letzte Änderung am 30. September 2003

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Die Kolleginnen und Kollegen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) im Spannungsfeld zwischen drastischen Lohnkürzungen und massivem Stellenabbau

Kompromisslos und selbstsicher gab der BVG-Vorstandsvorsitzende Andreas Graf von Arnim bekannt: "Mit den bisherigen Sparkonzepten können die Arbeitsplätze nicht annähernd gesichert werden." Fraglich sei auch, ob "das formulierte Ziel der erforderlichen Wettbewerbsfähigkeit erreicht wird", so der Vorstand des öffentlichen Unternehmens. Um dann ganz unverhohlen die Katze aus dem Sack zu lassen. Ziel seien eben "noch mehr Flexibilität, noch geringere Sachkosten und deutlich weniger Personalaufwand!" Auf der Personalversammlung am 17. September diese Jahres erklärt er 4.500 anwesenden Kolleginnen und Kollegen ein dramatisches Kürzungsprogramm. Ein Drittel der 12.500 Stellen soll in den nächsten zwei Jahren gestrichen werden. Die ihren Job behalten dürfen, sollen auf 30 Prozent ihres Lohnes verzichten. Das entspricht mehr als der monatlichen Nettomiete der aller meisten Kolleginnen und Kollegen!
Aber nicht nur am Personal soll gespart werden. Auch unprofitable Bus- und Straßenbahnlinien sollen in den nächsten Jahren ihren Betrieb einstellen. Trotz aller schon erfolgten Rationalisierungsmaßnahmen sei das landeseigene Unternehmen zu teuer. Ganz offensichtlich was unter Sanierung der BVG nach markwirtschaftlichen Prämissen zu verstehen ist: "Gesundschrumpfen" ­ bis nur noch ein profitabler Kern übrig bleibt. Und in diesem sollen die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen für einen Hungerlohn unter schlechtesten Arbeitsbedingungen tätig sein. Die bisherige Kompromissbereitschaft der Berliner ver.di ­ Spitze und des BVG-Personalrats unter dem Vorsitz von Uwe Nietzgen hat nichts gebracht. Unter der Verhandlungsführung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes hat es im Vorfeld des jetzt geplanten Kürzungspaket mit der BVG Gespräche gegeben. Dabei stimmten die Arbeitnehmervertreter Einsparungen von jährlich 17 Millionen Euro zu, die durch veränderte Schichtzeiten, gekürzte Zulagen und kleiner Zugeständnisse zustande gekommen wären. Es war ein großer Irrglaube, dass durch Opferbereitschaft der Belegschaft die Arbeitgeber von weiteren Kürzungen abzubringen sind. Im Gegenteil, wie die Geschichte beweist. Obwohl die BVG zu den kampferfahrensten Bereich des öffentlichen Dienstes gehört, hört man von der Berliner ver.di ­ Spitze und dem BVG-Personalrat von Streikvorbereitungen nichts. Es ist fraglich, ob die führenden Arbeitnehmervertreter wieder einmal einen Deal im Hinterzimmer mit den Arbeitgebern aushandeln können. "Auch ohne Arbeitskampf wurde das Schlimmste abgewendet", hieß es in der Vergangenheit allzu oft.

