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Updated: 18.12.2012 15:51
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Kapitulation der IGM-Küste (Jutta Blankau)
"Warum nicht gleich so?" - meint "Die WELT".

Aber die Tarifkommission von Philips stellt sich quer und sagt: "NEIN"!

Bericht aus Hamburg von Kolonne, 07.12.2005

Im Juni 2004 hatte die IG Metall Stuttgart gegen die Sanierungstarifverträge bei Siemens/Handy-Sparte protestiert: "Kein Lösungsansatz (bei der Sicherung von Arbeitsplätzen) kann dabei die unbezahlte Verlängerung der Arbeitszeit sein. Wir finden es empörend, wie damit vielen Belegschaften, die gegenwärtig unsere Tarifverträge und gewerkschaftlichen Grundsätze verteidigen (z.B. Arbeitszeit muss auch bezahlt werden), in den Rücken gefallen wird." Dann die überraschende Einigung in Böblingen. Mit der Zustimmung zu unbezahlter Mehrarbeit ist man den Hamburger Kollegen in den Rücken gefallen. Die Böblinger Fabrik war zum Zeitpunkt des Einknickens der IGM nur zu 40 % ausgelastet und bekam als Trostpflaster Investitionszusagen.

Am 01. Oktober 2004 vertrat die IGM Küste in einem Flugblatt externer Link pdf-Datei den Standpunkt "Arbeitszeitverlängerung oder Lohnkürzung ist der falsche Weg. Durch Lohndumping können wir den Wettbewerb mit China/Fernost nicht gewinnen. Arbeitszeitverlängerung gefährdet die bestehenden Arbeitsplätze: Wenn 10 Beschäftigte 3,5 Stunden pro Woche länger arbeiten, kann rechnerisch - bei gleichem Absatz - ein Beschäftigter gehen."

Jetzt gelten diese gewerkschaftlichen Grundsätze auch bei der IG Metall in Hamburg offensichtlich nicht mehr. Nach 18 Monaten erfolgreichem Widerstand drängt die Chefin der IGM Küste, Jutta Blankau, an der gewählten Tarifkommission vorbei auf einen Kompromiss. Nachdem sie sich am 19.11. 2005 "per Handschlag" mit der Geschäftsleitung von Philips geeinigt hat, meldet "DIE WELT" am 22.11.: " Streit in Chipfabrik von Philips überraschend beigelegt" , um dann auch hämisch zu kommentieren: " War das notwendig? ... Für die Gewerkschaft im Norden ist die Einigung ein Denkzettel.. Nur wenn er für zukünftige Fälle als Beispiel dient, war dieser Streit nötig."

"Es ist uns gelungen, das Schlimmste zu verhindern" , sagte IG-Metall-Bezirksleiterin Jutta Blankau. "Trotzdem mussten wir tiefe Einschnitte für die Beschäftigten akzeptieren." ("Hamburger Morgenpost" vom 23.11.2005)

Im Unterschied zu der Fabrik in Böblingen ist die Hamburger Halbleiterfirma voll ausgelastet und profitabel. Zur Kasse gebeten werden sollen mit Hilfe der Gewerkschaft jedoch nur die 1800 Tarifmitarbeiter. Die 500 AT-Angestellte (außertarifliche Spitzenverdiener mit Durchschnittseinkommen von 6250 Euro pro Monat) sind an der "Kostensenkung" nur unterproportional oder gar nicht beteiligt. Sie erwartet am Jahresende ein Extrabonus, während dem Rest der Belegschaft das Weihnachtsgeld gekürzt wird!

Das hindert die IG-Metall-Bezirksleiterin nicht daran, sich der Argumentation der Geschäftsleitung anzuschließen und die ohnehin latenten Ängste der Beschäftigten vor Arbeitsplatzverlust weiter zu schüren und mit " negativen Folgen für Standort und Arbeitsplätze im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen" zu drohen.

