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Updated: 18.12.2012 15:51
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Euro-afrikanischer Gipfel zur Migrationspolitik in Paris: Ein Glied in einer Kette offizieller Konferenzen

Erheblicher Druck auf Auswanderungsländer. Mali verweigert Erpressung

Die französische Ratspräsidentschaft, die am 31. Dezember dieses Jahres zu Ende geht, wird ihn sich als einen ihrer Verdienste ans Revers heften: den Euro-afrikanischen Gipfel zur Migrationspolitik, der am Dienstag, 25. November 2008 in Paris stattfand. Schon zuvor hatte die französische Ratspräsidentschaft im Laufe ihrer sechsmonatigen Amtszeit die Einwanderungspolitik zu einem ihrer Schwerpunktthemen erhoben. Daraus resultierte u.a. der "Europäische Pakt zu Migration und Asyl", der am 15. Oktober 2008 durch die in Brüssel versammelten Staats- und Regierungschefs der Union abgesegnet worden ist. (Anstatt, wie ursprünglich vorgesehen war, durch einen eigenen zweitägigen Gipfel am 13./14. Oktober in Paris debattiert und beschlossen werden. Damals schien die Finanzkrise dringlichere Prioritäten vorzugeben, so dass der ursprüngliche Terminkalender über den Haufen geworfen wurde.) Ihm folgte am 3. und 4. November 2008 der "Integrationsgipfel" der Europäischen Union. Auch hier ging es um den Umgang mit Einwanderern, und Präsident Nicolas Sarkozy sowie sein Minister "für Zuwanderung und nationale Identität" Brice Hortefeux hatten sich als Austragungsort dafür geschmackvoller Weise Vichy ausgesucht.

Von Vichy nach Calais

Bei dem ganzen Gipfeltheater zeichnete sich ein Herangehen ab, das sich auf den Punkt "Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen" bringen lässt. Zusammenfassend bedeutet das, dass einerseits immer dichtere Integrationsmaßnahmen für die "legal" in Europa lebenden Einwanderer beschlossen werden - die aber auch verschärften Druck beinhalten, wie etwa die Aufforderung zur Absolvierung von Sprachkursen oft schon im Herkunftsland von Migrationswilligen sowie zur Aneignung von "Kultur und Geschichte" des jeweiligen "Aufnahmelands". Auf der anderen Seite werden Abschiebe- und "Entfernungs"maßnahmen für die "ungesetzlichen" respektive unerwünschten Immigranten intensiviert, und die jeweiligen nationalen Praktiken zwischen den Mitgliedsländern "harmonisiert".

Sinnfälliger konkreter Ausdruck dieses Bestrebens sollte der gemeinsame britisch-französische Sonderflug zur Abschiebung einer größeren Zahl afghanischer Staatsbürger/innen (in aller Regel Kriegsflüchtlinge) aus beiden Ländern werden. Am 08. November hob das Flugzeug aus London ab, und ursprünglich sollte es im nordfranzösischen Calais oder in Paris Station machen. Dort, in der Umgebung des Ärmelkanals, harren zahllose afghanische und irakische Flüchtlinge auf Gelegenheiten zur Überfahrt auf die britischen Inseln - wo der Arbeitsmarkt noch relativ "aufnahmefähig" sein soll, d.h. (infolge der "Deregulierung") zahlreiche, aber in aller Regel schlecht bezahlte und ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse "bietet". Auch aus sprachlichen Gründen zieht es Afghanen und Iraker - die, als Spätfolge der Aufteilung der Welt während der Kolonialära, meist Englisch als erste Fremdsprache lernten - eher auf die britischen Inseln denn nach Frankreich, das ihnen als Durchreiseland dient. Nachdem das frühere Durchgangslager des Roten Kreuzes in Sangatte, das ihnen als faktische Anlaufstelle diente, 2002/03 auf gemeinsamen Beschluss des französischen (damals Sarkozy) und britischen Innenministers hin geschlossen wurde, irren die Flüchtlinge durch die Wälder und übernachten auf öffentlichen Plätzen. In jüngster Zeit häufen sich Festnahmen in Wild-West-Manier. 57 in Calais und Dunkerque festgenommene Afghanen sollten so, per gemeinsamem britisch-französischem Abschiebeflug, in Richtung Kabul zurückgeschickt werden. (Vgl. Artikel externer Link)