Der BVG-Vorstand gibt sich nun kompromisslos und nimmt in einer erpresserischen Argumentation die Belegschaft von zwei Seiten in die Zange: Er behauptet, dass ein Überleben der BVG nur gesichert werden kann, wenn das Sanierungskonzept unter den perfiden Namen "Projekt Antrieb" ohne Abstriche durchgesetzt wird. Andernfalls wird die BVG mittelfristig Insolvenz anmelden müssen. Zudem macht der BVG-Vorstand deutlich, dass die ab 2008 geltenden europäischen Richtlinien die BVG zwingen, ihre Monopolstellung zu räumen und mit Billiganbietern zu konkurrieren. Um dann im Wettbewerb zu bestehen, müssen die Personalkosten gewaltig runter. Dem hatte Frank Bäsler, Bezirkssekretär des Fachbereichs Verkehr von ver.di Berlin nichts entgegenzusetzen. In einem Interview mit der Tageszeitung "junge welt" behauptete Bäsler, dass die Kolleginnen und Kollegen auch weiterhin bereit seien, erkämpfte Standards der "neoliberalen Schlachtbank" zuzuführen. "Kein Mensch nimmt gerne Einschnitte hin. Aber wenn man damit die Wettbewerbsfähigkeit steigert und dadurch Arbeits- und Ausbildungsplätze erhält, sind die Kollegen dazu bereit". Hier zeigt sich einmal mehr, dass neoliberales Gedankengut in der Gewerkschaftsführung nicht nur akzeptiert, sondern zur Leitlinie des eigenen Handels gemacht wird . Angesichts der mageren Tarifabschlüsse in den letzten Jahren, sowie steigenden Preisen und erhöhten Sozialabgaben, hat die Belegschaft kaum noch Spielraum auf Lohn zu verzichten. Die Produktivität hat sich auch bei der BVG in den letzten 10 Jahren verdoppelt! Die Hälfte der früheren Belegschaft reicht um den eher steigenden als gleichbleibenden Standard an Produktion und Dienstleistung sicher zu stellen. Warum sollen sich die Kolleginnen und Kollegen vor diesem Hintergrund weiter in Lohnverzicht und jetzt sogar massiver Lohnsenkung üben? Warum sollen sie einen weiteren Personalabbau zu lassen? Ein funktionierender öffentlicher Personalverkehr, gute Kitas und Schulen sowie andere wichtige öffentliche Dienstleistungen werden von Regierungen und Arbeitgebern als kaum noch zu bezahlende Luxusgüter deklariert. "Preise rauf und Kosten runter!", lässt sich ihr Programm zusammen fassen. Die angeblich überbezahlten Angestellten des öffentlichen Dienstes werden zu den Sündenböcken der jetzigen Haushaltkrise gestempelt. Uns wird eingeredet, dass die öffentlichen Dienstleistungen ihren Preis haben und angesichts leerer Haushaltskassen die Zeiten staatlicher Wohltätigkeiten vorbei sind. Senatoren in best dotierten Stellungen und Vorstandmitglieder mit riesigen Einkommen, Zuwendungen und Abfindungszahlungen glauben, dass es der Bevölkerung noch viel zu gut gehe. Mit ihrer Offensive an unsozialer, arbeitnehmerfeindlichen Politik schaffen sie immer mehr Arbeitslose und bisher nicht da gewesenes soziales Elend. Und das in der Hauptstadt eines der reichsten Länder der Welt. Dieser Politik müssen die Beschäftigten und die Berliner Bevölkerung mit breiten Widerstand begegnen und sich gegen die Verursacher der gegenwärtigen Krise richten: Großkonzerne und Banken, die hier keine Steuern bezahlen, aber Milliarden an Subventionen aus den Steuern von Arbeitnehmern bekommen. Und Unternehmensvorstände die sich nicht nur auf Kosten der Beschäftigten bereichern, sondern deren Armut einfordern. Gerade der BVG-Vorstandsvorsitzende ist symbolträchtiges Ettekitte für die jetzige Politik: Er verdient jährlich 250 000 Euro im Jahr! Dazu kommen Erfolgsprämien, Aufträge anderer Einrichtungen und sicher eine Menge an privaten Gewinnen diverser Geschäfte. Höhepunkt: Zusatzzahlungen durch die BVG, wenn er das Personal entsprechend der vom Vorstand und Senat geforderten Zielvorgaben abbaut! Er verdient ganz unmittelbar an massiven Lohn- und Personalabbau.

