spitze - Jean-Marie Le Pen -, der sich nicht vor einen fremden Karren spannen lassen wollte und (zu seinem sehr späten Zeitpunkt) unwirsch auf das Ansinnen von "Pro Köln" reagierte, mit dazu geführt haben.

2) Eine besondere politische und soziale Geschichte der Stadt Köln: Da das katholische Rheinland ab 1815 zwangsweise und ungefragt an das protestantisch-militaristische Preußen angegliedert worden war, hat sich dort seit längerem eine solide Abneigung gegen einen bestimmten deutschnational-preußischen Autoritarismus entwickeln können. Dies schlug sich schon früh in Ereignissen nieder wie 1837, als der Erzbischof von Köln verhaftet wurde: Er hatte gegen die Staatsmacht opponiert, aus unsympathischen Gründen allerdings, da durch seine Abneigung gegen "Mischehen" aus Katholiken und Protestanten (außer bei garantierter katholischer Kindererziehung) motiviert. Später spitzte sich die Auseinandersetzung mit der Staatsmacht nochmals unter dem von Bismarck gegen die katholische Minderheit ausgerufenen "Kulturkampf" (1871 bis 78) zu.

Dies alles bewahrte Köln zwar nicht davor, dass der Aufstieg des (historischen) Nazismus auch vor der Rheinmetropole keineswegs haltmachte. 1933 erhielt die NSDAP bei den Rathauswahlen 39,6 %, und der Kölner Karneval lud sich mit stark antisemitisch gefärbtem Spott auf. Späterhin allerdings hat sich dann eher die, unter dem NS zeitweise verschüttet erschienene, "rebellisch" auftretende und rheinisch-frohsinnig-tolerante Traditionslinie als dominant erwiesen. Dies ist auch mit starkem Lokalkolorit verbunden und kann aus Sicht von Auswärtigen auch seine lästigen Seiten haben. Es schlug sich jedoch in durchaus positiven Anlässen nieder, etwa im November 1992, als in Köln als Antwort auf die Welle rassistischer Gewalt unter der unsäglichen "Asyldebatte" (1991 bis 93) das erste antirassistische Konzern stattfand. Es stand unter dem Motto "Arsch huh, Zäng ussenander" (für: Arsch hochkriegen und den Mund aufmachen), das jetzt für die jüngsten Proteste reaktiviert worden ist. Dieses Konzert, mit seinen engagierten Texten, erschien allemal als bessere Antwort als die gefühlig-irrational-entpolitisierenden "Lichterketten", die sich ein paar Monate später - im Winter 1992/93 - im übrigen Deutschland als Antwort auf Nazigewalt auszubreiten anfingen.

,Süddeutsche Zeitung': Wider die moralische Selbstgefälligkeit der Kölner/innen, gegenüber dem armen verirrten "Häuflein" von Rassisten

Just aus München, wo die Sache mit dem "Kongress" und den Protesten dagegen möglicherweise anders ausgegangen wäre, ist eine laute Gegenstimme gegen den Verlauf der Ereignisse zu vernehmen. Während auch andere Beobachter die örtliche kulturelle Färbung des Ganzen hervorheben, ohne deswegen in Abneigung, Spott, Häme oder gar Hetze zu verfallen (vgl. http://www.freitag.de/2008/39/08390102.php externer Link), kippt die Sache in einem Beitrag für den Kulturteil der ,Süddeutschen Zeitung' ins Negative um.

So wird dort, angesichts des behaupteten Missverhältnisses zwischen der Zahl von 40.000 Gegendemonstrant/inn/en und nur 100 Rassisten (aber wie hätte es OHNE den massiven Protest vielleicht ausgesehen?, jedenfalls hätte "Pro Köln" sich nicht aus Dilettantismus zusätzlich selbst ein Bein gestellt) mokierend festgestellt:

