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Updated: 18.12.2012 15:51
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"Verdis Macht brechen"

Was die Post-Spitze mit der kriselnden Briefsparte vorhat

Anfang Mai gab Post-Chef Frank Appel der Bild-Zeitung ein Interview, das für Aufsehen sorgte. Der Vorstandsvorsitzende des Gelben Riesen machte Äußerungen, die wie "Klassenkampf von oben" klangen. Besonders ins Visier nahm Appel die Zustellerinnen und Zusteller: "Heute arbeiten unsere Briefträger 38,5 Stunden. Es wäre gut, wenn wir die Arbeitszeit in mehreren Schritten deutlich erhöhen könnten." Ohne Lohnausgleich. Der Post-Chef will die bisherigen Arbeitszeiten erhöhen, aber nicht zugleich die bisherigen Einkommen.

Worauf Appel abzielt, ist offensichtlich. Die Financial Times vom 7. Mai spricht es unverblümt aus: "Er will die Krise nutzen, um Verdis Macht zu brechen." Wirklich überraschend kommt der Vorstoß des Post-Chefs freilich nicht. Dass sein Konzern auf Konfrontationskurs zu den Gewerkschaften gehen würde, zeichnete sich schon seit geraumer Zeit ab.

Von Zumwinkel zu Appel

Appels Vorgänger, der im Februar 2008 wegen einer privaten Steueraffäre zurückgetretene Klaus Zumwinkel, wollte aus der Deutschen Post einen weltweit agierenden Logistikkonzern schmieden, der das Gros seiner Profite außerhalb des traditionellen Briefgeschäfts erzielt. Typisch für die Ära "Dr. Z." war deshalb eine aggressive Expansionsstrategie. Etliche Unternehmen wurden aufgekauft. Nicht zuletzt, um auf dem nordamerikanischen Transport- und Logistikmarkt Fuß zu fassen. Aber ausgerechnet das US-Geschäft mündete in einem Fiasko: Beim Expressversand von Dokumenten innerhalb Nordamerikas machte die Post-Tochter DHL riesige Verluste. Etwa 7,5 Milliarden Euro dürften in den vergangenen Jahren verloren gegangen sein.

Nach Zumwinkels Abgang beschließt die Post-Spitze, die Expansionsphase zu beenden und aus dem inneramerikanischen Expressgeschäft auszusteigen. Damit verbunden ist die Ankündigung, die Kosten bis Ende 2010 um mindestens eine Milliarde Euro drücken und das existierende Geschäft "optimieren" zu wollen. Optimiert werden sollen dabei nicht nur die neuen Geschäftsfelder des Gelben Riesen, sondern auch die klassischen Sparten. Das wird deutlich, als Appel im März die "Strategie 2015" präsentiert. Sie signalisiert: Um Aktienkurs und Rendite zu verbessern, setzt die Deutsche Post insbesondere auf das Briefgeschäft in Deutschland. Dieser Unternehmensbereich, der trotz der globalisierten Unternehmensstruktur nach wie vor für über achtzig Prozent des Konzerngewinns steht, soll noch profitabler werden. Kein Wunder, dass die Zeitschrift Wirtschaftswoche die neue Post-Strategie als den Versuch charakterisiert, "aus der überragenden Profitquelle Brief herauszuholen, was nur geht".

"Sanierung" der Briefsparte

Die Banken- und Finanzkrise wirkt sich mittlerweile auf viele Branchen aus - auch auf den Bereich der Postdienste und der Logistik. Anfang Mai gibt die Deutsche Post bekannt, dass sie aufgrund der weltwirtschaftlichen Turbulenzen im ersten Quartal 2009 einen Einbruch bei Umsatz und Ergebnis hinnehmen musste. Gleichzeitig mit der Präsentation der Vierteljahresszahlen macht die Konzernführung publik, wie sie auf die Krise zu reagieren gedenkt: Sie will noch rigoroser Kosten sparen und Stellen streichen. In manchen Unternehmensbereichen, etwa im verlustreichen Expressgeschäft, sind sogar Entlassungen vorgesehen.

