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Updated: 18.12.2012 15:51
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Keine Späte Schlappe für BKA-Angriff auf die Pressefreiheit

BKA empfahl der NATO die Akkreditierungsverweigerung und scheitert bekommt damit vor Gericht Recht. Nato lehnt dennoch Journalisten ab!

Nachtrag der Redaktion am 03.04.2009: Am Mittag des 2.4. hat das BKA wie erwartet Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) eingelegt und in einer Eilentscheidung auch Recht bekommen. Siehe dazu:

  • Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) vom 02.04.2009 pdf-Datei new

  • Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshof: BKA bekommt Rechtnew
    „Im Streit um die Weitergabe von Daten zur Akkreditierung eines Fotoreporters an die Nato hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) dem Bundeskriminalamt (BKA) Recht gegeben…“ Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 02.04.2009 externer Link
  • NATO siegt gegen Journalistennew
    „Der hessische Verwaltungsgerichtshof sieht keine Notwendigkeit für eine einstweilige Anordnung, weil das BKA durch eine von der vorherigen Instanz als offensichtlich rechtswidrig erkannte Stellungnahme bereits "vollendete Tatsachen" geschaffen habe…“ Beitrag von Peter Muehlbauer im Telepolis-News vom 03.04.2009 externer Link
  • »Der Beschluss ist ein Armutszeugnis«. Das Bundeskriminalamt darf Journalisten für die NATO beurteilen, so ein hohes hessisches Gerichtnew
    "Wie beim G8-Gipfel in Heiligendamm hat das Bundeskriminalamt (BKA) vor dem NATO-Gipfel Beurteilungen über Journalisten verfasst, auf deren Basis mindestens drei Autoren nicht akkreditiert wurden. Der Berliner Anwalt Alain Mundt vertritt einen ND-Journalisten, der sich dagegen wehrt. Zweitinstanzlich wurde eine einstweilige Verfügung abgelehnt. ND-Mitarbeiter Velten Schäfer sprach mit dem Anwalt über das Verfahren und seine Folgen." Interview im ND vom 04.04.2009 externer Link

Wie in der Presse berichtet (s.u.) verweigerte die Pressestelle der NATO bisher mindestens drei Journalisten die Akkreditierung für den NATO-Gipfel in Baden-Baden, Straßburg und Kehl. Einer davon ist Björn Kietzmann, der für den ND berichten soll. Der andere berichtet für Le Monde Diplomatique und bekam bereits für den G8-Gipfel in Heiligendamm keine Akkreditierung. Beide haben nun auf Wirken ihrer Anwälte beim Verwaltungsgericht Wiesbaden durchgesetzt, dass die NATO-Pressestelle neu entscheiden muss.

Zum Hintergrund des Falles von Björn Kietzmann teilte unser gemeinsamer Anwalt, Alain Mundt, der LabourNet-Redaktion mit, dass auf seinen Akkreditierungsversuch hin eine standardisierte Absage per E-Mail erfolgte, in der die Pressestelle der NATO darauf verwies, er könne sich Teile der Veranstaltung live im Internet ansehen und die zur Verfügung gestellten Bilder zurückgreifen. Da dies einen kritischen (Foto)Journalisten in seiner Berufsausübung verletze, erfolgte erstens die Nachfrage des Journalisten bei der Nato mit der Antwort, die Entscheidung beruhe auf einem Negativvotum des BKA und dann zweitens durch den Anwalt eine Eingabe an den Datenschutzbeauftragten des BKA. Das BKA bekommt nämlich - dies ist der uns vorliegenden Antwort des BKA vom 31.3.09 zu entnehmen - nach einem mit der NATO vereinbarten, standardisierten Verfahren, die persönlichen Daten eines Bewerbers um Akkreditierung von der NATO-Pressestelle übermittelt und führt daraufhin einen Datenabgleich im Polizeilichen Informationssystem (INPOL) durch. Auf Grundlage dieser Daten erfolgt dann eine Empfehlung an die NATO, als "Negativvotum" oder "Positivvotum".

Im vorliegenden Falle wurde das "Negativvotum" des Bundeskriminalamts begründet mit angeblich staatsschutzrelevanten Erkenntnissen aus der BKA-Aktenhaltung, Auskünften der Landeskriminalämter Berlin und Düsseldorf sowie INPOL - letzteres bewertet den Journalisten als "Straftäter linksmotiviert". Als Grundlage dienten die Informationen, er habe sich 2005 bis 2007 aktiv an Aktionen der linken Szene beteiligt, wenn auch ohne "Anhaltspunkte für eine rechtskräftige Verurteilung", aber durchaus auch die Informationen, dass die Verfahren eingestellt wurden, er in einem Fall freigesprochen und nur ein Verfahren nach wie vor offen ist. Nicht berücksichtigt wurde auch die seit dem mehrfach erfolgte Berichterstattung des Journalisten bei ebenfalls "sicherheitsrelevanten" Veranstaltungen, bei der sein Verhalten keine negativ Prognose rechtfertigte.

