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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Hallo Kollege Weiss, ich bin ver.di-Vertrauensleutesprecher (und Personalrat) in der Agentur für Arbeit in Nürnberg. Schon wieder muss ich Mitgliedern erklären, dass ver.di nicht zum Sturm der Arbeitsämter/agenturen aufruft. Kann Austritte noch verhindern. Meine Kollegen - die Mitarbeiter der Agentur - stehen bereits
seit längerer Zeit im Schussfeld der öffentlichen Kritik, der
Regierung, der Arbeitgeber, der Presse usw.. Da kommt es doch ganz gut,
dass mehrere Gruppen aufrufen die Agenturen zu besetzen, den Betrieb lahm
zu legen! labournet.de bietet vielfältige Informationen und Sichtweisen. Es ist eine wichtige Plattform, auf die nicht verzichtet werden darf. "Zensur" ist eine heikles Thema, aber sollte wirklich alles veröffentlicht werden? Einige Mitglieder haben dich - als ver.dianer - als einen Verantwortlichen für labournet ausgemacht, und damit auch für den AgenturSchluss. Ich habe ver.di an sich verteidigt. Zu deiner Person konnte ich nichts sagen, ich würde mich aber über deine Auffassung zu dieser ganzen Thematik freuen. Mit kollegialen Grüßen Lieber Kollege Meininger, auch wenn ich gegenwärtig (zeitweise) weit weg bin, bekenne ich, dass ich mich mitverantwortlich für diese Aktion fühle. Dass es in der BA viele KollegInnen gibt, die diese Aktion
als gegen sich gerichtet empfinden, kann nicht überraschen, dass
gerade in der BA dementsprechend eine Debatte darüber schwer ist,
kann ich nachvollziehen. Da würde ich zunächst einfach gerne
unterstreichen, dass ich mir nicht Das vorausgesetzt, möchte ich kurz drei Gründe anreissen, warum ich diese Aktion positiv und unterstützenswert finde - auch und gerade als verdianer. 1.Ich weiss positiv, auch aus meinen eigenen Erfahrungen
mit KollegInnen der Dortmunder BA (im übrigen auch als zeitweiliger
ehemaliger "Kunde"), dass es eine ganze Reihe von Beschäftigten
der BA gibt, die Hartz sozusagen das Hinterletzte finden. Und dies eben
nicht nur, weil es für sie schlechtere Arbeitsbedingungen, mehr Druck
usw bedeutet - was zutrifft. Sondern weil Hartz die Einführung des
Prinzips Bestrafung in die Arbeitsbeziehungen ist und sie diese politische
Beurteilung teilen und ablehnen. "Hartz" ist eben etwas anderes
als irgendeine der inzwischen zahllosen Sozialkürzungen oder ein
weiterer Konzessions - Tarifvertrag, - "Hartz" ist eine soziale Erstes gewerkschaftliches Prinzip müsste es demzufolge
meiner Meinung nach sein, die Position der Ablehnung des Hartzianertums
a) politisch inhaltlich zu stärken und b) in der Tat bei der Entwicklung
von Strategien zum Unterlaufen aus Hartz entstehender Anweisungen zu helfen,
denn: Es war schon bisher so und wird auch bei Hartz so sein, dass die
Beschäftigten der BA durchaus einen Spielraum haben, in dem sie sich
und die Erwerbslosen "bewegen" können. Die politische und
moralische Anforderung an die KollegInnen wäre demnach, genau das
zu tun - und zumindest in der Vergangenheit haben das auch viele, leider
nicht alle, getan. Eine Gewerkschaftsarbeit, die dies unterstützt,
das wäre das, was ich unter Einheitsgewerkschaft verstünde:
eben durchaus für alle da zu sein und all das zu unterstützen,
was die Menschen, die keine anderen für sich arbeiten lassen, zusammenbringen
kann. KollegInnen, die so handeln, werden auch von Erwerbslosen anders
beurteilt als jene, die Vollzug im Sinne des Gesetzes 2. Dass die KollegInnen der BA - wie viele andere - unter dem Terror des "Privatisierungsdrucks" stehen, sehe ich wohl. Allein hindert mich das leider nicht daran, eine echte Gänsehaut zu bekommen, wenn jemand dazu sagt "ich tue doch nur meinen Job". Ich will jetzt keine zu weitgehenden Paralellen ziehen, aber allein aus der Tatsache, dass politische Kräfte, die sicher weder die Interessen der BA Beschäftigten, noch erst recht jene der Erwerbslosen vertreten, ein Bestrafungsprinzip zum Gesetz erhoben haben abzuleiten, es wäre eine - wie auch immer begründete - berufliche Pflicht, diese Schritte aktiv mit zu tragen, erscheint mir ein sehr bequemer Weg. Klar haben die KollegInnen diese üblen Gesetze nicht gemacht. Sie sollen sie aber umsetzen - und wie oben angedeutet, dagegen gibt es - immer - Spielräume und an deren Nutzung wird appelliert. Denn ohne "Ausführende" tut sich jedes noch so reaktionäre Gesetz schwer. 3. Zu den Austrittsdrohungen: die gibt es sozusagen laufend - am meisten vollzogen werden sie in der Regel von Erwerbslosen. Wenn eine Gewerkschaft gesellschaftspolitisch umstrittene Positionen einnimmt, wird es eben unterschiedlichen Haltungen und Konsequenzen geben. Deswegen beispielsweise auf die Forderung nach einer einheitlichen Krankenversicherung - eben: zu Ungunsten der Privaten und ihrer Beschäftigten - zu verzichten, schiebt den Explosivstoff lediglich auf die lange Bank. Aus solchen Gründen ist es auch meine Meinung, dass unsere Gewerkschaft ein lupenreines Eigentor schiesst, wenn sie nicht deutlich - und praktisch - "Anti-Hartz" ist. Schliesslich: es liegt nahe, dass ich in diesem Falle schon
aus inhaltlichen Gründen für eine (breite) Veröffentlichung
der Aktion bin. Ich will Dir aber auch sagen, dass jeder Anklang an "Zensur"
auf meine Ablehnung stösst - sowohl im LabourNet Germany als auch
etwa auf der Mailingliste der Zur Debatte dieser Positionen stehe ich jedem und jeder ver.dianerIn und allen, die es wollen, zur Verfügung. Mit kollegialen Grüssen |