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Hermann Josef Abs wurde zum 1.1.1938 in den Vorstand der Deutschen Bank berufen, wo er als Verantwortliches Vorstandsmitglied für die Auslandsabteilung zuständig wurde, d.h. er war der Verantwortliche für alle Auslandsgeschäfte.
Hermann J. Abs verfügte über weitreichende Erfahrung mit Auslandsgeschäften und war in Politiker- und Wirtschaftskreisen schon durch eine 1936 gehaltene Rede aufgefallen, in der er die Vierjahresplan-Politik der IG Farben und Hermann Görings zur Aufrüstung befürwortete.
Abs' Interesse galt vor allem dem wirtschaftlichen Einfluss der Deutschen Bank in Südosteuropa, dem zunächst der 'Anschluss' Österreichs und die Besetzung des Sudetenlandes, später der Überfall auf Polen und die anderen Länder Europas als gute Voraussetzung gelegen kamen. Dieses Interesse dokumentiert u.a. ein Vortrag unter der Überschrift "Aktive Kapitalpolitik"[1], den Abs auf einer Veranstaltung des Deutschen Instituts für Bankwissenschaft und Bankwesen e.V. am 25.10.1940 hielt. Dort heißt es u.a.:
Die Auswahl der richtigen Zielländer seiner aktiven Kapitalpolitik bietet heute für Deutschland keinerlei Schwierigkeiten. [...]. Heute bietet der europäische Raum unserer politischen Einflusssphäre reiche und lohnende Möglichkeiten, um den Rahmen unserer Leistungsfähigkeit zu füllen. [...]. Daß Deutschland daneben vor allem dem bedarf zu genügen hat, der aus der Entwicklung eines eigenen Kolonialraumes entspringt und dass dieser bevorzugtes Objekt einer aktiven Kapitalpolitik zu sein hat, bedarf keiner besonderen Begründung. [...]"
(Hervorhebungen im Original)
Abs vermochte es, die Großmacht- und Kriegspolitik der Nazis rücksichtslos für seine eigenen imperialistischen Interessen zu nutzen.
Mit großem Geschick strickte er denn auch an immer dichter werdenden Firmen- und Bankennetzen, kaufte Banken ein, baute Filialnetze der Deutschen Bank auf, verschaffte seiner Bank bedeutende Aktienbeteiligungen an anderen Banken und anderen wichtigen Unternehmen, insbesondere auch an diversen Erdölgesellschaften in Rumänien. Dem Überfall der Wehrmacht folgte die Ausplünderung der Wirtschaft, ganz besonders in den osteuropäischen Ländern, durch deutsche Konzerne, wobei die Deutsche Bank mit Hermann J. Abs an der Spitze ihrer Auslandsabteilung besonders erfolgreich war.
Mit seinem großen Geschick genoss Abs auch Vertrauen bei der Nazi-Regierung. Er hatte enge Kontakte zum Reichswirtschaftsministerium, saß selbst im Beirat der Reichsbank und gehörte verschiedenen Ausschüssen der Reichswirtschaftskammer an. Auch Hermann Göring verlangte gern mal nach Abs' Rat und vertraute dem Bankier sensible Aufträge an. Hermann J. Abs bekam von der Regierung Aufträge sowohl in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Deutschen Bank als auch als Einzelperson. Gerne gab Abs der Regierung auch mal von sich aus Ratschläge, wenn sie seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen dienlich waren.
Aber das ist noch lange nicht alles. Bei der 'Arisierung' jüdischer Unternehmen, die wiederum Gewinne für die Banken abwarf, im In- und Ausland hatte Abs seine Finger im Spiel, ebenso wie er durch seine Akkumulation von Vorstands- und Aufsichtsratsposten selbst Profite aus dem Krieg, der Beschäftigung von Zwangsarbeitern und -arbeiterinnen, der Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen ziehen konnte.
Als Vorstandsmitglied der deutschen Bank war Abs mit verantwortlich für die Kreditvergabe der Deutschen Bank an die Nazis zum Zwecke der Kriegsfinanzierung.
Die Deutsche Bank hat sich mit vollem Wissen ihres Vorstandes an der Finanzierung des Konzentrationslagers Auschwitz beteiligt. Sie vergab u.a. Kredite für den Bau des Buna-Werks der IG Farbenindustrie AG, in deren Aufsichtsrat H.J. Abs ebenfalls Mitglied war, und für Baustellen der Waffen-SS in Auschwitz. Durch seinen Aufsichtsratsposten bei den IG Farben zog Abs auch Profite aus der Produktion des Zyklon B, das von einer Tochterfirma der IG hergestellt wurde und mit dem Millionen Menschen in den Konzentrationslagern umgebracht wurden. Ferner vergab die Deutsche Bank und in seiner dortigen Funktion auch H.J. Abs - Kredite an Firmen, die in Auschwitz die Krematorien, Rampen und Baracken bauten. Dabei verdiente die Bank, und mit ihr auch ihre Vorstandsmitglieder, nicht nur an den Krediten, sondern auch an der Ausbeutung von Zwangsarbeitern und -arbeiterinnen.
Durch Aufsichtsratsposten in anderen Konzernen übten Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank auch Kontrollfunktionen in Firmen der Rüstungsproduktion aus wie beispielsweise Mannesmann, Daimler Benz und BMW. Abs selbst übte Aufsichtsratsposten u.a. bei den IG Farbenindustrie AG und der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken AG aus. Alle diese Firmen beschäftigten Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen, die für einen miserablen Lohn ausgebeutet wurden und damit der Profitmaximierung dienen mussten. Misshandelt und unterernährt, überlebten viele diese Arbeit nicht.