Wer seiner eigenen Sache untreu wird, kann nicht erwarten, dass ihn andere achten. Sich selbst untreu? In der Gewerkschaft gibt es "Modernisierer" bzw. "gemäßigte Kräfte" und "Traditionalisten", sog. "Hardliner". "Modernisierer" sein heißt, mit den Unternehmern gehen; "Traditionalist" oder "Hardliner" sein, mit der Arbeiterschaft gehen. Es gibt nichts Schlimmeres für Gewerkschafter wie Jutta Blankau, als von der Springerpresse "Betonkopf" oder "Blockierer" genannt zu werden. Sie möchte von der Presse attestiert bekommen, ein "moderner", "realistischer", "flexibler", "gemäßigter" und vor allem "kompromissbereiter" "Sozialpartner" zu sein. Für dieses Image opfert sie dann auch schon mal ein paar Kollegen, die in der ersten Reihe für die Gewerkschaft gekämpft haben und nun gekündigt oder ausgesperrt sind.

Das macht die Gewerkschaft uneinig und schafft eine Kluft, die weder angesprochen, noch gezeigt wird. Mit dem von Blankau ausgehandelten Kompromiss entschärfte sich der Konflikt zugunsten der "gemäßigten Modernisierer". Was, fragt man sich, ist von den Grundidealen und Grundwerten der Gewerkschaft von einst übrig geblieben?
Blankau und Huber stehen heute mehr denn je für Untätigkeit und Unvermögen. Abgesehen vom Sprüchemachen erkennt man keine Bemühungen, der Arbeiterschaft das Leben leichter zu machen. Hat die Klientel gewechselt?!

Der von der SPD Führung ausgegebene Tagesbefehl lautet: Große Koalition.

Und so wurde im November, nach 18 Monaten Widerstand, bei Philips Semiconductors in Hamburg zwischen Kuckhermann und Blankau ein Ergänzungstarifvertrag mit drei Jahren Laufzeit vereinbart. Im Kern geht es um eine unbezahlte Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf knapp 38 Stunden. Dafür sollen die 800 Schichtarbeiter ihre gekündigten Schichtzulagen wiederbekommen und weiterer Stress vermieden werden, argumentiert die Gewerkschaftsführung. Kleine Kinder lockt man mit Sahnebonbons und uns mit der Wiedererlangung der Schichtzulagen. Die tarifliche Absicherung der Schichtzulagen bezahlen die Beschäftigten aber aus eigener Tasche.

Mit ein paar Stunden unbezahlter Mehrarbeit ist es nämlich nicht getan. Kürzung des Weihnachtsgeldes, Wegfall der Mehrarbeitszuschläge, Verschiebung zukünftiger Lohnerhöhungen und Wegfall der ERA Strukturkomponenten (mehrere Millionen Euro!) usw. führen letztendlich dazu, dass keine Einigung das "kleinere Übel" für uns wäre.

Neben Lohn- und Gehaltssenkungen von 12 - 15% sind damit erneut Tabus gefallen, die anderen Belegschaften zu schaffen machen werden und die spätestens im nächsten Abschwung weitere Forderungen nach sich ziehen werden.

Die gewählte Tarifkommission von Philips Semiconductors Hamburg ist Jutta Blankau nicht gefolgt und hat am 06.12.2005 den von ihr ausgehandelten Ergänzungstarifvertrag mit überwältigender Mehrheit (dagegen: 8 enthalten: 4 dafür: 1) abgelehnt!

Nun werden bis zum 18.12. 2005 die 800 Mitglieder in einer schriftlichen Abstimmung befragt, ob sie den Ergänzungstarifvertrag akzeptieren oder nicht. Die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen wird darüber entscheiden, ob der Tarifvertrag in Kraft tritt.

Die Erklärungsfrist endet am 19.12.2005. Erst dann werden wir wissen, ob es sich noch lohnt, Mitglied dieser Gewerkschaft zu bleiben.


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