Dagegen machten jedoch eine Reihe von NGOs und Vereinigungen der "Zivilgesellschaft" entschlossen Front. Unter ihnen die protestantische Hilfsorganisation CIMADE - die im Zweiten Weltkrieg jüdischen Menschen die Ausreise oder Flucht ermöglichte, und sich heute v.a. um Asylsuchende kümmert -, der GISTI (eine in Paris ansässige Rechtsberatungsgruppe für Immigranten), die "Association Salam", die am Ärmelkanal Nahrungsmittelverteilung und humanitäre Betreuung für die Flüchtlinge übernimmt, oder die grüne Europaparlaments-Abgeordnete Hélène Flautre. Sie verwiesen auf das warnende Beispiel des Afghanen Mohammed Hussein, dessen Asylantrag in Australien abgelehnt worden war und der kurz nach seiner Ankunft in Afghanistan enthauptet wurde. (Vgl. Artikel externer Link) Dennoch liefen die Vorbereitungen zunächst auf Hochtouren; Gerüchten zufolge sollte der afghanische Konsul am 7. November in der nordfranzösische Abschiebehaftanstalt Coquelles auftauchen, um "seine" Staatsbürger zu identifizieren und ihnen gültige Reisedokumente (einen diplomatischen "Passierschein") auszustellen. Unterdessen geriet die "Association Salam" unter Druck, eines ihrer Mitglieder wurde bei der alltäglichen Arbeit mit afghanischen Flüchtlingen (vorübergehend) festgenommen. Aber war am Ende der Druck doch stärker, oder gab es zwischenstaatliche Probleme, welche die Tätigkeit des Diplomaten erschwerten? Jedenfalls verzichtete Frankreich am Ende auf seine Teilnahme an dem Abschiebeflug. Der Flieger machte weder in Calais noch in Paris Station.

Euro-Afrikanische Ministerkonferenz

Nun also der euro-afrikanische Regierungsgipfel zur Migrationspolitik. Er sollte ursprünglich am 22. Oktober in Paris stattfinden, wurde dann aber auf den 25. November 2008 verschoben. Auch hier hatte die Finanzkrise den Kalender durcheinander gewirbelt. An dem Gipfel nahmen insgesamt nicht weniger als 80 Regierungsdelegationen teil: Der afrikanische Kontinent zählt 53 Staaten, und die Europäische Union 27 Mitliegsländer. Es war die zweite Konferenz dieser Art, die Folgekonferenz eines ersten Gipfeltreffens, das 2006 in der marokkanischen Hauptstadt Rabat stattgefunden hatte.

Einer der Hauptgegenstände des interkontinentalen Gipfels war es, den afrikanischen Herkunftsländern von (in Europa unerwünschten) Immigranten so genannten Rücknahme-Abkommen schmackhaft zu machen. Im "Tausch" gegen bestimmte Unterstützungszahlungen oder "Entwicklungshilfe" sollen die afrikanischen Staaten sich zur Entgegennahme von Abgeschobenen aus Europa, sowie zur guten Zusammenarbeit bei der Ausstellung diplomatischer "Passierscheine" durch ihre Konsulate, verpflichten. Oder aber es winken ihnen relativ vorteilhafte Anwerbeabkommen für eine begrenzte Zahl von Arbeitskräften - als Träger/innen bestimmter, im Augenblick auf dem europäischen Arbeitsmarkt besonders nachgefragter Qualifikationen. Von der Anwerbung solcher ausgewählter, mit mehr oder minder "raren" oder gesuchten Qualifikationen ausgestatteter Arbeitskräfte sollen die afrikanischen Regierungen sich Überweisungszahlungen in deren Herkunftsländer versprechen. Allerdings ist dies eine Milchmädchenrechnung, denn die weniger "privilegiert" behandelten, auch die "unerwünschten" Zuwanderer suchen ja abhängige Beschäftigungsverhältnisse - und auch von ihren Überweisungen leben mitunter halbe Familien oder Dorfgemeinschaften. (Nicht, dass es sich dabei um ein Patentrezept für die Überwindung struktureller "Unterentwicklung" in den betroffenen Ländern handeln würde. Denn dieser Wirtschaftsfaktor "Geldtransfer von Migranten an ihre Familien" schafft und vertieft Ungleichheiten innerhalb der betreffenden Gesellschaften. Aber solange der "ungleiche Tausch" im Nord-Süd-Verhältnis und besonders in Afrika - d.h. Plünderung von unverarbeitet abtransportierten Rohstoffen gegen magere Devisenzahlungen an notorisch korrupte Regimes, die jeweils der Selbstbedienung einer schmalen Klientel dienen - fortdauert, bleibt dies ein wichtiger "Entwicklungsfaktor". Zumal diese "privaten" Geldtransfers eine globale Höhe aufweisen, die mindestens drei mal so hoch liegt wie die offizielle "Entwicklungshilfe"...)

