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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Der Post-Abschluss - ein gewerkschaftlicher Erfolg? I Beinah zwei Wochen hatte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft für den ersten großen Streik bei der Post seit 1994 mobilisiert. Und jetzt kommt es, trotz der hohen Streikbereitschaft vieler Postlerinnen und Postler, doch nicht zu einem unbefristeten Arbeitskampf. Postmanagement und Gewerkschaft haben sich am 30. April auf einen Tarifabschluss verständigt, den die ver.di-Verhandlungsführung als "ein sehr akzeptables Ergebnis" charakterisierte. Wie lauten die Eckpunkte der Einigung? Der Kompromiss sieht für die 130.000 Tarifbeschäftigten eine stufenweise Lohnerhöhung von insgesamt sieben Prozent bei einer 26monatigen Laufzeit vor. Die erste Steigerung (vier Prozent) tritt am 1. November dieses Jahres in Kraft. Zwölf Monate später erfolgt dann nochmals eine Aufstockung (um drei Prozent). Außerdem ist für dieses Jahr eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro (für Vollzeitbeschäftigte) vereinbart worden. Die vom Postmanagement geforderte Verlängerung der Arbeitszeiten konnte verhindert werden. Für Vollzeitstellen bleibt es bei der 38,5-Stunden-Woche. Ver.di hält sich besonders zu Gute, dass von dieser Vereinbarung nicht nur die Tarifbeschäftigten profitieren, sondern auch die 55.000 bei der Post tätigen Beamtinnen und Beamten. Ihnen bleibt die 41-Stunde-Woche, die seit geraumer Zeit für Staatsdiener beim Bund gilt, wohl erspart. Nicht verhindert werden konnte von ver.di jedoch eine Kürzung der Pausenzeiten. Das Postmanagement sieht sich durch die Einigung im Tarifkonflikt befugt, die bezahlten Pausen um wöchentlich fünfzig Minuten zu kürzen. Weiterhin nicht erlaubt ist es der Deutschen Post, "betriebsbedingte Beendigungskündigungen" vorzunehmen. Der Beschäftigungspakt wurde im Zuge der Tarifverhandlungen um gut drei Jahre verlängert. Er gilt nun bis zum 30. Juni 2011. II Was ist von der Tarifeinigung zu halten? Die ausgehandelten Lohnerhöhungen liegen über den geradezu lächerlichen Offerten, die von der Postspitze am Beginn des Tarifkonflikts präsentiert wurden. Sie nehmen sich freilich bescheiden aus, werden sie mit der 20prozentigen Dividendenerhöhung verglichen, auf die sich die Postaktionäre freuen können. Zudem gleicht die zweistufige Lohnerhöhung keinesfalls die drastischen Einkommenseinbußen aus, die zahlreiche Beschäftigte vor einigen Jahren durch die von ver.di akzeptierte Umstrukturierung des Entgeltsystems hinnehmen mussten. Etliche Postlerinnen und Postler werden trotz des "Tariferfolgs" nach wie vor nur einen Grundlohn erhalten, der wenig finanziellen Handlungsspielraum bietet. Dass dieses schmale Einkommen durch ein "leistungsbezogenes variables Entgelt" aufgebessert werden kann, vermag da nicht zu trösten. Nur wenige Kolleginnen und Kolleginnen erhalten Zulagen in nennenswertem Umfang. Hinzukommt: Das Konzept der leistungsabhängigen Entgelte konterkariert eine gewerkschaftlichen Vorstellungen entsprechende Betriebskultur. Ihm liegt nämlich ein Beurteilungs- und Benotungssystem zu Grunde, das unsolidarisches Konkurrenzdenken unter den Beschäftigten begünstigt und manchen Vorgesetzten als eine willkommene Möglichkeit erscheint, aufmüpfige Untergebene einzuschüchtern und zu disziplinieren. Das Disziplinierungsinstrument Entlassungen steht dem "Gelben Riesen" auch zukünftig nur eingeschränkt zur Verfügung. Dies ist zweifelsohne ein begrüßenswerter Effekt der Verlängerung des Beschäftigungspakts. Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen garantiert aber mitnichten angenehmes und sorgloses Arbeiten. So ist davon auszugehen, dass die Postspitze trotz des erneuerten Beschäftigungspakts den Personalabbau im Brief- und Paketbereich mit unvermindertem Tempo fortsetzt. Mit absehbaren Folgen: Die Probleme in Sortierung und Zustellung, die Sendungsmengen zu bewältigen, werden sich weiter verschärfen. Weiter verschärfen dürfte sich auch der Leistungsdruck. Ebenso die Kontrolle durch die Vorgesetzten. Kein Wunder also, dass selbst Postlerinnen und Postler mit viel "Corporate Identity" unzufrieden sind mit ihrer beruflichen Situation und Perspektive. Personalabbau geht bei der Post Hand in Hand mit einer Automatisierung der Paket- und Briefbearbeitung. Führt sie zu einer Reduzierung monotoner und Kräfte zehrender Arbeitsabläufe? Der Blick auf die Fracht- und Briefsortierzentren stimmt skeptisch. In diesen hoch technisierten Knotenpunkten der modernen Postlogistik lässt sich keine "Humanisierung", sondern eher eine Verdichtung der Arbeit beobachten. Dass der Tarifkompromiss zwischen ver.di und Postspitze eine Kürzung der Pausenzeiten mit sich bringt, dürfte daher gerade bei vielen Beschäftigten in den Sortierzentren auf Unmut stoßen. III Was wird ver.di tun, um die Postlerinnen und Postler vom Tarifkompromiss zu überzeugen? Es wird hervorgehoben werden, dass die Einigung Arbeits- und Entlohnungsbedingungen garantiert, die besser sind als beim Gros der mit dem "Gelben Riesen" konkurrierenden Unternehmen. Das trifft unbestritten zu und wird wohl auch unter dem neuen Postchef so bleiben. Der kommt zwar ebenso wie sein Amtsvorgänger aus der neoliberalen Kaderschmiede McKinsey, aber ebenso wie Klaus Zumwinkel wird auch Frank Appel "sozialpartnerschaftlich" agieren und nicht auf Konfrontationskurs zu ver.di gehen. Denn der neue Postchef weiß: Er muss angesichts des hohen Organisationsgrads der Postbeschäftigten auf die Gewerkschaften eine gewisse Rücksicht nehmen, um den aufwändigen Umbau der ehemaligen Bundespost in einen weltweit agierenden Transport- und Logistikkonzern einigermaßen reibungslos über die Bühne zu bringen. Solch gewisse Rücksichtnahme wird das Postmanagement aber auch zukünftig nicht von einer Arbeitspolitik abhalten, die darauf abzielt, gewerkschaftliche Errungenschaften peu à peu über Bord zu werfen. Ein Streik hätte den Postlerinnen und Postlern Mut gemacht, dieser bisher oft resigniert hingenommenen Politik Einhalt zu gebieten. Geert Naber (Oldenburg), Mai 2008 |