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Updated: 18.12.2012 15:51 |
exCHAINS: Vorgeschichte des Projekts und Austausch zwischen schwedischen, deutschen und bangladeschischen GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen von H&M und IKEA sowie deren Zulieferern, Deutschland + Schweden, November 2004 Eliza Begum ist 24 Jahre alt, angelernte Näherin, und arbeitet seit 6 Jahren an einer Nähmaschine in einer Bekleidungsfabrik in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Manchmal an 7 Tagen in der Woche näht Eliza die Nähte an den Halsausschnitten von T-Shirts und den Kragen von Hemden für den schwedischen Textil-Filialisten H&M - für einen Monatslohn von 27€ und ohne gewerkschaftliche Interessenvertretung. Sie ist Mitglied der NGFW (National Garment Workers Federation), einer Gewerkschaft , die sich bemüht, die Arbeiterinnen in der Bekleidungsindustrie Bangladeschs zu organisieren. Katrin Henning arbeitet seit 9 Jahren als Verkäuferin bei H&M in Berlin. Seit 2003 ist sie Betriebsrätin und Mitglied des Gesamtbetriebsrates von H&M in Deutschland. H&M ist ein äußerst erfolgreiches und expansives Unternehmen. Das Erfolgsrezept: Trendige Mode zu äußerst günstigen Preisen - mit den teuersten Top-Models aufwendig beworben. Einen großen Teil der Sortimente bezieht H&M aus Bangladesch. Agneta Ramberg ist seit vielen Jahren Gewerkschaftsvertreterin für die Beschäftigten von H&M im schwedischen Uppsala. Als Arbeitnehmervertreterin ist sie auch im Aufsichtsrat der schwedischen Konzernmutter in Stockholm vertreten. Die H&M-Beschäftigten in Schweden sind zu fast 90% gewerkschaftlich organisiert. Mitbestimmung und Arbeitnehmerbeteiligung gehören fast selbstverständlich zur Unternehmenskultur. Diese drei Frauen haben sich bei einem gemeinsamen Seminar in Deutschland kennen gelernt, ihre Erfahrungen ausgetauscht und Ideen entwickelt, wie internationale Solidarität ganz praktisch gemacht werden kann. "Direkte Kontakte zwischen Beschäftigten entlang der Zulieferkette der Textil- und Bekleidungsindustrie und des Einzelhandels" - diese Idee ist im Projekt "ExChains" entstanden und hat im Falle H&M inzwischen zu sehr konkreten Ergebnissen geführt. Das ExChains-Projekt ist ursprünglich aus einer Idee des "Arbeitskreis International" bei ver.di Mannheim entstanden. Beschäftigte bei Wal-Mart, H&M, IKEA und anderen Einzelhandelsunternehmen wollten wissen, unter welchen Bedingungen die Waren, die sie verkaufen, hergestellt werden. Mit Hilfe von TIE, einem internationalen Netzwerk von GewerkschaftsaktivistInnen, konnte mit unabhängigen Textil- und Bekleidungsgewerkschaften in Sri Lanka und Bangladesch Kontakt aufgenommen werden. 2002 wurde eine Reise nach Sri Lanka organisiert. Der Besuch, bei dem deutsche Verkäuferinnen die Arbeitsbedingungen in den sogenannten Freien Produktionszonen kennen lernten, hat tiefe Eindrücke hinterlassen. "Am wichtigsten für uns war zu lernen, dass es nicht einseitig darum geht, aus dem reichen Westen den Menschen in den Herstellerländern zu ,helfen'", fasst eine H&M-Betriebsrätin zusammen. "Nötig ist vielmehr, dass wir uns gegenseitig dabei unterstützen, unser Recht auf gewerkschaftliche Organisierung durchzusetzen." Dabei spielt natürlich der öffentliche Druck eine wichtige Rolle, den Beschäftigte, Gewerkschaften und kritische VerbraucherInnen auf europäische Handelsunternehmen ausüben können, wenn diese ausbeuterische Verhältnisse bei ihren Zulieferbetrieben in der Dritten Welt zulassen. Das ist auch der