letzte Änderung am 28. Oktober 2003 | |
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Liebe Freunde und Kollegen!
Am 22.9.03 fand die Frotsetzung meines Kündigungsschutzprozesses beim LAG in Hamm statt. Da ich kurz darauf in Urlaub gefahren bin, schreibe ich euch jetzt erst dazu.
Auch dieser zweite Termin dauerte mit 2,25 Stunden relativ lang und zwei Führungskräfte wurden als Zeugen vernommen. Weil der Termin vom Gericht sehr kurzfristig bekannt gegeben wurde, war es für viele nicht mehr Möglich teilzunehmen. Trotzdem kamen fünf Besucher mit.
Nach der Verhandlung wurde vom Gericht meine Berufung abgewiesen, d.h. ich habe verloren. Eine Begründung für das Urteil gibt es nocht nicht. Revision beim Bundesarbeitsgericht ist zugelassen. Jedoch muss dazu erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden. Erst dann kann ich auch Entscheiden ob und an welchen Punkten ich gegen das Urteil Revision einlege.
Beim Thema Leiharbeit ist das Gericht offensichtlich der Argumentation der NOKIA-Geschäftsleitung gefolgt. Sie behaupteten, dass sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung (15.10.01) zwar beim Betriebsrat die Zustimmung zum Einsatz von ca. 100 Leiharbeitern beantragten, jedoch nicht 100-Prozentig für sie klar war, ob zum Zeitpunkt der Beendigung meiner Beschäftigung (1.12.01) wirklich Leiharbeiter eingesetzt würden. Obwohl nachgewiesen wurde, dass tatsächlich so viele Leiharbeiter eingesetzt waren, wie von NOKIA geplant und teilweise soger mehr als vom Betriebsrat genehmigt, änderte das nichts an der Haltung der Richter.
Das Gericht wollte auch der Tatsache keine Beachtung schenken, dass Nokia die Entlassungswelle dazu genutzt hat, mich als aktiven Kollegen, der für eine kämpferische Richtung in der Belegschaft eintritt, los zu werden. Ich wies auch bei diesem Termin nochmals darauf hin, dass ich schon 1999 eine politisch motivierte Kündigung von NOKIA erhalten habe und bei dieser Kündigung mehrere Maßnahmen getroffen wurden um mich bei dieser Gelegenheit wieder los zu werden (z.B. wurden Vier Reperateure mehr gekündigt als sich aus dem Stilllegungsbeschluss ergeben). Darauf sagte der vorsitzende Richter, dass ich es zwar so sehen kann, dies aber in der Verhandlung keine Rolle spiele.
Im Verlauf des Prozesses wurde aber auch immer klarer:
NOKIA hat die Entlassungen im Zuge der Teilstilllegungen Ende 2001 gleichzeitig auch dazu genutzt, zum massenhaften Einsatz von Leiharbeitern über zu gehen. Es stellte sich heraus, dass NOKIA inzwischen mit dem Betriebsrat sogar eine Vereinbarung abgeschlossen hat, wonach ein Leiharbeiterkontingent von bis zu 30 Prozent der fest Beschäftigten ohne weitere Anträge und Zustimmung eingesetzt werden kann.
Der Massenhafte Einsatz von Leiharbeitern ist bei den Monopolkonzernen inzwischen zu einer wichtige Methode geworden zwecks Profitsteigerung die Flexibilisierung auf die Spitze zu treiben. Entsprechend versucht gegenwärtig die Bundesregierung mit den Hartzplänen und ihrer Agenda 2010 wichtige Rahmenbedingungen im Sinne der Monopole zu schaffen. Dann können z.B. Arbeitslose gezwungen werden jede Leiharbeit anzunehmen, bzw. vom Arbeitsamt als Tagelöhner vermittelt zu werden, wie es die Konzerne gerade brauchen. Gleichzeitig formiert sich aber in ganz Europa der Widerstand gegen solche und andere Pläne (z.B. Rentenreform) bis hin zu Generalstreiks (Italien).
Für den 1. November 2003 ist in Berlin eine Bundesweite Demonstration gegen die gesamte Agenda 2010 geplant. Ich kann Euch nur auffordern, so wie ich auch, daran teilzunehmen. Meiner Meinung nach muss in Deutschland auch ein Generalstreik gegen die Agenda 2010 durchgeführt werden, wenn nötig auch ohne den Gewerkschaftsspitzen.
Vermutlich wäre es dem Landesarbeitsgericht auch zu Heikel gewesen, mit dem Verweis auf den geplanten Einsatz von Leiharbeitern die Kündigungen bei NOKIA aufzuheben. Da wir im Kapitalismus leben, wäre das ein Eingriff in die "Unternehmerische Entscheidungsfreiheit". Wo, von wem und wie Produziert wird unterliegt dem nach der Entscheidung der Unternehmer (anstatt der eigentlichen Produzenten, die Beschäftigten) und jede Maßnahme zur Profitsteigerung ist dabei legitim. Die Gerichte haben objektiv die Aufgabe die richtige Umsetzung der Gesetze im Kapitalismus abzusichern.
Bei dem Prozess hatten die Öffentlichkeitsarbeit, das öffentliche Interesse und die offensive Prozessführung eine große Wirkung. Dass zeigt z.B. die Tatsache, dass der Prozess insgesamt über 7,5 Stunden gedauert hat und die Richter bemüht waren keine wichtigen Fragen zu übergehen. Moralisch gerieten die NOKIA-Vertreter immer mehr in die Defensive und widerholten gebetsmühlenartig, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der Einsatz von Leiharbeitern zum 1.12. nicht 100-Prozentig klar gewesen sei. Alle Zeugen hatten immer nur diese Aussage widerholt und wussten sonst auf die meisten anderen Fragen keine Antwort. Das war für die NOKIA-Geschäftsleitung auch die einzige Möglichkeit zu untermauern, dass sie nichts "ungesetztliches" gemacht hat. Als eine Reaktion auf die offensive Prozessführung betonte der vorsitzende Richter während der Verhandlung immer wieder, die Rechtslage sei nicht in allen Punkten eindeutig und es wird Revision zugelassen.
Der Prozess hat aber auch gezeigt, dass die Möglichkeiten für uns Arbeiter und Angestellte in dieser Gesellschaft sehr beschränkt sind, erst Recht im Rechststreit. Die wenigen Möglichkeiten die wir haben, muss man offensiv nutzen.
Man kann sich aber nicht darauf beschränken. Wenn es für uns "Gerecht" zugehen soll, brauchen wir andere gesellschaftliche Verhältnisse, wo die Interessen der Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht die Profite einiger weniger. Auch die Gesetze müssen dann anders aussehen.
Ich möchte mich bei Euch allen für eure Unterstützung bedanken.
Die Unterstützung war sehr vielfältig: Manche unterstützten mich in der Sache Moralisch, mit Emails und Anrufe, durch weitererzählen und bekannt machen, durch Teilnahme beim Prozess, mit Tipps und Informationen, durch Beratungen, durch Veröffentlichung in Flugblättern, Zeitungen und im Internet, usw.
Von wegen, "man kriegt keine drei Leute unter einen Hut", es waren viel mehr! Diesen tollen Zusammenhalt muss man auch bekannt machen.
Sobald ich die Urteilsbegründung habe und weiß wie es weitergeht, melde ich mich wieder.
Bis dahin viele Grüße
Kaveh
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