Bislang bestehen solche Abkommen vor allem auf bilateraler, zwischenstaatlicher Ebene, besonders zwischen Frankreich oder Spanien einerseits und einer Reihe vorwiegend westafrikanischer Staatsführungen andererseits. Nunmehr plant Marokko, das bereits mehrere solcher Vereinbarungen unterzeichnet hat, den Abschluss eines globalen Abkommens solcher Art mit der Europäischen Union - vertreten durch die Brüsseler Kommission - im Laufe des Jahres 2009. An solchen "Modellfällen" sollten die Teilnehmer der euro-afrikanischen Regierungskonferenz sich nun ein Beispiel nehmen. (Vgl. dazu die Erklärung des "Netzwerks MigrEurop", die von "gefährlichen Abkommen" spricht: http://www.gisti.org/spip.php?article1291 )

Just in den Stunden vor der Eröffnung des Pariser Gipfels schloss Frankreich ein weiteres solches bilaterales Abkommen, mit den Kapverdischen Inseln. Es wurde am 24. November in Paris vom französischen Ministerlein Brice Hortefeux sowie dem kapverdischen Außenminister, José Brito, unterzeichnet. (Vgl. Artikel externer Link) Das wichtigste dieser Abkommen, das eine Verpflichtung zur "Rücknahme" unerwünschter Immigranten aus Frankreich sowie die Anwerbung von 1.500 ausgesuchten Arbeitskräften im Senegal betrifft, schlossen die französische und die senegalesische Regierung im Februar 2008. Allerdings ist es derzeit noch nicht anwendbar, da es noch seiner Ratizifierung durch das französische Parlament harrt. Und dort soll es im bürgerlich-konservativen Lager noch gewisse "passive Widerstände" gegen die vom Hortefeux-Ministerium gezielt verfolgte Politik der "ausgewählten Zuwanderung" geben.

Ein Land hat nun dem mächtigen Druck, den Frankreich entwickelte, um am Tag des Gipfels über "vorzeigbare Ergebnisse" verfügen - und den anderen Protagonisten die "Methode" schmackhaft machen - zu können, vorerst widerstanden. Seit nunmehr zwei Jahren hatte Frankreich subtilen oder unsubtilen Druck auf die westafrikanische Republik Mali ausgeübt, finanzielle Erpressungs- und Anlockmanöver durchgeführt usw., um sie zuir Annahme zu bewegen. Nun hat die Regierung in Bamako (eine von insgesamt zwei demokratisch gewählten Regierungen in der französischen postkolonialen Einflusszone in Nord-, West- und Zentralafrika, die rund 20 Länder umfasst) das ihr "vorgeschlagene" Abkommen jedoch explizit ausgeschlagen. Es hätte am 25. November, am Rande des euro-afrikanischen Gipfels, unterzeichnet werden sollen; demnach hätte der Anteil jener durch Frankreich unerwünschten Migranten, denen das malische Konsulat in Paris während der Dauer ihrer Abschiebehaft (in Frankreich beträgt ihre zulässige Höchstdauer derzeit 32 Tage) gültige Reisedokumente ausstellt, von 30 auf 60 % verdoppelt werden sollen. Mali sagte jedoch "Njet". (Vgl. Artikel externer Link) Es handelt sich um eine positive Nachricht, auch wenn es ansonsten dabei bleibt, dass auch Mali vorläufig eine "gute" Zusammenarbeit mit den französischen und anderen Behörden bei der Auswahl der "guten" und der Zurückweisung der "schlechten" Immigranten betreibt. Erst vor einigen Wochen wurde in Bamako das internationale Zentrum CIGEM eröffnet, das der Auswahl und Anwerbung ausgesuchter Arbeitskräfte - nach Qualifikation, Gesundheitszustand usw. sortiert - unmittelbar vor Ort dient.

ZUM EURO-AFRIKANISCHEN GIPFEL VGL. ANSONSTEN NOCH FOLGENDE DOKUMENTE:

Bernhard Schmid, Paris


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