Home > Branchen > Dienstleistungen: Transportwesen> Speditionen und Logistik > Post AG > Doelzer
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Diesmal kein Streik - Briefkästen bleiben trotzdem leer

Geheimsache gelbe Post

Seit Oktober 2008 ist ein tägliches Ratespiel in vielen Haushalten in und um Mannheim (Baden-Württemberg) verbreitet: Kommt heute die Post oder nicht? Allein im Januar und Februar 2009 mußten ganze Bezirke in den Gemeinden an der Bergstraße an zwölf Tagen auf die Zustellung verzichten. Im Oktober 2008 und um die Jahreswende blieben die Briefkästen gar mehrere Tage hintereinander leer. Hinzu kam, daß Päcken bis zu drei Wochen unterwegs waren, manche Briefe nachweislich fünf Tage.

Zuständig ist das Brief-Verteilzentrum in Mannheim-Käfertal. Doch dessen Leiter darf keine Auskunft geben: Die gelbe Post, seit Jahren privatisiert, hat ihren Mitarbeitern den Mund verboten: "Wir dürfen nichts sagen. Bitte wenden Sie sich an unseren Pressesprecher."

Kein Zugang für Ratsuchende und Journalisten: Das Brief-Verteilzentrum Mannheim-Käfertal ist für die Großstadt und einen weiten Umkreis zuständig. (Foto: Dölzer)

Für die Region Mannheim zuständiger Pressesprecher der gelben Post ist Hugo Gimber. Herr Gimber sitzt in Stuttgart und konnte bereits nach wenigen Stunden die Anfrage beantworten: "Meine Recherchen vor-Ort (sic! HH) führten zu dem Ergebnis, dass die Post im letzten Vierteljahr in der gesamten Postleitzahlen-Region 68/69 ordentlich zugestellt wurde, von erheblichen Zustellproblemen also absolut keine Rede sein kann." Offensichtlich leiden die klagenden Bürger also unter Halluzinationen - bis hin zu einem Übergabe-Einschreiben, das am 24.12.2008 nachweislich in einem völlig falschen Briefkasten lag, natürlich ohne Unterschrift des Empfängers.

Mit Ausnahme der Kleinstadt Weinheim wurden zudem, wie überall im Land, die ländlichen Postfilialen an der Bergstraße geschlossen. Als letzte ist nun die der Winzergemeinde Schriesheim dran. Noch vor wenigen Jahren in einem Neubau eingerichtet, dessen Planung, wie die Gemeinde betont, auf Postwünsche zurückging, soll die stark frequentierte Filiale "in einem Geschäft in der Nähe" untergebracht werden. Üblicherweise sind diese "Agenturen" Einzelhandelsläden, die weder Platz, Stellplätze noch Diskretion bieten können, vom kompletten Post-Angebot ganz zu schweigen. Eine örtliche SPD-Initiative gegen die Schließung der Filiale kommt zu spät und ist wenig glaubwürdig, hat doch diese Partei seinerzeit für die Privatisierung der gelben Post gestimmt.

Ein Aushang der Deutschen Post AG spricht denn auch von "bestimmten Verpflichtungen", die das Unternehmen "noch" habe. Gemeint ist regelmäßige und flächendeckende Versorgung, derer man sich jedoch entledigen möchte. O-Ton: "Und bei einem privaten Unternehmen steht neben dem Angebot und dem Service nun einmal auch die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund." Vorauseilend werden offenbar schon jetzt die "bestimmten Verpflichtungen" nicht mehr erfüllt.

Wenn auch die Zumwinkel-Nachfolger ihren Angestellten Schweigen verordnen und ihren Pressesprechern Ignoranz, so kennen doch die Briefträger den eigentlichen Grund der Misere: "Wir sind viel zu wenig Leute", meint ein Zusteller, der nicht genannt werden möchte, hinter vorgehaltener Hand. "Die Zustellbezirke werden ständig vergrößert, und wenn ein Kollege krank wird oder Urlaub hat, muß ein anderer dessen Bezirk auch noch mit übernehmen." Wie beim Schwesterunternehmen Telekom meinen die Post-Oberen, Personal sei überflüssig.

Das hat schon im letzten Jahr die Gewerkschaft ver.di auf den Plan gerufen, die mit dem Post-Vorstand Verhandlungen darüber führte, daß nicht noch mehr Stellen abgebaut werden. Rolf Bauermeister, ver.di -Bereichsleiter Postdienste: "Das Personal ist landauf, landab überlastet." Eine Verbesserung sei nur mit mehr Personal möglich. In den Verhandlungen sei erreicht worden, "daß die Verträge der 1000 befristet eingestellten Zusteller vorerst bis Ende Mai 2009 verlängert werden. Und wir haben vereinbart, daß alle ehemaligen Auszubildenden, die in Teilzeit arbeiten, ein Angebot zur unbefristeten Übernahme in Vollzeit erhalten." Ob dies auf Dauer hilft, bleibt zu bezweifeln. Auch die Bundesnetzagentur, die die regelmäßige und flächendeckende Postzustellung überwachen soll, scheint ein Papiertiger, gibt sie sich doch damit zufrieden, daß sich die Post selbst kontrolliert.

Und nach wie vor darf kein Postler offiziell etwas sagen. Den Begriff "Postgeheimnis" hat man wohl in den Chefetagen falsch verstanden.

Hans Dölzer, 23.03.2009


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang