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Updated: 18.12.2012 15:51
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Die Tragödie in Ceuta - ein Zeugenbericht. Interview mit Helena von der Südgrenze in Ceuta

Übersetzung eines Interviews aus dem Italienischen mit einer Sozialarbeiterin aus Ceuta, die mit ihrer Gruppe die illegalisierten Menschen aus der Subsahara unterstützt, aus der frassanito-mailinglist vom 01.Oktober 2005

Außer der Wut über die absurde Tragödie an der Grenze zu Ceuta, der spanischen Enklave in Marokko, in welcher fünf Migranten aus der Subsahara gestorben sind und weitere 108 verletzt wurden, hat uns die Fotografie der rudimentären Leitern betroffen, gemacht aus Zweigen von Bäumen, die in den Wäldern gefunden wurden und die die Migranten hergestellt haben in dem hoffnungslosen Versuch die Grenzen der Festung Europa zu überschreiten. Leitern aus Holz um die Grenzen zu überklettern und gebrechliche Boote, von Marokko oder Lybien, versuchen die Küsten von Spanien oder Sizilien zu erreichen um es zu schaffen, in die zivile und moderne Welt Europas gelangen. Wie es bereits seit Monaten in kollektiver und organisierter Weise geschieht, zur Zeit von diversen Punkten der Umzäunung aus, haben es am vergangenen 29.September 600 dort versucht, aber nachdem sie den zweiten Zaun überwunden hatten, sahen sich die Subsaharianer - nach Augenzeugenberichten der Verletzten - eingekreist zwischen Gummigeschossen, die von Agenten der Guardia Nacional von spanischem Gebiet abgefeuert wurden und den Schüssen, die von der marokkanischen Seite kamen, der Polizei oder dem Militär. Die starke Erklärung, die von den Kollektiven und Gruppen kommt, welche die MigrantInnen unterstützen, soll den Druck auf die Grenzen von Ceuta und Melilla zu erhöhen, eigens während der Tage, in denen Spanien und Marokko sich in Sevilla trafen um über die illegale Migration und die Kontrolle der Grenzen zu diskutieren, um vor der Öffentlichkeit einen größeren Geldtransfer an Marokko zu rechtfertigen und die Migration von SubsaharianerInnen als Problem darzustellen. Jetzt haben alle Angst vor einer nicht existierenden Invasion.

Die Verwundeten berichten von der Brutalität mit der die Agenten der Guardia Civil vorgegangen sind Tränengas werfend, Gummigeschosse und in die Luft schießend. "Es gab überall Blut, die Leute schrien, es war schrecklich. Ich dachte nur ans Rennen, ohne nach hinten zu sehen. Ich habe Schüsse gehört, viele Schüsse" erzählen sie.

Das Kollektiv Südgrenze ist in ständigem Kontakt und bietet eine wirkliche Unterstützung für die subsaharianischen MigrantInnen.Wir haben Helena interviewt, die sich in diesen Stunden in Ceuta befindet.


Frage: In der Frühe des vergangenen 29. Septembers warst Du bei einem massenhaftem Versuch, die Grenze zu überwinden, die das marokkanische Gebiet von der spanischen Stadt Ceuta trennt in telefonischem Kontakt mit ihnen ... kannst Du uns erzählen, was in dieser dramatischen Nacht passiert ist ?

Antwort: Sie haben gegen 2.30 /3 Uhr morgens angerufen. Wir befanden uns zu diesem Zeitpunkt in Sevilla auf dem Gegengipfel und sie sagen uns, daß sie die zwei Zäune überwunden haben, die das spanische Gebiet von dem marokkanischen trennt und daß sie von der Guardia Civil umstellt sind und man sie sich nicht bewegen läßt und versucht - wie es normalerweise geschieht - sie illegalerweise auf marrokkanisches Gebiet abzuschieben.

Ich höre, ich höre es genau, spanische Stimmen - sicherlich von der Guardia Civil - die ihnen Befehle geben, sie sagen "Auf den Boden, setzt Euch", sie schreien und beleidigen: "Hurensöhne". In diesem Moment höre ich auch viele Schreie, Schmerzschreie von verletzten Leuten, die weinen. Die MigrantInnen erbitten medizinische Versorgung. Wir waren zwei Stunden in telefonischem Kontakt. Während dieser zwei Stunden und in den folgenden zwei Stunden ist keine medizinische Versorgung von Seiten des Roten Kreuzes angekommen. Es gab Momente großer Anspannung während dieser Telefonate, weil viele von ihnen aus dem Kongo und von der Elfenbeinküste waren und ich höre, daß die MigrantInnen anfangen um politisches Asyl zu bitten, sie rufen es auf französisch und spanisch.

Theoretisch dürfte man diese MigrantInnen nicht auf marokkanisches Gebiet ohne Verwaltungsverfahren zurückbringen. Einmal auf spanischem Gebiet müßte der Migrant eigentlich mit einem Übersetzer zum Kommisariat geführt werden und wenn er politisches Asyl beantragt, müssen die Genfer Konventionen von 1951 beachtet werden und ein Asylverfahren eingeleitet werden.

F: Wo werden die MigrantInnen jetzt gefangen gehalten ?

A: Es gibt verschiedene Gruppen. Einige sind auf dem Gebiet von Ceuta, hauptsächlich die Verletzten, die folglich nicht abgeschoben worden sind. Andere wurden nach Marokko gebracht, von der marokkanischen Polizei werden sie an der algerischen Grenze ausgewiesen. Andere sind versteckt in den marokkanischen Wäldern, wo es erschütternde Razzien der marokkanischen Polizei gibt.

F: Und Du, mit wem bist Du in Kontakt ?

A: Mit allen. Mit den Gefangenen in der Gendarmerie, da sie ein Handy versteckt haben, mit denen die in Ceuta sind. Jetzt werden wir einen Jungen aus dem Kongo treffen, der sich im Krankenhaus erholt und um Asyl gebeten hat. Er hat zwei Zehen des Fußes durch ein Projektil verloren und er bestätigt, daß die Schüsse von der Guardia Civil kamen. Er versichert, daß er mitten zwischen die beiden Zaüne gestürzt ist und daß ein Agent der Guardia Civil ihn nach Marokko abschieben wollte, obwohl er verletzt war. Es war ein National Polizist, der die Abschiebung verhinderte. Es wäre gegen das Gesetz gewesen.

F: Bisher gab es fünf Tote, kannst Du uns das bestätigen ?

A: Ja, es sind fünf. Es gibt ein Kind, von dem wir nicht wissen, ob es gestorben ist oder verletzt. Seine Mutter kommt von der Elfenbeinküste, während der Schwangerschaft bat sie um politisches Asyl, wurde aber auf total illegale Art auf marokkanisches Territoruim abgeschoben. Sie hat das Kind im Wald zur Welt gebracht und hat versucht, nach Spanien zu kommen mit ihrem Kind von drei Monaten auf dem Arm. Die Situation für Frauen ist in Marokko sehr schwierig, normalerweise gehen die Militärs bei den Razzien mit Gewalt vor und als eine Kriegswaffe werden fast alle vergewaltigt.

F: Du befindest Dich augenblicklich in Ceuta, wie ist die Situation jetzt, vor allen Dingen im Wald ?

A: Im Wald um Ceuta gibt es seit gestern eine permanente, beharrliche und anhaltende Razzia von marokkanischen Militärs.Die Leute sind versteckt ohne Zugang zu Nahrung, Wasser. Es sind dort schwangere Frauen, hier in dieser Kriegssituation. Die Fremdenlegion ist angekommen und ist mitten in der doppelten Umzäunung der Grenze um zu verhindern, daß MigrantInnen durchkommen.

Man muß daran erinnern, daß die illegale Grenzüberschreitung eine Ordnungswidrigkeit ist und keine Straftat. 5 Tote für eine Ordnungswidrigkeit erscheint mir total übertrieben. Man muß daran erinnern, daß auch die marokkanischen Quellen sagen, daß die tödlichen Kugeln vom spanischen Territorium kamen und die spanischen Quellen sagen, daß die Kugeln von marokkanischer Seite kamen. Ich will sagen, daß einer der beiden Staaten diese Personen getötet hat und das erfordert, daß man die Verantwortung aufklären muß.

F: Was sagen die Verletzten ?

A: Sie sagen, daß sie von beiden Seiten beschossen wurden: die erste und zweite Gruppe von spanischer Seite und die dritte von marokkanischer Seite aus.

Das was alle sagen ist, daß es viele Leute gab, die dagegen waren eine Aktion so zu machen. Es gab Leute, die von außen kamen um die Aktion zu provozieren und daß die marokkanischen Militärs sie drängten bis zu den Grenzbarrieren zu gehen. Sie hatten den Eindruck, daß jemand Interesse hatte ihnen eine Falle zu stellen. Das fällt unter anderem zusammen mit dem spanisch-marokkanischen Gipfel, wo die spanische Regierung vor der öffentlichen Meinung den Transfer von Geldern nach Marokko rechtfertigen mußte und Marokko von Spanien mehr Gelder fordert, indem sie die schwarzafrikanische Migration als Problem darstellt. Die Anzahl der subsaharianischen MigrantInnen in Marokko ist sehr reduziert. Hier spricht man von einer Invasion wenn 100 Schwarzafrikaner kommen, aber man spricht nicht von Invasion wenn - wie in der vergangenen Woche - ohne die Umzäunung zu überwinden aber auf anderen Wegen, hunderte von MigrantInnen aus Bangladesh und Indien, von denen wir nicht wissen von wo sie durchgekommen sind, aber wie auch immer auf illegale Art durch große Eingangstüren reinkamen. Aber davon redet man nicht.

Also, ich will sagen, daß hinter allen diesen Personen, die leiden es viele politische, strategische und ökonomische Interessen gibt und deshalb können sie sie in völliger Straflosigkeit umbringen.


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