"Und trotzdem gibt es in Köln diesen unglaublich nervigen politischen Sauberkeitsfimmel (.). Ihr eigener gerechter Zorn rührt die Herzen der anständigen Kölner sogar dermaßen, dass sie all diesen "Nazis" sofort die Fressen polieren möchten, und am besten auch noch denjenigen, die sich nicht auf sofortigen Befehl hin die No-go-for-Nazis-Buttons ans Revers stecken wollen. Die erklärt der anständige Kölner umgehend zu ,Faschisten', wie die Rheinische Post berichtet. Tapfere Hausmuttis singen in Chören ironische Lieder über deutsche Muselmanenangst - ach, es kommt einem so vor, als sei diese verirrte Truppe des rechtspopulistischen Vereins ,Pro Köln' ein großes neofaschistisches Hochwasser, das über Köln hereinzubrechen drohte wie nichts Gutes. Dabei waren doch da bloß ein paar kleine xenophobe Männekens an den Rhein gekommen, die sich vorher ganz fest bei den Händen gehalten und einander fest versprochen haben, ihren Restmut zusammenzukratzen und ihren Zorn über den Islam auf den Heumarkt zu tragen." ( Vgl., für dieses Zitat wie für weitere Unfreundlichkeiten: http://www.sueddeutsche.de/kultur/968/311888/text externer Link)

Dabei ging es dem Autor - im Feuilleton - aber wohl gar nicht unmittelbar um Politik, sondern eher um einen "Stil", den er als unangenehm empfindet. Aber es gibt auch Menschen , die mit solcherlei Eindrücken bewusste Politik betreiben.

Unter ihnen befindet sich Henryk M. Broder, Starautor der deutschen Anhängerszene der US-Neokonservativen, stolzer Verteidiger der US-amerikanischen und (erst recht) der israelischen Militär- und Besatzungspolitik vor dem Herr'n. Der Publizist, den manche Beobachter - ob zu Recht oderzu Unrecht - als Hetzer betrachten und der es liebt, Prozesse gegen ihm Unliebsame zu führen, setzt die Antifa in einem Interview mit der Springerzeitung ,Die Welt' - darunter ging's wirklich nicht - mit der SA gleich. Originalton: " Die so genannte Antifa, die auf der Straße in der Überzahl war und sich gebärdete wie früher die SA, erzwang von der Polizei die Aufgabe des Schutzes der Rechtspopulisten. Das könnte auch mal umgekehrt sein - eine beunruhigende Perspektive. (.) Jeder darf eine Gegenkundgebung organisieren, aber eine angemeldete und genehmigte Demonstration muss von der Polizei geschützt werden! Hier in Köln hat sich der Staat der Macht der Straße gebeugt. " (Vgl. dazu, wie auch zu den laut Broder "verständlichen Ängsten" von Anwohnern irgendwelcher Menschen, zum im Kern berechtigten "Generalverdacht" gegenüber Moslems sowie dem angeblichen "Appeasement" - sic - gegenüber kriminellen Nordafrikanern in Berlin, die Quelle: http://www.welt.de/welt_print/article2490009/Koeln-war-eine-Kapitulation.html externer Link)

Auch an anderer Stelle fantasierte Henryk M. Broder sich förmlich einen ab, um die heftigsten Vorwürfe an die Antifa zu richten und zugleich deren antifaschistische Aktivitäten als solche für sinnlos zu erklären: "Wie immer" (sic!) "wenn die Antifa aufmarschiert, war keine Fa da, weswegen sich die alternative SA ersatzweise mit der Polizei anlegen mußte. So ist das mit dem Antifaschismus heute: Er blüht und gedeiht mangels an Faschisten, jeder Sesselpupser ein Widerstandskämpfer. " (Vgl. http://www.pi-news.net/2008/09/broder-antifa-ohne-fa/ externer Link)

,Politically Incorrect': Antifaprotest ist Pogrom

Den Vogel aber schoss, mal wieder, die zwischen konservativ-wirtschaftsliberalem Spektrum (rechtem Flügel von CDU und FDP) und Rechtsextremen angesiedelte Webpage ,Politically Incorrect' alias ,PI' ab. Es handelt sich um einen ständig aktualisierten Blog, der von einem Sozialdarwinismusfan mit Namen Stefan Herre - nomen est omen - aus Bergisch-Gladbach quasi-hauptberuflich betrieben wird und sich an rechtes, zwischen Wirtschaftsliberalismus und Rassismus oszillierendes Ausländerhasser- und Steuersenkerpack richtet. Die Herre(nmenschen)seite ,PI' hatte den Rassistenkongress von "Pro Köln", Vlaams Belang, FPÖ und Konsorten aktiv unterstützt: Auf den Fotos von der Pressekonferenz am Flughafen (die am Sonnabend, den 20. September von auf Köln-Bonn festsitzenden rechtsextremen Figuren im Kellergeschoss des Flughafengebäudes abgehalten wurde) sieht man an der Wand hinter den rechtsextremen Rednern ein riesiges Poster von ,Politically Incorrect' prangen, das dort selbstvertändlich nicht zufällig hing. (Vgl. http://www.pi-news.net/2008/09/wann-werden-sie-den-untergrund-verlassen/ externer Link)