Grund, warum viele Handelskonzerne sich inzwischen gezwungen sehen, die Grundsätze ihrer "sozialen Verantwortlichkeit" in sogenannten "Codes of Conduct" festzuschreiben - Selbstverpflichtungen zur Einhaltung bestimmter sozialer Mindeststandards, auf die auch Zulieferer vertraglich verpflichtet werden. Der beste Verhaltenskodex nützt jedoch überhaupt nichts, wenn seine Einhaltung in den Fabriken nicht konsequent, wirkungsvoll und unabhängig kontrolliert wird. Daher haben wir im Rahmen des ExChains-Projektes Schritte für ein alternatives Monitoring bei Zulieferern entwickelt, zu deren Umsetzung wir die Handelsunternehmen im Rahmen der Projektaktivitäten immer wieder auffordern und weiterhin auffordern werden. Das ExChains-Projekt ist inzwischen in drei Ländern (Bangladesch, Sri Lanka, Deutschland) stabil verankert. Dort existieren jeweils lokale Basisgruppen, die sich regelmäßig treffen, Perspektiven und Strategien diskutieren und das Projekt konkret weiter vorantreiben. Ein erster konkreter Schritt im ExChains-Projekt bestand darin, herauszufinden, welche Bekleidungsfabriken in Sri Lanka und Bangladesch für welche Händler in Deutschland produzieren. Die Liste ihrer Zulieferer wird nämlich von den meisten Unternehmen streng geheim gehalten - wenn auch inzwischen einige Unternehmen eine lobenswerte Ausnahme machen (z.B. Nike, Puma, Levis). Die bei ExChains engagierten Kolleginnen sammelten deshalb zunächst "Labels" - die in die Kleidungsstücken ihrer Sortimente eingenähten Markenzeichen. Diese wurden zu den Partnergewerkschaften nach Asien geschickt und dort den Näherinnen in den Fabriken gezeigt. Auf diese Weise gelang es der Gewerkschaft NGWF in Bangladesch, in einem ersten Schritt 5 Zulieferer für H&M ausfindig zu machen. Die GewerkschafterInnen dokumentierten die Arbeitsbedingungen sowie tlw. reihenweise Verstöße gegen nationales Arbeitsrecht und gegen die im Kodex von H&M festgelegten Grundsätze. Als wichtigste Forderungen formulierten sie:
Bei dem Seminar im November 2004 berichteten Eliza und zwei VertreterInnen der Gewerkschaft NGWF hautnah von den Arbeitsbedingungen. Im Anschluss fuhren sie gemeinsam mit VertreterInnen von ver.di, des H&M-GBR und TIE nach Schweden. Die Gruppe traf sich in Stockholm u.a. mit Ingrid Schullström, bei H&M verantwortlich für "Soziales und Umwelt", und damit eben auch für die Umsetzung des Unternehmenskodex. H&M bemüht sich in der Öffentlichkeit sehr um ein positives Image und entwickelte einen Kodex, der o.g. und andere Rechte enthält. Während des Gesprächs in Stockholm erkannte das Unternehmen die Probleme an und versprach Bemühungen zur Aufklärung. Konkret stimmte das Unternehmen zu,
In Deutschland tut sich H&M mit der Akzeptanz von Betriebsräten und ihrer Mitbestimmungsrechte bislang noch recht schwer. Inzwischen ist es in ca. 15 Prozent der deutschen H&M-Filialen gelungen, einen Betriebsrat zu gründen (Tendenz: steigend). Dies musste jedoch überwiegend gegen massive Behinderungen durchgesetzt werden - welche im Extrem bis zu persönlichem Mobbing der KandidatInnen gingen. Auch nach der Einrichtung von Interessenvertretungen wurde deren Arbeit tlw. praktisch gewohnheitsmäßig erschwert. Eine Studie des TIE-Mitarbeiters Heiner Köhnen über diese Behinderungen bei H&M ist gerade fertig gestellt und wird demnächst in der Edition der Hans-Böckler-Stiftung erscheinen. Siehe auch: Austauschbesuch deutscher GewerkschafterInnen von H&M, WalMart sowie aus der Textilindustrie nach Bangladesch, Februar/März 2005 |