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Updated: 18.12.2012 15:51
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Dominoeffekte durch Bahn-Privatisierung

Apologeten des Börsengangs argumentieren, die DB AG könne nur als Global Player überleben. Französische Staatsbahn begründet ähnliche Pläne mit wachsender deutscher Konkurrenz

von Hans-Gerd Öfinger, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 24.10.2007

Immer häufiger begründen Befürworter eines Börsengangs der Deutschen Bahn (DB) AG ihr Privatisierungsprojekt mit einem einzigen Argument: Die DB könne nur überleben, wenn sie ihre Stellung als Global Player ausbaue und überall Logistikunternehmen erwerbe. Dazu brauche sie »frisches Kapital«, das der Staat nicht aufbringen könne. Dies bekräftigte SPD-Chef Kurt Beck am Wochenende in der Frankfurter Rundschau. Auch der vom Privatisierungskritiker zum Verfechter von »Volksaktien« mutierte SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer hat dies geschluckt. Obwohl die meisten SPD-Anhänger dagegen sind, könnte der Bundesparteitag der Sozialdemokraten am Wochenende den von Scheer eingefädelten Einstieg in die Privatisierung über »Volksaktien« beschließen. Damit wird ein regelrechter Wirtschaftskrieg zwischen der DB und der französischen Staatsbahn SNCF immer wahrscheinlicher.

Der DB-Konzern hat in den letzten Jahren weltweit Bahnen, Speditionen und Logistikunternehmen aufgekauft. Diese Einkaufstouren haben zu einer Anhäufung von weit über 20 Milliarden Euro Schulden bei der DB AG geführt, die 1994 komplett schuldenfrei gestartet war. Insider gehen davon aus, daß die DB-Manager international Firmen für insgesamt 60 Milliarden Euro erwerben wollen.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee nannte als mögliche Kaufobjekte die Bahnen in Tschechien und Ungarn. DB-Chef Hartmut Mehdorn will den Containertransport über die Transsibirische Eisenbahn von und nach China organisieren. Im Sommer 2007 kaufte die DB die spanische Güterbahn Transfesa und die britische Güterbahn EWS auf. Die EWS betreibt Güterzüge, die durch den Kanaltunnel fahren, womit die DB auch in Frankreich Fuß faßt. Mehdorn möchte aber auch die S-Bahn in Lyon aufkaufen und so der SNCF auf ihrem eigenen Terrain Marktanteile abjagen. In diesem Drang nach Westen lassen Mehdorn, Tiefensee und SPD-Chef Beck antifranzösische Töne hören. Tiefensee warb im SPD-Blatt Vorwärts für einen Börsengang mit der Begründung, daß sonst bald »der französische TGV von Köln nach Berlin oder von Frankfurt nach München fahren würde«. Lieber sei ihm, wenn »deutsche Züge auch in Frankreich, Italien oder Österreich fahren«. Und Beck hatte Ende 2006 in Wiesbaden erklärt, die DB würde von der SNCF geschluckt, wenn sie nicht selbst andere Bahnen schlucke.

Die deutsche Kampfansage ist in Paris angekommen. SNCF-Chefin Anne-Marie Idrac stimmt Nation und Eisenbahner auf einen Showdown mit den Deutschen ein. »Der europäische Markt läßt nur zwei bis drei große globale Akteure zu«. Die DB sei einer von ihnen, erklärte sie im Juli vor Gewerkschaftsvertretern. Mit Blick auf den Erwerb von Transfesa und EWS durch die DB beschrieb Idrac deren Politik als »Bedrohung« für die Franzosen. Wenn die SNCF sich dem nicht entgegenstelle und sich international besser positioniere, werde sie »immer mehr Züge der Konkurrenz in Frankreich rollen sehen«, sagte die Bahnchefin. Sie forderte eine »Revolution« und meinte damit Umstrukturierung, Zerschlagung und Privatisierung. Die ­SNCF müsse nicht nur in Frankreich präsent sein, sondern in ganz Europa. Um dafür »fit« zu werden, organisiert sie jetzt die Konzentration der SNCF-Güterbahn auf das Großkundengeschäft, die Schließung von 262 Güterbahnhöfen und den Rückzug aus der Fläche.

Idracs Warnung vor der »deutschen Flut« kam an. »Die SNCF muß auf jeden Fall Mittel finden, um Eisenbahnunternehmen aufzukaufen und die Hegemonie der DB abzubremsen«, pflichtete ihr Bruno Duchemin, Generalsekretär der Lokführergewerkschaft FGAAC, im Spitzengespräch bei. Unterdessen hört Martin Burkert, Sekretär der deutschen Eisenbahnergewerkschaft Transnet und SPD-Bundestagsabgeordneter, in der SNCF-Zentrale schon die »Sektkorken knallen«, sollte der Bundestag jetzt nicht die Privatisierung beschließen. »Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen!« heißt es dagegen in einer Erklärung der französischen Gewerkschaft SUDRail und der Transnet-Basisinitiative Bahn von unten. Ihre Alternative zum Wirtschaftskrieg: »Die vereinigten öffentlichen Bahnen von Europa im Interesse von Mensch und Umwelt!«


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