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Updated: 18.12.2012 15:51
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Minilöhne und Schikane

Ver.di kritisiert miese Bezahlung und Einschüchterungsversuche beim privaten Postdienstleister Jurex. Mindestlohn und Ausweitung des Tariftreuegesetzes gefordert

Artikel von Daniel Behruzi, erschienen in der jungen Welt vom 15.12.2006

Die Postdienste galten dereinst als Hort sicherer Jobs, geregelter Arbeitsverhältnisse und recht vernünftiger Einkommen. Das hat sich mit der »Liberalisierung« der Branche gründlich geändert. Bei der einstigen Bundespost wurden Zehntausende Arbeitsplätze vernichtet. Zwar haben private Brief- und Paketzusteller auf der anderen Seite einige tausend neue Jobs geschaffen - aber zu deutlich schlechteren Bedingungen. Das bekommen auch die knapp 1000 Mitarbeiter des Postdienstleisters Jurex zu spüren. Denn das Unternehmen, das sich auf das Austragen von Gerichtspost spezialisiert hat, geht mit Kritikern seiner Geschäftspraktiken nicht gerade zimperlich um.

Betriebsrat abgemahnt

Seit anderthalb Jahren trägt die Jurex Berlin GmbH die Post für Bezirksämter, Gerichte und den Polizeipräsidenten in der Hauptstadt aus. Solange ist auch der 46jährige René Voelkner dabei. Im April dieses Jahres stritt er gemeinsam mit anderen Beschäftigten erfolgreich für die Wahl eines Betriebsrats, dessen Vorsitzender er nun ist. Daß sich Voelkner für seine Kollegen einsetzt, behagt der Geschäftsleitung des Unternehmens offenbar überhaupt nicht. Kürzlich erhielt er eine Abmahnung. Die Begründung: Er habe öffentlich - in einem Interview mit der Zeitschrift ver.di News - über die Einkommen bei Jurex gesprochen. »Für 40 Wochenstunden 900 Euro brutto plus eine >leistungsabhängige< pauschale Zulage, die im >Solidarprinzip< nach Anzahl der Briefzustellungen pro Monat und Team errechnet wird. Netto sind es rund 800 Euro.« So hatte Voelkner die Frage nach den Einkommen der Zusteller bei dem Postdienstleister beantwortet. Per Arbeitsvertrag sei den Mitarbeitern »jegliche Information über den persönlichen Verdienst untersagt«, begründete Jurex-Chef Norbert Lüer gegenüber junge Welt die Maßregelung Voelkners. »Eine Abmahung wegen eines Verstoßes gegen diesen Paragraphen ist keine Seltenheit, nicht bei uns, und nicht bei anderen Unternehmen«, sagte Lüer. Ganz anders sieht das Benedikt Frank von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Er kenne kein einziges anderes Unternehmen, in dem eine entsprechende Rege-lung - außer bezogen auf Managergehälter - Bestand habe, betonte er im jW-Gespräch. »Es ist Lüer ganz offensichtlich peinlich, wie wenig die Leute bei Jurex verdienen«, stellte der ver.di-Mann fest. Er kündigte an, man werde juristische Schritte gegen die Abmahnung einleiten.

Auch in der Frage der bei Jurex gezahlten Einkommen gehen die Meinungen zwischen Geschäftsleitung und Gewerkschaft weit auseinander. Lüer behauptete, die durchschnittlichen Bruttoentgelte lägen bei rund 1750 Euro. Allerdings sei darin ein »Vorteil« von etwa 500 Euro wegen der privaten Nutzung von Firmenwagen enthalten. »Um auf diese Summe zu kommen, müßte ich jedes Wochenende auf Jurex-Kosten an die Ostsee fahren«, meinte ein Beschäftigter des Unternehmens dazu auf jW-Nachfrage. Jede Nutzung der nicht gerade familienfreundlichen Smart-Fahrzeuge für weiter entfernt liegende Ziele müsse zudem angemeldet werden. »Die Rechnung des Herrn Lüer stimmt schon deshalb nicht, weil nicht jeder Mitarbeiter einen Dienstwagen hat, und die einen fast genauso wenig Lohn bekommen wie die anderen«, erklärte ver.di-Sekretär Frank dazu. Tatsächlich sei ein Großteil der rund 110 Beschäftigten des Berliner Standortes berechtigt, trotz einer 40-Stunden-Woche ergänzende Sozialleistungen via »Hartz IV« zu beantragen. »Nicht nur die Mitarbeiter, auch Staat und Steuerzahler werden mit solchen Armutslöhnen abgezockt«, kritisierte Frank.

Dumpingwettbewerb

Man sei wegen des intensiven Wettbewerbs und starken Preisverfalls eben dazu gezwungen, »nach kaufmännischen Prinzipien zu arbeiten«, heißt es hingegen beim Jurex-Management. Dieses Argument läßt Frank nicht gelten. »Jurex hat den Dumpingwettbewerb doch selbst angetrieben«, so der ver.di-Sekretär. Das Unternehmen versuche, die Konkurrenten mit Billigstangeboten aus dem Feld zu schlagen - auf Kosten der Beschäftigten. Um diese Praxis zu beenden, müsse der Berliner Senat seine Zusage zur Ausweitung des Tariftreuegesetzes - mit dem Unternehmen, die staatliche Aufträge erhalten, zur Einhaltung der Tarifstandards verpflichtet werden - schnell umsetzen. Zudem gehöre der von ver.di geforderte gesetzliche Mindestlohn von wenigstens 7,50 Euro endlich auf die Tagesordnung.

Lüer hält die ver.di-Kritik, die aus »reißerischen Flugblättern mit falschen und diffamierenden Aussagen« bestehe, indes für grundlos. Die »faire Behandlung unserer Mitarbeiter« sei »ein ganz zentraler Punkt unserer Firmenphilosophie«, so der Jurex-Boß. Mehr als 95 Prozent der Beschäftigten seien »zufrieden«. »Wenn das stimmt, warum haben die Berliner Kollegen bei der Betriebsratswahl dann trotz massiver Einschüchterungsmanöver eine Mehrheit gewählt, die die ver.di-Kritik teilt?« konterte Frank. Und auch anderswo klaffen die Bekundungen des Jurex-Chefs mit der Realität im Unternehmen offenbar weit auseinander. So berichteten Aktivisten der Niederlassung in Osnabrück von »Repressalien« im Zuge der Betriebsratswahl, die Anfang Dezember stattfand. Noch heftiger die Situation in Bonn. Dort wurde der örtliche Betriebsratsvorsitzende Michael Schaper nach ver.di-Angaben in der vergangenen Woche kurzerhand mündlich gekündigt. Der Vorwurf: Er sei mit anderen Beschäftigtenvertretern in Kontakt getreten, und habe dadurch »das Vertrauensverhältnis zerstört«. Nachdem den Managern klar geworden sei, daß sich Schaper nicht einschüchtern lasse und das Vorgehen rechtlich keinen Bestand haben werde, hätten diese die Entlassung sofort wieder zurückgezogen, berichtete ein ver.di-Vertreter.


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