Was ist los mit den sozialen Bewegungen? Eine Replik auf Martin Bersing und andere
Artikel von Angelika Emrich-Pieper vom 28.1.2011
Ich sehe einen wesentlichen Schwächungsgrund der „sozialen Bewegungen“
darin, dass das Elitedenken und -verhalten nicht nur in großen
Organisationen, Verbänden und Parteien weit verbreitet ist. Nicht viel
anders verhält es sich unter den Aktivisten vieler Inis innerhalb der „sozialen Bewegung“. Auch herrschen wettbewerbsartige Isolierungs- und
Spaltungstendenzen vor, so nach dem Motto: Regel Nr. 1
jeder macht seins. Und: Wer kann es am besten? Wer ist spitze bzw.
schafft es an die Spitze? Nicht wenige Engagierte stößt das ab. Sie
haben keine Lust mehr auf elitedemokratische statt basisdemokratische
Entscheidungen. Der Kreis der Mitstreiter in Inis verkleinert sich
stetig. Einzelkämpferische Gegenwehr gegen unsoziale Verhältnisse
dagegen nimmt zu, wenn auch nicht öffentlich deutlich sichtbar.
Elitedenken und -handeln bleibt nicht ohne Folgen. Ein Beispiel:"Krachschlagen statt Kohldampf schieben". Wir haben es satt! – Demo am
22. Januar in Berlin – Erwerbslose demonstrieren mit.
Diesem Aufruf folgten nur wenige Betroffene. Von Nicht-Betroffenen ganz
zu schweigen. Die letzte Demo hier in Berlin hats mal wieder gezeigt.
Einfach peinlich! Und Aktivisten und Aktivistinnen von Inis und der
Gewerkschaft verdi, die lange verfeindet waren, gegeneinander gehetzt
haben, tun sich wieder zusammen. An sich zu begrüßen. Mein Eindruck ist
jedoch, dass hier eher aus der Not heraus gehandelt wurde. Der Schwund
des Sozialen soll nicht sichtbar werden. Ein nach außen hin propagierter
größerer partnerschaftlicher Zusammenschluss kann aber nicht darüber
hinweg täuschen, dass sich nur noch wenige Aktive zusammenschließen, zu
einem größeren als auch kleineren Kreis.
Die Individualisierungstendenz an vielen Orten hat viele Gesichter. Und
auch die Art des Kampfes der vielen Einzelkämpfer und
Einzelkämpferinnen. Aber auch Einzelne und einzelne aktive Kreise können
etwas bewegen. Aktuelles Beispiel: Der Berliner Wassertisch als
Initiator des Wasser-Volksentscheids.
Also, nicht resignieren, kämpferisches Potential ist vorhanden. Bleibt
nur immer wieder die Frage, die noch längst nicht beantwortet ist: Wie
kann man sich besser organisieren im sozialen bzw. gemeinschaftlichem
Kampf? Welche Strukturen schaden, welche nicht? Wie kommunizieren wir
wirklich miteinander? Aber auch: Welche Methoden führen zur Erschöpfung
und wütenden Reaktionen gegenüber jenen, die sich vereinzeln?
Einzelkämpferisch oder resignativ, was auch immer?
Abschließend: Ich bevorzuge eine Puzzle-Logik. Mein Beitrag ist ein
Puzzle-Teilchen. Nicht das Ganze!
Autonome und soziale Grüße von Angelika Emrich-Pieper
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