In der Briefsparte, deren Quartalsgewinn um 25 Prozent schrumpfte, gilt noch bis Mitte 2011 ein Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Um dennoch diesen Unternehmensbereich "sanieren" zu können, ist geplant, frei werdende Stellen zu streichen und befristete Arbeitsverträge nicht zu verlängern. Was mit den verbleibenden Arbeitskräften im Briefbereich geschehen soll, ist eingangs schon angesprochen worden: Vor allem in der Zustellung mit ihren 80.000 Beschäftigten will die Postspitze - ohne Lohnausgleich - deutlich länger arbeiten lassen. Auf bestehende Tarifverträge sollen die Briefträgerinnen und Briefträger nicht mehr vertrauen können. Die Unternehmensführung droht mit einer Entlassungswelle im Jahr 2011, falls sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft dem Eingriff in die geltenden Verträge zu Arbeitszeiten und Entgelterhöhungen widersetzen sollte.

Wo sich die Möglichkeit bietet, an Betriebsräten und Gewerkschaften vorbei die Arbeitsbedingungen im Briefbereich zu ändern, agiert die Konzernspitze besonders kaltschnäuzig. So sollen zum 1. Juli die nicht per Tarifvertrag abgesicherten "besonderen Erholungszeiten" gestrichen werden. Mit der Folge, dass sich die Arbeitspausen der Postlerinnen und Postler, die nachts in den Briefsortierzentren tätig sind, drastisch verringern werden. Die Postführung sieht darin kein Problem: Die moderne Sortierung habe zu einer Humanisierung der Arbeitsbedingungen geführt und die Anfang der 1980er Jahre eingeführten "besonderen Erholungszeiten" überflüssig gemacht. Eine Behauptung, die in Gewerkschaftskreisen völlig zu Recht für viel Empörung und Widerspruch sorgt, denn es ist offensichtlich, dass die technischen Modernisierungen in den Briefsortierzentren den Leistungsdruck auf die Sortierkräfte eher erhöht haben. Dieser Trend dürfte durch den nächsten Rationalisierungsschub - der Installation einer neuen Generation von Sortiermaschinen bis zum Jahr 2012 - fortgeschrieben werden.

Zur "Sanierung" der Briefsparte erwägt die Post-Spitze auch weiteres Outsourcing. Ende 2009 läuft ein "Friedensvertrag" zwischen Gewerkschaften und Unternehmensführung aus. Diese Vereinbarung hat bisher verhindert, dass der Gelbe Riese in den 53.000 Zustellbezirken Briefe durch Subunternehmen statt durch eigene Briefträger austragen lässt. Schon beschlossen ist, dass einige der 82 Briefsortierzentren an manchen Wochentagen geschlossen werden. Außerdem wird das kostenaufwändige Nachtflugnetz stillgelegt. Kein Brief wird mehr per Flugzeug innerhalb Deutschlands transportiert. An die Stelle der ökologisch problematischen Luftbeförderung tritt aber nicht der Schienentransport, sondern der umweltbelastende Transport per LKW.

Verdis Situation .

Wenn Briefsortierzentren zeitweise geschlossen und Briefe nicht mehr geflogen werden, werden sich die Komplexität und die Störanfälligkeit der vielgliedrigen Transportketten in der Briefsparte weiter erhöhen. Daher dürften wohl etliche Briefe demnächst mehr als einen Tag unterwegs sein. Dies scheint der Post-Spitze gleichgültig zu sein. Verdis Versuch, das Qualitätsargument gegen den Sparkurs in Stellung zu bringen, perlt an der Konzernführung ab. Sie folgt mehr denn je der Devise, dass erfolgreiches Agieren auf dem Briefmarkt einen harten Kostensenkungs- und Sparkurs erfordere. "Weiche Ziele" (Qualität, Kundenzufriedenheit) spielen in der Unternehmenspolitik nur eine untergeordnete Rolle. Siehe Zustellung: Im Herbst des vergangenen Jahres stellte die Post - aufgrund massiver Beschwerden über schlechten Service - tausend zusätzliche Briefträgerinnen und Briefträger ein. Deren Verträge liefen im Mai aus und wurden nicht verlängert.

