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Der Autor dieser Einführung sitzt zur Zeit selbst in einer deutschen Strafanstalt ein und obwohl er in strikter Isolationshaft gehalten wird, sollte er Zwangsarbeit leisten, indem er tagsüber alleine in einer leergeräumten Isolationszelle Akkordarbeit verrichtet, um abends in der nebenan anliegenden Isolationszelle zu ruhen. Ein Ansinnen das er ablehnte, ihn aber veranlasst, sich erneut- mit dem Thema der "Zwangsarbeit im deutschen Strafvollzug" zu beschäftigen.
In der Bundesrepublik Deutschland ist im seit 1949 in Kraft getretenen Grundgesetz in Artikel 12 Absatz 3 geregelt, dass Zwangsarbeit (dieses Wort steht tatsächlich so in dem Verfassungstext) bei gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehung zulässig sei. Die Zwangsarbeit von vor 1949, insbesondere von 1933 bis 1945 in Arbeits- und Konzentrationslagern soll hier einmal beiseite gelassen werden, obwohl der Verfassungskonvent der die 1948 die o.g. Regelung zur Zwangsarbeit ausarbeitete, sich der historischen Bedeutung dieses Arbeitszwanges bewusst war. Ziel der o.g. Regelung soll gewesen sein, eine Herabwürdigung der Person durch Anwendung bestimmter Methoden des Arbeitseinsatzes, wie sie in totalitär beherrschten Staaten üblich sind, sicher auszuschließen (vgl. Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsberichts Band 74, 102, 108). Dabei wird stets unterstellt, dass der Arbeitszwang erst so recht dem Strafvollzug Sinn gebe.
Bis zum Jahre 1976 war der Arbeitszwang gesetzlich nicht näher ausgestaltet. Am 1.1.1977 trat sodann das Strafvollzugsgesetz in Kraft, welches auch für die Zwangsarbeit bestimmte Kriterien (siehe weiter unten Punkt B) aufstellte, u.a. einen Anspruch auf Entlohnung statuierte, der zu Anfang 5% des Bruttodurchschnittseinkommens von ArbeiterInnen und Angestellten betragen und Schritt für Schritt bis auf 40% ansteigen sollte. Im Laufe der Jahre nahmen relativ eintönige Arbeiten wie das bekannte Kleben von Tüten ab und wurden ersetzt durch handwerkliche Berufsausbildungen, wenn auch weiterhin das Gros des Umsatzes der Gefängnisbetriebe mit solchen Akkordarbeiten erzielt wird.
1998 urteilte das Bundesverfassungsgericht, freilich ohne dies näher zu begründen, dass Zwangsarbeit auch weiterhin zulässig sei, jedoch diese angemessen entlohnt werden müsse (BVerfGE Band 98, 169ff), woraufhin der Bundestag mit Wirkung vom 1.1.2001 die Entlohnung von 5% auf 9% anhob (d.h. von etwa 5,50 im Jahre 1999 auf nunmehr 10 , pro Arbeitstag und nicht etwa pro Arbeitsstunde!)
In der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte ist in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a festgelegt, dass das prinzipielle Zwangsarbeitverbot nicht für jene Menschen gilt, die rechtmäßig in Haft befindlich sind. Die Kommission zum Schutze der Menschenrechte hat in den 60`er Jahren entschieden, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Entlohnung nicht besteht.
Aufgrund der §§37 bis 45 Strafvollzugsgesetz ist nunmehr seit dem 1.1.1977 geregelt, dass den Gefangenen Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung zugewiesen werden soll, die dem Ziel dienen, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. Dabei habe die JVA darauf zu achten, dass die Zwangsarbeit (Zitat): "wirtschaftlich ergiebig" sei, vgl. §37 Abs.2 StrVollzGes. Die im "freien" Arbeitsleben gültigen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften seien zu beachten, wer 1 Jahr gearbeitet hat, dem stehen insgesamt 24 Tage Freistellung von der Arbeitspflicht zu. Bis zum Urteil des BVerfG vom 1.7.1998 wurde den Gefangenen ein "Taschengeld" für ihre Zwangsarbeit von 100 im Monat bezahlt; dies erachtete das BVerfG für zu niedrig, da auf diese Weise den Gefangenen der Wert ihrer Arbeit und die Sinnhaftigkeit nicht genügend verdeutlicht werde. Dem Gesetzgeber wurde Frist bis zum 31.12.2000 gesetzt um diesen Ist-Zustand zu ändern.
