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23.06.2003
Im Folgenden soll die Notwendigkeit einer (inter-)nationalen Kampagne gegen die heute existierende Zwangarbeit in Gefängnissen erläutert werden. In einer Einführung (A) wird der juristische Hintergrund der Arbeitspflicht in Gefängnissen dargestellt um sodann im Hauptteil (B.), die Notwendigkeit einer innerhalb wie außerhalb der Gefängnisse zu führenden Kampagne gegen den Arbeitszwang zu begründen. Am Ende (C.) wird ein kurzer Ausblick gegeben werden, wie eine internationale Kooperation in diesem Bereich aussehen könnte.
Das preußische Gefängnishandbuch sah um das Jahr 1900 herum vier Hauptzwecke in der Arbeit der Gefängnisinsassen: diese sollten die Arbeit als Übel empfinden; sie sollten durch regelmäßige Tätigkeit, durch Ordnung und Gehorsam gebessert werden; der Gesundheitszustand sollte nicht durch Untätigkeit (in der damals obligatorischen, strengen Einzelhaft, der alle Insassen unterlagen) geschädigt werden und schlussendlich sollten sie nach der Entlassung (leichter) in der bürgerlichen Gesellschaft wieder Fuß fassen können. Ähnliche Regeln oder Vorstellungen finden sich auch in anderen Staaten.
Gemäß dem ILO (Internationale Arbeitsorganisation) - Übereinkommen von 1930, welches auch in und für Deutschland und den Großteil der Staaten der Welt gilt, unterliegt Zwangsarbeit im Strafvollzug ausdrücklich keinem Verbot. Mit dem Übereinkommen von 1957 wurde dies noch mal bestätigt (vgl. hierzu Alternativkommentar zum Strafvollzugsgesetz, 4. Auflage, vor § 37, RZ 37 ff).
Die für die Staaten des Europarates (nicht zu verwechseln mit der europäischen Union), zu denen bspw. Auch Russland und die Türkei gehören, wie sämtliche Staaten der EU, geltende Europäische Menschenrechtskonvention bewertet in Artikel 4 III Zwangsarbeit die im Gefängnis zu leisten ist als prinzipiell zulässig.
Bis zum 22.Juni 1987 galt in Frankreich Gefangenenarbeit als Teil der Strafe, sie war vorgeschrieben. Das an jenem Tag erlassene Strafvollzugsgesetz beseitigte den Zwang zur Arbeit. Zumindest auf dem Papier wurde die Arbeit zu einem Recht, erhielt also einen humanistischen Touch. (vgl. "Le monde diplomatique", Ausgabe Deutschland, Juni 2003, S. 21), da niemand mehr gezwungen werden durfte zu arbeiten.
Gemäß §41 Strafvollzugsgesetz sind Strafgefangene (und Sicherungsverwahrte) zur Arbeit verpflichtet, ein Verstoß hiergegen kann disziplinarisch, z. Bsp. Entzug von Vergünstigungen (Fernseher etc.) geahndet werden und führt zudem dazu, dass man die Gefangenen zur Zahlung von Haftkosten (für das Jahr 2003 ca. 360 Euro pro Monat) heranzieht. In seinem Urteil vom 01. Juli 1998 (bgl. Band 98, S. 169ff der Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgericht) betonte das höchste deutsche Gericht, dass Zwangsarbeit verfassungskonform sei. (vgl. den Beitrag des Autors: http://www.labournet.de/branchen/sonstige/knast/tmf.html)
Der industrielle Gefängniskomplex erweist sich heute mehr denn je national wie international als mächtige wirtschaftliche Größe. So verkündete im Frühjahr 2003 das baden-württembergische Justizministerium, dass alleine in seinem Ressort für 2001 die Gefangenen einen Gewinn in Höhe von 1,3 Millionen Euro erwirtschaften. (zitiert nach "Le monde diplomatique", S.21) Und ein Beispiel aus Groß-Britannien: Die Internet-Firma "Summit Media" zahlt Gefangenen etwa neun Pfund pro Woche an "Lohn", stellt aber die Arbeitsleistung der Gefangenen seinen Vertragspartnern in fünfstelliger Höhe in Rechnung (vgl. FRF I Juni/Juli 2003, S.13; http://www.rcgfrfi.easynet.co.uk)
Wenn Gefangenen, denen schon zwangsweise ihre Freiheit entzogen wird, ihr letztes "Gut", nämlich ihre Arbeitskraft, abgepresst wird, so verstößt dies in eminenter Weise gegen die Menschenwürde. Man braucht nicht auf Karl Marx zurückzugreifen, der schrieb, es sei die vornehmste Pflicht des Menschen jene Verhältnisse umzustürzen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, entrechtetes und geknechtetes Wesen sei. Auch so mancher Rechtsprofessor vertritt die Ansicht, dass der Arbeitszwang gegen die Würde der Insassen verstößt. (vgl. Prof. BEMMANN in "Strafverteidiger", Heft 11/1998, S. 604 - 605)
Der Mensch wird in seiner existenziellen Befindlichkeit vollständig in Frage gestellt, wenn er einer Ordnung ausgesetzt ist, in der er zum Objekt degradiert und ohne jede Möglichkeit, dem auszuweichen, zur Arbeitsleistung - und sei es "nur" mit psychischem Druckmitteln - gezwungen wird. Zum Kern der Menschenwürde zählt die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und assoziiert einem gestaltendem, bewusst handelndem Menschen - und nicht ein Wesen, welches zurückgeworfen auf sich selbst, seine Arbeitskraft zwangsweise dem Staat zur Verfügung zu stellen hat.
