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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Wortmeldung eines langjährigen Gewerkschaftsmitgliedes zur Frage des Rechtsextremismus - Zum Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Wiedererstarken des Rechtsextremismus Schreiben von Antonín Dick an den Landesbezirk von ver.di Berlin-Brandenburg vom 06. Februar 2005: Sehr geehrter Kollege Damm, für die ausführliche juristische Beratung im Konflikt mit der Bundesagentur für Arbeit möchte ich mich nochmals herzlich bedanken. Natürlich ist via Rechtsberatung i n h a l t l i c h nichts geklärt worden - damit meine ich die vorliegende Initiative und die vielen anderen von anderen Gewerkschaftern zur geistig-politischen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, die spätestens seit dem Aufmarsch der neonazistischen Front in den Landtagen von Sachsen und Brandenburg allenthalben als dringend erforderlich erkannt wurden. Zu meinen Hauptaufgabengebieten gehört seit Jahren die aktive Auseinandersetzung mit Faschismus und Neofaschismus. Im Jahre 2001 wurde ich für meine langjährige künstlerische Arbeit mit einer Förderung durch den Hauptstadtkulturfonds ausgezeichnet. Aus meiner Inszenierung "Ballade vom Emigranten" ging ein bildungspolitisches Projekt hervor, das ich an Ober- und Hochschulen zu verwirklichen gedachte: ein Theaterworkshop für Jugendliche unter dem Titel "Exil und Emigration aus Nazideutschland". Junge Leute sollten mit Hilfe des darstellenden Spiels die existentiellen Entscheidungssituationen von damals nachvollziehen. Anfang 2001 führte ich den Workshop an der Berliner Marie-Curie-Oberschule durch. "Ich habe mehr über die NS-Zeit erfahren, als wenn ich ein dickes Buch gelesen hätte", erklärte anschließend ein Teilnehmer. Auch die Klassenlehrerin zog ein positives Resümee: "Die Jugendlichen waren alle selbst gefordert. Das ist im Unterricht oft nicht gegeben". Aus finanziellen Gründen kam es trotz konkreter Anfragen seitens anderer Schulen zu keiner Fortsetzung. Das Arbeitsamt Berlin-Süd, das mich seinerzeit betreute, blockierte seit 2000 ein von mir entwickeltes und mehrfach eingereichtes ABM-Projekt mit dieser relevanten Thematik. Als ich mich unter ausdrücklicher Berufung auf den Beschluss der Bundesregierung aus dem Jahr 1999 zur offensiven Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus gegen diese Blockade zur Wehr setzte und es zudem nach wagte, die Arbeitsweise der Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich in Frage zu stellen, versuchte das Arbeitsamt Berlin-Süd unter Aufbietung aller ihm zur Verfügung stehenden administrativen Mittel, mich mundtot zu machen: mittels verstockter Verweigerung des Projektgespräches, mittels Einleitung demütigender Profiling-Maßnahmen, mittels Verpflichtung zu einem ebenso sinnlosen wie kostspieligen Weiterbildungslehrgang, mittels Zwangsverpflichtung zu einem IT-Projekt, wozu ich weder Qualifikation noch Berufserfahrung besitze, und schließlich mittels des verfassungswidrigen Entzugs der Arbeitslosenunterstützung. Ich klagte beim Sozialgericht Berlin gegen diesen sozialen Vernichtungsfeldzug des Arbeitsamtes, und ich erhielt Beistand und Recht. Das Arbeitsamt indessen zog völlig kontraproduktive Schlussfolgerungen aus dem vorliegenden Konflikt. Statt das dringend gebrauchte Projekt des antifaschistischen Workshops endlich in die Tat umzusetzen, setzte es die sattsam bekannten und zu nichts führenden Mühlen des Agenturalltages wieder in Bewegung. Arbeitsamtlicher Leerlauf mit dem Schein von produktiver Arbeit! Das juristische Nebenprodukt dieses politisch determinierten Konfliktes ist Ihnen bekannt und Gegenstand unserer Beratungen gewesen. Was sind m. E. die notwendigen gesellschaftlichen Schlussfolgerungen? Was ist m. E. zu tun? Was sind meine Überlegungen als Gewerkschafter - ausgehend von diesem Einzelfall, aber auch von vergleichbaren Erfahrungen anderer Gewerkschafter?
Beide Aufgaben gehören selbstverständlich sehr eng zusammen: die Selbstorganisierung der z.Z. nicht beschäftigten Arbeitnehmer sowie die Abwehr der rechtsextremistischen Gefahr, denn die bedrohliche Massenarbeitslosigkeit, verbunden mit dem immer weiter um sich greifenden Gefühl der Verlassenheit und Hoffnungslosigkeit, ist - siehe die mahnenden Jahre von 1929 bis 1933! - einer der Nährböden für das Wiedererstarken der nazistischen Kräfte. Als langjähriges Mitglied unserer Einzelgewerkschaft bitte ich Sie dringendst, sehr geehrter Kollege Damm, diesen Denkanstoß (und als mehr verstehe ich, ein einfaches Gewerkschaftsmitglied, dieses Schreiben auch nicht!), einschließlich der beigefügten gewerkschaftlichen und publizistischen Materialien, Ihrem Arbeitsbereich zur Diskussion vorzulegen. Darüber hinaus stelle ich an Sie den Antrag, dass dieser Denkanstoß durch Sie persönlich den damit unmittelbar befassten Leitungen des ver.di-Landesbezirkes Berlin-Brandenburg zwecks Diskussionsanregung zugeleitet wird. Ich bedanke mich im voraus für Ihre Bemühungen und darf eine Antwort auf diese Wortmeldung zu einer brennenden Frage unserer Zeit von Ihnen erwarten. Mit gewerkschaftlichem Gruß |