Das rigorose Kostensenken wirkt sich demotivierend auf die Beschäftigten in der Briefsparte aus. Die Betriebsversammlungen, die zurzeit - organisiert von den Betriebsräten - in den Briefsortierzentren stattfinden, führen das sehr deutlich vor Augen. Aber auch diese Signale scheinen die Konzernspitze kaum zu beeindrucken. Sie vertraut offenbar auf den stummen Zwang der ökonomischen Verhältnisse. Also darauf, dass die Angst vor Entlassungen das betriebswirtschaftlich notwendige Maß an Folgsamkeit und Leistungsbereitschaft bei den Untergebenen hervorbringt. Der Briefmarkt hätte den Entlassenen nicht viel zu bieten: Die Arbeitsplatzzahlen bei den Konkurrenten der Deutschen Post stagnieren. Außerdem zahlen viele neue Briefdienstleister - trotz der Mindestlohnregelung für die Briefbranche - nach wie vor nur Hungerlöhne.

Kann Verdi auf staatliche Unterstützung in ihrem Konflikt mit der Deutschen Post hoffen? Zweifelsohne wird die Post-Spitze bei ihren Sparplänen auf Berlin Rücksicht nehmen müssen. Die Briefversorgung ist schließlich ein Politikum, das viel öffentliches Interesse erregt. Hinzu kommt, dass der Staat immer noch mit dreißig Prozent an der Post AG beteiligt ist. Deshalb wird vor allem der sozialdemokratische Flügel der Großen Koalition den Gelben Riesen dazu drängen, nur "mit Augenmaß" zu sanieren und auch bei den Managergehältern zu sparen. Zu einer grundsätzlichen Abkehr von den Kostensenkungsplänen wird die staatliche Politik die Post-Spitze aber nicht zwingen. Insbesondere dann nicht, wenn die Bundestagswahlen im September eine schwarz-gelbe Mehrheit zum Resultat haben sollten.

. und Perspektiven

Momentan ist es selbst unter eingefleischten Neoliberalen wieder sehr beliebt, von den Vorzügen der "sozialen Marktwirtschaft" zu reden. Die Ära des Sozialkapitalismus, als viele bedeutsame Unternehmen durch eine konziliante Haltung gegenüber den Gewerkschaften den "sozialen Frieden" sichern wollten, ist aber vorbei. Der Kapitalismus tritt wieder roher und ungeschminkter hervor. Das zeigen auch die aktuellen Entwicklungen bei der einst besonders sozialpartnerschaftlich ausgerichteten Post. Verdi muss sich auf diese Veränderungen einstellen. Kompromiss- und konsensorientierte Gewerkschaftspolitik stößt immer mehr an ihre Grenzen. Sie droht in eine "Anpassungsspirale" zu geraten, die Verdis Einfluss auf die Arbeitsbedingungen bei der Post sukzessive schmälert. Umso wichtiger ist es, dass "eigensinnige" Formen gewerkschaftlichen Handelns gestärkt werden. Bezugspunkt eigensinnigen Gewerkschaftshandelns sind - zitiert sei aus Dieter Sauers "Arbeit im Übergang" - "die Erfordernisse und Bedürfnisse der Reproduktion von Arbeitskraft und die autonomen Ansprüche der Arbeitssubjekte an die Gestaltung ihres Arbeit und ihres Lebens".

Geert Naber (Oldenburg), Juni 2009


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