Jetzt sind wir gefordert. Es muss sich nun endlich auch bei ver.di und dem Personalrat die Einsicht durchsetzen, dass der "sozialpartnerschaftliche Konsens" einseitig von den Arbeitgebern aufgekündigt wurde. Der den Kolleginnen und Kollegen von Oben aufgezwungene Klassenkampf muss zu einem gemeinsamen Widerstand führen. Nun können aber die Kolleginnen und Kollegen der BVG nicht darauf warten bis sich in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes Gegenwehr rührt. Um die jetzigen Kürzungspläne des BVG-Vorstandes zu durchkreuzen, muss die BVG ihre gesamte Kampfkraft in die Waagschale werfen. Ein Arbeitskampf ist unausweichlich und kann sich als Initialzünder für andere Betriebe und Bereiche erweisen. Hierfür brauchen die Kolleginnen und Kollegen gute Argumente, die sich auch leicht finden lassen: Der Öffentliche Nahverkehr war und ist die umweltfreundliche Alternative zum Auto. Gesellschaftliche Kosten, die aus Unfällen, Staus, Umweltverschmutzung und gesundheitlichen Folgeschäden entstehen, dürften sich im Milliardenbereich bewegen. Um diese gesamtgesellschaftlichen Kosten zu minimieren und eine angemessene Lebensqualität in der Stadt zu gewährleisten, ist die BVG, aber auch die S-Bahn auf angemessene finanzielle Zuwendungen angewiesen. Zuwendungen, die nicht finanzieller Ballast sind, sondern als sich als wertvolle Investition erweisen. Das Einzige, wo gespart werden kann, ist bei den Gehältern der Manager der öffentlichen Unternehmen, der Senatoren, bei den Diäten von Parlamentsmitgliedern und vor allem aber bei den Steuervergünstigungen für die Reichen dieser Stadt! Eine Stillegung von Bus-, Straßenbahnen und S-Bahnlinien darf es nicht geben, es ist die gesündere, sozialere und kostengünstige Alternative zum Auto, auf die Millionen Berlinerinnen und Berliner angewiesen sind. Durch die vergangen Fahrpreiserhöhungen haben sich die Fahrgastzahlen weiter minimiert und ein langfristiges Funktionieren von BVG und der S-Bahn AG wurde damit in Frage gestellt. Den öffentlichen Nahverkehr soll sich jede und jeder in dieser Stadt leisten können. Daher runter mit den Fahrpreisen! Die Kolleginnen und Kollegen der BVG und der S-Bahn haben eine verantwortliche Tätigkeit. Rund um die Uhr sollen sie die Menschen dieser Stadt sicher transportieren. Hierfür soll es nicht einen Hungerlohn, sondern eine angemessene Bezahlung geben. Daher sind Lohnkürzungen jeder Art abzulehnen. Auch ein weiterer Personalabbau kann nicht akzeptiert werden! Die auf Grund des Stellenabbaus gestiegene Arbeitsverdichtung hat bereits unzumutbare Arbeitsbedingungen geschaffen. Ab 2008 gelten die Europäischen Richtlinien zur Liberalisierung des EU-Binnenmarktes. Im Interesse aller europäischen Arbeitnehmer müssen sie rundum bekämpft werden. Dieser Wettbewerb um die schlechtesten Arbeitsbedingungen und geringsten Löhne ist abzulehnen. Dem Unterbietungswettbewerb, der den Kolleginnen und Kollegen von den europäischen Regierungen aufgezwungen wurde, ist eine gemeinsame Politik der europäischen Arbeitnehmervertretungen entgegenzustellen. Angemessene Mindeststandards müssen in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes durchgesetzt werden. Standards, die sich nicht an den niedrigsten, sondern am höchsten Niveau orientieren. Die größte Einzelgewerkschaft der Welt, die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, kann und muss hier eine Vorreiterrolle spielen. Dem Europa der Banken und Konzerne muss endlich auch ein Europa der Arbeiter und Angestellten entgegengesetzt werden!

GSG Standpunkt
Gruppe sozialistischer Gewerkschafter

Webseite: www.gsg-web.de

Berlin, den 28.09.03

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