Man könnte meinen, dass dies letztlich nur die kleine (wenn auch immer größer werdende) Schar von "VerbrecherInnen" beträfe, diese sollten ruhig "büßen", im Schweiße ihres Angesichts. Eine solche Position würde verkennen, dass zunehmend in allen westlichen Industrienationen es faktisch zur Zwangarbeit auch für all die freien Menschen kommt, die nicht das Glück haben, über ein Millionenvermögen oder einen gut dotierten Job verfügen zu können. Das heißt betroffen ist das Millionenheer der Arbeitslosen (alleine in Deutschland ca. 5 Millionen) und die im Niedriglohnsektor Beschäftigten. Während die besitzende Klasse immer mehr Güter anhäuft wird systematisch die Gewährung von Sozialleistungen gekürzt und faktisch ein Zwang zur Aufnahme jeder Arbeit ausgeübt; in Deutschland wurde schon angedacht, jugendliche Arbeitslose zwangsweise in andere Regionen "umzusiedeln", falls dort eine Ausbildungsstelle für sie vorhanden wäre.
Werden dem nicht-arbeitenden Gefangenem in Deutschland jedes Taschengeld, Fernseher und andere "Vergünstigungen" gestrichen, so dass er/sie am Ende vom Hand in den Mund lebt (Anstaltsnahrung), reduziert auf 23 Stunden Zelle und eine Stunde Hofgang, so werden den freien BürgerInnen sämtliche Sozialleistungen gestrichen, so dass Obdachlosigkeit droht.
Die Parallelen zwischen "Freiheit" und Strafvollzug sind unübersehbar und deshalb ist es notwendig, dass gegen die Arbeitspflicht im Strafvollzug protestiert wird. Wer freiwillig arbeiten möchte und unter mehreren Angeboten auswählen kann, soll dies gerne tun, aber einen Arbeitszwang darf es nicht geben.
In Groß-Britannien beginnt sich erster Widerstand zu organisieren ("Campaign Against Prison Slavery", postalisch erreichbar unter: c/o The Cardigon Centre, Cardigon Road, Leeds, LS6 1LJ , Groß-Britannien), in den USA, aber auch in Deutschland sind erste Gefangenengewerkschaften angedacht, eine Vernetzung tut jedoch not. Bewerkstelligt werden kann eine wirkungsvolle Kampagne auch nur unter aktiver Unterstützung außerhalb der Gefängnisse.
Die Installation eines "Internationalen Tages gegen Zwangsarbeit" könnte helfen, die Thematik einer breiteren Schicht zugänglich zu machen. Von Seiten der Gefangenen ist Einsatz in Form von Streiks und ähnlichem ebenso notwendig wie sinnvoll (am Rande: während die deutsche Verfassung das Streikrecht zum Menschenrecht erhebt, wird selbiges den Gefangenen verwehrt), wobei die Bereitschaft auch von Insassen "persönliche Nachteile" in Kauf zu nehmen, - leider - zumindest in Deutschland, nicht überschätzt werden darf. D.h. es bedarf auch der politischen Schulung und Bewusstmachung innerhalb der Gefangenschaft!
Eine internationale Vernetzung könnte die Effektivität von Protesten erheblich erhöhen.
Thomas Meyer-Falk
c/o JVA - Z.3117
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Germany
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