Aus Leipzig ist ein Beispiel bekannt, bei dem die Deutsche Bank selbst Zwangsarbeiter bei der Gestapo anforderte. Die dortige Bankfiliale brauchte sie zur Beseitigung von Bombenschäden. Der Stundenlohn von 60 Pfennig wurde an die Gestapo überwiesen. Der Leiter der Leipziger Bankfiliale war ein Vertrauter von Hermann J. Abs.
Darüber hinaus handelte die Deutsche Bank und mit ihr Hermann J. Abs als Zuständiger für die Auslandsgeschäfte mit von Juden und Jüdinnen geraubtem Gold. Bei diesem Gold handelte es sich um Geheimbestände der Reichsbank, von denen Abs als eine Schlüsselfigur bei der Veräußerung dieses Goldes ins Ausland zur Devisenbeschaffung für die Rüstungsfinanzierung Kenntnis hatte. Dieses Gold war zum einen Gold, das verschiedenen Ländern bei ihrer Okkupation durch Deutschland entwendet worden war; zum anderen handelte es sich um Gold, das bei seinen vorherigen jüdischen Besitzern konfisziert worden war und das Opfern der Konzentrationslager geraubt worden war.
Nach 1945 wurde Abs von den US-Amerikanern auf die Kriegsverbrecherliste gesetzt. In einem Bulletin der US-Militärregierung von 1946 heißt es: "Als Leiter der Deutschen Bank, die konzentrierte wirtschaftliche Macht mit aktiver Beteiligung an der verbrecherischen Politik des Nazi-Regimes verband, operierte Abs als Hauptbeauftragter bei der Nazifizierung der Wirtschaft in den Satellitenstaaten und den besetzten europäischen Ländern".
1947 legte das "Deutsche Bank Team" der Sonderkommission der amerikanischen Militärverwaltung (kurz OMGUS genannt) die Verantwortlichkeiten der Deutschen Bank offen. Dieses Team wies nach, dass die Führer der Deutschen Bank, zu denen eben auch H.J. Abs gehörte, engste politische Beziehungen zu den Machthabern des nationalsozialistischen Regimes pflegten. Der OMGUS-Bericht empfahl damals aufgrund seiner gewonnen Erkenntnisse, dass "die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bank angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden" und dass "die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden."
Doch nichts dergleichen geschah. Wie beispielsweise Hanns-Martin Schleyer oder Hans Filbinger und viele andere hatte Abs es dem Kalten Krieg zu verdanken, dass seine Verbrechen nicht geahndet wurden. Das Fachwissen und die Rücksichtslosigkeit solcher Personen wurden beim Aufbau Westdeutschlands als Frontstaat gegen den Warschauer Pakt gebraucht, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Justiz, in den Geheimdiensten und in der Bundeswehr. So konnte Abs, wie zahlreiche andere, seine Karriere in der Bundesrepublik fortsetzen.
Abs war auch später wieder im Vorstand der Deutschen Bank und wurde stellvertretender Vorsitzender der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Dort war er nicht die einzige Wirtschaftsgröße aus der Nazizeit. Die KfW operiert gerne im Ausland und ist ein weitestgehend außerhalb des öffentlichen Blickwinkels wirkendes Instrument des deutschen Imperialismus.
1952/53 war Abs Verhandlungsführer bei der Londoner Schuldenkonferenz, auf der die Vorkriegsschulden Deutschlands und die Reparationszahlungen für den Zweiten Weltkrieg verhandelt wurden. Hier gelang es Abs mit der Rückendeckung der USA und Großbritanniens u.a., die Entscheidung über Reparationen hinauszuschieben, bis es einen Friedensvertrag geben werde. Da Ansprüche von NS-Opfern im Ausland unter den Vorbehalt eines Friedensvertrages fielen, hatte dieses Ergebnis der Schuldenkonferenz zur Konsequenz, dass Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, die im Ausland lebten (und das waren die allermeisten), keine Entschädigung bekamen. Derlei Übles noch nicht genug: Ausgerechnet H.J. Abs war 1952 in die Wiedergutmachungs-Verhandlungen mit Israel involviert. Er wusste, dass Ergebnisse dieser Verhandlungen für die Londoner Schuldenkonferenz wichtig sein würden. Ohne eine Einigung mit Israel würde man sich in London nicht mit den Gläubigerstaaten einigen können. Die 'Wiedergutmachung' wurde schließlich in Form von Sachleistungen zum konjunkturellen Motor für die westdeutsche Wirtschaft.
Ein Wort zur Ehrung H.J. Abs' durch die Stadt Bonn im Oktober 2001
Verantwortliche in Wirtschaft und Politik auch in Bonn setzen heute auf das Vergessen großer Teile der Bevölkerung und halten es wieder für angebracht, "Leistungen" solcher Männer wie H.J. Abs zu würdigen, wie in Bonn am 14. Oktober 2001 zum 100. Geburtstag Abs' geschehen. Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann war in den Wochen vor der Ehrung von Abs mehrfach und von verschiedenen Seiten aufgefordert worden, ihre Einladung zurückzuziehen. In Kenntnis seiner Biographie beharrte sie auf die Ehrung des ehemaligen Nazi-Wirtschaftsführers. Sie und alle Beteiligten dieses Skandals, dazu gehört auch der Verein "Beethoven-Haus Bonn", tragen somit eine Mitverantwortung für das weitere Hoffähigmachen von Neofaschismus und Antisemitismus in Deutschland.
abgedruckt in: Reinhard Opitz (Hg.), Europastrategien des deutschen Kapitals 1900-1945, Bonn 1994², S. 794-800.
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