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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Lieber Kollege Peters,

hiermit protestieren wir gegen den geplanten Ergänzungstarifvertrag zwischen der IGM-Küste und Philips Semiconductors Hamburg.

Die wirtschaftliche Situation bei Philips Semiconductors ist im Moment hervorragend. Unser Betrieb ist seit Monaten voll ausgelastet, es werden jeden Monat hunderte Überstunden gefordert und geleistet und es sind einige hundert Leiharbeiter beschäftigt, deren Zahl weiter steigt. In so einer Situation als Gewerkschaft über Lohnverzicht und unbezahlte Mehrarbeit zu verhandeln ist absurd. Als blanken Hohn empfinden wir es, wenn die 500 außertariflichen Spitzenverdiener am Jahresende mit einem Extrabonus belohnt werden, während man gleichzeitig uns Tarifmitarbeitern das Weihnachtsgeld kürzt.

Die Geschäftsleitung von Philips droht offen mit negativen Konsequenzen für Standort und Arbeitsplätze für den Fall, dass die Tarifverhandlungen scheitern. Diese Drohkulisse ist Bestandteil jeden Arbeitskampfes und kann von Arbeitgeberseite jederzeit von neuem aufgebaut werden. Wenn eine Gewerkschaft dieser Argumentation folgt und erpressen lässt, verliert sie ihre Existenzberechtigung. Denn selbst wenn die Beschäftigten der Erpressung nachgeben und Lohnverzicht üben, werden die Arbeitsplätze dadurch nicht sicherer. Es gibt keine verbindlichen Investitionszusagen oder Beschäftigungsgarantien. Ein Ergänzungstarifvertrag ist keine "Versicherung" gegen Standortschließung. Wir sind der Meinung, dass ein Scheitern der Verhandlungen ein "kleineres Übel" für uns wäre, als dieser erpresste Ergänzungstarifvertrag!

Die Gewerkschaften haben immer argumentiert, dass eine allgemeine Erhöhung der Arbeitszeit zu einer Gefährdung von Arbeitsplätzen führt. Der geplante Ergänzungstarifvertrag bedeutet die Preisgabe der 35-Stunden-Woche in einem voll ausgelasteten und profitablen Unternehmen. Weiterhin muss man berücksichtigen, dass man durch das Zugeständnis von unbezahlter Mehrarbeit ein Tabu bricht, was mit Sicherheit in Zukunft weitere unverschämte Forderungen nach sich ziehen wird. Der geplante Tarifvertrag würde uns in einen Wettlauf um die schlechtesten Arbeitsbedingungen treiben, bei dem wir nur verlieren können.

Während des seit über einem Jahr andauernden Konfliktes sind in unserem Betrieb gewerkschaftliche Strukturen entstanden, die es so vorher nicht gab. Es gibt einen gar nicht so kleinen aktiven, harten Kern von Kollegen, die in der Lage sind ihre Interessen zu erkennen und Widerstand zu organisieren. Diesen aktiven Kollegen fällt man mit dem Ergänzungstarifvertrag in den Rücken und demotiviert sie, sich in Zukunft weiter für die IGM zu engagieren. Wir haben nicht 18 Monate erfolgreich Widerstand geleistet, um am Ende mit einem faulen Kompromiss zu kapitulieren.

Was uns ganz besonders ärgert ist, dass die Gewerkschaft sich mit dem Abschluss dieses Ergänzungstarifvertrages gegenüber gemaßregelten Kollegen (Abmahnungen, Schadenersatzforderungen, Aussperrungen und Kündigungen) grob unsolidarisch verhält, da die enthaltene Maßregelungsklausel nur unverbindlich und allgemein gehalten wurde. Damit gibt man der Firma die Möglichkeit nach Gutdünken den Zusammenhang der Maßregelung von unbequemen Kollegen mit der Tarifauseinandersetzung zu leugnen, was auch geschieht.

Jutta Blankau, die sich an den Interessen der Mitglieder und der Tarifkommission vorbei sehr für diesen "Kompromiss" einsetzte, schrieb in einem sehr guten Aufsatz mit dem Titel "Mut zur Gerechtigkeit" externer Link: ". sollten wir uns darauf besinnen, dass die Stärke der Gewerkschaften sich auf zwei Grundpfeiler stützt: Die Solidarität der Beschäftigten und die Stärke im Betrieb für eigene Forderungen zu streiten und zu kämpfen. Schaffen es die Gewerkschaften hieran wieder anzuknüpfen und darauf neue Antworten zu geben, dann müssen sie sich um ihre Zukunft keine Sorge machen. .die Gewerkschaften haben es selber in der Hand wieder eine wichtige, ernstzunehmende Gegenmacht zu sein."

Schade, dass Theorie und Praxis sich auch in diesem Fall so widersprechen. Aber "Mut zur Gerechtigkeit" ist offenbar nicht genug. Es bedarf auch des Mutes zu Ehrlichkeit und Verlässlichkeit, um notwendiges Vertrauen zu gewinnen und aktive Mitglieder für die Gewerkschaft zu werben und zu begeistern. Mit ihrem Verhalten in dieser Auseinandersetzung schadet Frau Blankau ihrer Gewerkschaft massiv, verletzt alle gewerkschaftlichen Prinzipien und wird, wenn dieser Tarifvertrag zustande kommt, den Austritt von vielen Gewerkschaftsaktivisten zu verantworten haben.

Wir appellieren an Eure Verantwortung als Gewerkschaftsführer und fordern Euch auf diesen Ergänzungstarifvertrag im Hinblick auf die Folgen für die Beschäftigten in anderen Unternehmen abzulehnen. Macht endlich Schluss mit dem verhängnisvollen "Standortdenken" und stoppt Lohndumping und das Wettrennen um die schlechtesten Arbeitbedingungen!

Mit kollegialen Grüssen

P.S.: Unsere gewählte Tarifkommission hat am 06.12.2005 den von Jutta Blankau ausgehandelten Ergänzungstarifvertrag mit überwältigender Mehrheit (dafür: 1 dagegen: 8 enthalten: 4) abgelehnt.

Für diesen offenen Brief werden noch bis nächsten Montag (12.12.) Unterschriften gesammelt


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