Da das BKA es im genannten Schreiben ablehnte, das "Negativvotum" zu widerrufen, erfolgte am 31.3.09 beim Verwaltungsgericht Wiesbaden ein Antrag auf einstweilige Anordnung, 1. das "Negativvotum" zu widerrufen und 2. ein "Positivvotum" zu erteilen. Weder seien die angeführten Informationen ausreichend für einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Berufsausübung, noch gäbe es eine Rechtsgrundlage für die erfolgte Übermittlung personenbezogener Daten an die NATO.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden entschied am gleichen 31.3.09 (siehe Anlage pdf-Datei) und das Gericht ist dabei der Argumentation von Alain Mundt vollständig gefolgt. Es sieht keine Rechtsgrundlage für die Dund die angestellte Gefahrenprognose sei lückenhaft, da die Eintragungen in der Polizeidatei INPOL nicht überprüft worden seien. Lustig in dem Zusammenhang ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts zu polizeilichen Datensystemen: "Ein Regelsatz, dass in polizeilichen Informationssystemen eingestellte Daten bzw. bei den aktenführenden Dienststellen vorhandene Unterlagen vollständig sind, gibt es nicht. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall."

Das BKA soll nun das "Negativvotum" zurückziehen, zudem wird das BKA verpflichtet, "gegenüber dem Nato-Hauptquartier zu erklären, dass jegliches Votum bezüglich Journalisten durch das BKA gegenüber dem Nato-Hauptquartier wegen fehlender Rechtsgrundlage unzulässig ist". Der Antrag auf Umwandlung in ein "Positivvotum" musste daher folgerichtig durch das Verwaltungsgericht abgelehnt werden.

Gegen den Beschluss des VG kann Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel eingelegt werden.

Eine fast wortgleiche Entscheidung liegt der LabourNet-Redaktion auch im Falle des Le Monde Diplomatique-Journalisten vor. Die Entscheidung der Nato-Pressestelle wurde uns gerade mitgeteilt: Sie lehnt die Akkreditierung von Björn Kietzmann ab, angeblich nun ganz eigenständig und fühlt sich juristisch auf der sicheren Seite - da keiner juristischen Seite unterstellt..

Redaktion LabourNet Germany, 02.04.2009 11:11

Siehe dazu auch:

  • Die Einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden pdf-Datei ( Az: 6 L 353/09.WI)

  • NATO/BKA: Weitergabe von Daten des BKA an das NATO-Hauptquartier nicht zulässig - dju begrüßt Gerichtsentscheid
    "Die dju in ver.di begrüßt nachdrücklich die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in zwei Fällen (6 L 353/09.WI und 6 L 354/09.WI) , in denen gleichlautend die Weitergabe von Daten durch das Bundeskriminalamt in Wiesbaden an das Nato-Hauptquartier "wegen fehlender Rechtsgrundlage" für unzulässig erklärt wurde. Das BKA wurde aufgefordert, jegliches Votum für oder gegen eine Presseakkreditierung der Antragsteller zurückzunehmen. Beide Antragsteller hatten gegen die Ablehnung ihrer Akkreditierung beim NATO-Gipfel geklagt, die mit Entscheidungen bzw. Informationen des Bundeskriminlamts in Wiesbaden begründet wurden." Pressemitteilung vom 01.04.2009 externer Link

  • Rechtsnachhilfe für das Bundeskriminalamt
    Negativvotum an NATO rechtswidrig: BKA darf laut Gerichtsurteil keine schwarzen Listen für Journalisten anfertigen. Artikel von und bei Ulla Jelpke vom 02.04.2009 externer Link

  • Arbeit in- und ausländischer Sicherheitsbehörden anlässlich des NATO-Gipfels
    Antwort auf Kleine Anfrage externer Link pdf-Datei der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag?delen, Diether Dehm, Heike Hänsel, Inge Höger, Norman Paech, Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion DIE LINKE vom 24.3.09 (Drucksache 16/12204)

  • NATO verweigert Akkreditierung von Journalisten. Über die Grundlagen für ihre Entscheidung gibt die Pressestelle des Militärbündnisses keine Auskunft
    Artikel von Peter Muehlbauer in telepolis vom 27.03.2009 externer Link

  • »Die NATO ist rechtlich nicht zu belangen«. ND-Journalist klagt gegen Gipfel-Ausschluss / Frankreich verweigert Demonstranten die Einreise.
    Artikel von Velten Schäferin ND vom 1.04.2009 externer Link

  • BKA: "Straftäter linksorientiert". Akkreditierungspraxis für NATO-Gipfel rechtswidrig
    "Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat in einem Eilverfahren die Akkreditierungspraxis für den NATO-Gipfel in Baden-Baden, Kehl und Straßburg und insbesondere auch das Agieren des Bundeskriminalamtes (BKA) für rechtswidrig erklärt. Den Eilantrag hatte ein Fotojournalist gestellt, nachdem ihm die Akkreditierung verweigert worden war, wie das VG am Mittwoch mitteilte. Grundlage für die Ablehnung war ein Negativvotum des Bundeskriminalamtes (BKA), weil der Mann im polizeilichen Informationssystem INPOL mit dem Hinweis "Straftäter linksorientiert" geführt wurde. Die Journalisten-Verbände begrüßten die Entscheidung des Gerichts." Artikel bei ngo vom 01. April 2009 externer Link

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