Dieselbe Webpage übertrug nach Deutschland ein übles Gerücht, das zunächst durch die von besessenen Moslemhassern betriebene Seite ,Gates of Vienna' (also "die Tore von Wien", unter Anlehnung an die osmanische Belagerung der Stadt im Jahr 1683) lanciert worden war. Eine Behauptung, für die es nicht den leisesten Anflug eines Belegs gibt: Ein durch seine Kippa als Jude erkennbarer britischer Bürger, der unbedingt-unbedingt-unbedingt an der Kundgebung von "Pro Köln" hätte teilnehmen wollen, sei an den Blockadestellen der Antifa beleidigt-geprügelt-und-misshandelt worden. "Als Jude'' selbstverständlich, drunter ging's auch hier nicht. (Vgl. http://www.pi-news.net/2008/09/koeln-faschistenschwein-mit-kippa-verpruegelt/#more-20610 externer Link und auch http://www.pi-news.net/2008/09/leserbrief-an-pi-antisemiten-in-koeln/#more-20497 externer Link)

Das dreckige Gerücht, das durch ,PI' in Deutschland lanciert worden war, hat "Pro Köln" selbstverständlich sofort begierig aufgegriffen. Bei der rechtsextremen "Bürgerbewegung" liest sich das nun folgenderma ß en: Was in der Stadt am Rhein gegen ihre Kundgebung abgelaufen sei, sei nichts Anderes als eine "Judenhatz in Köln" (sic). Und wer's nicht glaubt, möge es nachlesen: http://www.pro-koeln-online.de/artikel6/judenhatz.htm externer Link .

Diese lügenhafte Darstellung erlaubt es den Protagonisten der Rechten gleich im doppelten Sinne, in die Gegenoffensive zu gehen: Einerseits können sie sich selbst als "verfolgte Juden" aufspielen, also sich in DIE geschichtliche Opferrolle hinein projizieren - eine pure politisch-historische Hochstapelei, auf die Rechtsextreme sich aber schon immer verstanden haben. Zum Anderen können sie sich aber auch "Bekämpfer des Antisemitismus" aufschwingen. Denn der "moderne", philosemitisch gewendete Teil der extremen Rechten und der deutschen Konservativen - für den u.a. auch die Springer-Presse repräsentativ ist - exerziert seit Jahrzehnten vor, dass in seinen Augen jede Sauerei erlaubt ist, solange man nur "Probleme mit den Juden" vermeidet und demonstrativ für den Staat Israel (inklusive der Schattenseiten seiner konkreten Politik, die jedoch aus Sicht deutscher Militaristen eher Lichtseiten darstellen) eintritt.

Übrigens: Auch anderswo versteht die extreme Rechte sich auf dieses Spiel, so gab der - unbestritten zum Teil offen antisemitische - französische Front National im April 1996 eine dicke Broschüre seines Parteifunktionärs Roland Gaucher zum Thema "Sozialistische Ursprünge des Antisemitismus" heraus. Das Ziel dabei, unter anderem: den Antisemitismusvorwurf gezielt und ausschlie ß lich gegen die politische Linke zu richten. Auch wenn nicht geleugnet werden kann, dass es im französischen Frühsozialismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts unstrittig antisemitische Tendenzen (verkörpert etwa durch Pierre-Joseph Proudhon) gegeben hat, so war doch die politische Funktion dieser rechtsextremen Agitation unverkennbar. Allerdings gibt es in Frankreich keine - aus der (früheren) Linken hervorgegangenen und noch immer als "radikal" und irgendwie gesellschaftskritisch geltenden - "Antideutschen", die sich noch tunlichst beeilt hätten, diesen von extrem Rechts her vorgetragenen Vorwurf gegen die politische Linke eilfertig zu munitionieren. Auch gibt es in Frankreich keinen Beifall von "Radikalen" und "Gesellschaftskritikern" für die Henryk M. Broders dieser Welt.

Artikel von Bernard Schmid vom 7.10.08


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