Während der Bundestag (unter SPD/Grüne) eine Erhöhung auf 15% des Durchschnittsbruttoverdienstes von "freien" BürgerInnen anstrebte, konnten sich die Bundesländer mit einer Erhöhung auf lediglich etwa 10 am Tag, also ca. 200 im Monat durchsetzen. Als Vergleichsgröße mag dienen, dass Heiminsassen Anspruch auf ca. 100 im Monat haben ohne hierfür eine Arbeitsleistung erbringen zu müssen.
Die auch heute noch den Gefangenen abgepresste Zwangsarbeit verstößt nach Ansicht des Autors gegen die Menschenwürde und sie reiht sich ein in eine globale Strategie von Konzernen und Regierungen, bei der Menschen möglich wenig selbstbestimmt und selbstbewusst, sondern viel mehr fremdbestimmt und am Rande des Existentminimums leben sollen, um die herrschenden Gewaltverhältnisse aufrechtzuerhalten.
In Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz heißt es, dass die Würde des Menschen unantastbar und Aufgabe aller staatlicher Gewalt es sei, diese zu achten und zu schützen.
Der Kern der Menschenwürde wird jedoch in Frage gestellt, wenn man den Menschen einer Ordnung aussetzt, in welcher ihm das Letzte an Besitz, nämlich seine Arbeitskraft, abgezwungen wird. Wer nicht der Zwangsarbeit nachgeht, wird von der Justiz dafür nachdrücklich bestraft. Dem Autor dieses Beitrages wird z.B. das Recht auf Informations- und Bildungsfreiheit verkürzt, da er weder ein TV-Gerät besitzen, noch an einem Fernstudium teilnehmen darf. Die Sanktionsmöglichkeiten sind freilich viel weiter gefächert: die Gefangenen die den Arbeitszwang ablehnen, erhalten automatisch keinerlei Taschengeld das sonst jenen ausgezahlt wird die z.B. krank oder sehr alt sind (etwa 30 im Monat beträgt dieses Taschengeld).
Gefangene die nicht, wie der Autor schon aus "Sicherheitsgründen" in Isolationshaft sitzen, können und werden ähnlich isoliert, dann aber aus "Gründen der Disziplin)".
Im übrigen vertreten auch vereinzelt Rechtswissenschaftler die Auffassung, dass die Zwangsarbeit in deutschen Strafvollzug die Menschenwürde verletzt (vgl. Prof. em. Bemmann in der Zeitschrift "Strafverteidiger" 1998, S. 604 605).
In den USA, aber auch in Groß-Britannien werden zunehmend Haftanstalten privatisiert, von großen Sicherheitstechnikkonzernen übernommen, welche nur noch an einer Maximierung des Profits interessiert sind; in Deutschland gibt es ähnliche Bestrebungen, seitens z.B. der Landesregierung in Hessen und seitens einiger Unternehmen.
Der Vollzugsalltag spiegelt dabei die Verhältnisse in der so genannten freien Gesellschaft wider! In Haftanstalten werden Gefangene nicht etwa an hochmodernen Maschinen ausgebildet und ihnen alle Wege geebnet um problemlos höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen, die ihnen nach ihrer Inhaftierung ermöglichen würden, außerhalb des Niedriglohnsektors einer Tätigkeit nachzugehen (nur nebenbei: sogar die sonst zu Recht viel kritisierte USA bietet Gefangenen mehr oder weniger die Möglichkeit zahlreiche akademischen Grade zu erwerben).
Angesichts der zunehmenden Arbeitslosigkeit und auch der Debatte, wie viel Recht ein Mensch auf "Faulheit" hat stellt sich die Frage, mit welcher ethisch-moralischen Berechtigung Staaten von Gefangenen, aber auch von freien BürgerInnen die Leistung von Zwangsarbeit einfordert. Der Autor ist der Ansicht, dass es keine Legitimierung für Zwangsarbeit gibt, vielmehr wird unter dem Deckmantel sozial-ethischer Motive eine Klientel an ArbeiterInnen vorrätig gehalten, damit die herrschenden Gewaltverhältnisse nicht destabilisiert werden (können). Denn die Menschen die acht Stunden am Tag hart arbeiten kommen verkürzt gesagt nicht allzu oft auf, in den Augen der herrschenden Klasse, "dumme Gedanken".
Solange der Lohn, oder das in Gefängnissen gezahlte "Entgelt" für Zwangsarbeit noch gerade ebenso zum überleben reicht, und mensch sich ein paar wenige Annehmlichkeiten zu leisten vermag, der Magen nicht knurrt, solange hält die Mehrheit der ArbeiterInnen und leider auch der Gefangenen still.
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA Z. 3117, Schönbornstr.
32, D-76646 Bruchsal, Germany
Quelle: I N F O P A R T I S A N
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