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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Demokratie? Im Betrieb nie! Achim Neumann über die Notwendigkeit, bei Lidl Demokratie durchzusetzen Der Fachbereich Handel der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
hatte sich Anfang 2002 den Lebensmitteldiscounter Lidl als einen der Schwerpunkte
für die Betriebsratswahlen vorgenommen. Die rasant wachsen-de Bedeutung
dieses Discounters mit Hauptsitz im schwäbischen Neckarsulm für
den deutschen und internationalen, wesentlich europäischen, Lebensmittelmarkt,
die bekannt schlechten Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten,
der damit korrespondierende geringe Organisationsgrad des Fachbereichs
Handel und das Fehlen betriebsrätlicher Strukturen im Filialbereich
gaben der Gewerkschaft dieses Branchen-Ziel sozusagen vor. Zum anderen erschweren befristete, kurze Arbeitsverträge die Motivation für die mit der Betriebsratwahl verbundene Absicht der langfristigen Absicherung demokratischer Arbeitsverhältnisse. Das musste auch der Fachbereich Handel über die vergangenen zwei Jahre erfahren. Betriebsräte sind bisher fast ausschließlich in Lidl-Lagern und bei Kaufland gewählt worden. Welche organisatorischen Verrenkungen Lidl unternimmt, um BR-Wahlen zu verhindern, macht folgendes Beispiel deutlich: In der Region Dortmund stand ver.di schon fast am Ziel. Kurz bevor die Beschäftigten von 150 Filialen nach etlichen Richtersprüchen einen gemeinsamen Betriebsrat am Lagerstandort Unna mitwählen konnten, trickste Lidl. Blitzschnell wurden im Januar Filialbereich und Lager gesellschaftsrechtlich getrennt: Angestellte plus Läden fanden sich in einer eigenen Vertriebsfirma wieder. Die Kampfansage ist unmissverständlich. Die vielen Anläufe landauf, landab brachten für
die Gewerkschaft zwar nur geringen Erfolg, aber eine Menge Erkenntnisse.
Eine davon mündete in den Aktivitäten rund um den 8. März
2004: Das mit außergewöhnlich hohem personellen Aufwand verteilte
»Angebot« (Flyer über Hilfe bei der Wahl von Betriebsräten,
Unterstützung neu gewählter Betriebsräte, Unterstützung
bei der Durchsetzung tarif- und arbeitsrechtlicher Ansprüche usw.)
des Fachbereichs Handel an die Beschäftigten von Schlecker, Aldi
und Lidl zur Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen, war ein
erstes starkes Signal an die Beschäftigten. Gewerkschaftliche Schlüsselerfahrungen einer der Ursprungsgewerkschaften des Fachbereichs Handel in ver.di, der Gewerkschaft HBV, mit den Kampagnen bei Schlecker, Nanz und Schöpflin in den 90er Jahren weisen den Weg, der gegangen werden muss, um auch bei Lidl erfolgreich sein zu können. Die hier genannten Beispiele hatten mobilisierende Wirkung
auf viele, die sich unmittelbar mit der Sphäre der Arbeit beschäftigen,
mit den konkreten Arbeitsbedingungen, der Einhaltung von Demokratie im
Betrieb und der Durchsetzung der Interessen der meist weiblichen Beschäftigten. Diese positive Erfahrung muss auch bei Lidl wieder entdeckt, neu belebt, aktualisiert und auf die Spezifik des sozialen Gegners justiert werden. Das setzt allerdings im Fachbereich Handel ein eher unkonventionel-les, ein neues Denken in neuen sozialen Zusammenhängen und die Suche nach entsprechenden Bündnissen voraus, die über die betriebliche Sphäre und die häufig praktizierten Strategien und Taktiken gewerkschaftlicher Arbeit hinausgeht. Da Lidl ein bundesweit und international agierendes Unternehmen ist, braucht es für einen nachhaltigen Erfolg in der Vernetzung, besonders aber auf gewerkschaftlicher Seite, eine bundesweite Interaktion und Koordination, um den Dialog zwischen den Akteuren bundesweit mit zu organisieren. Aufgrund der in der Vergangenheit nicht zu leugnenden auch negativen Erfahrungen mit Einzelinteressen, Egoismen und mancher Unzulänglichkeit in der Organisation solcher dezentral agierenden Bündnissen, scheint mir eine Gewichtung und Auswertung der vielfältigen Informationen in einem gemeinsamen Steuerungsausschuss für ein erfolgreiches Wirken Voraussetzung. Gemeinsame Verabredungen über Zeitschienen, Inhalte, Teilinhalte und Schwerpunkte sind unabdingbar. Die Intensivierung von Kontakten über internationale gewerkschaftliche Verbindungen kann das unterstützen. Lokale Aktivitäten, die Impulsgeber in den Regionen sind und Multiplikator-Funktion haben, wirken gleichermaßen auf die Koordinierung ein, bestimmen so den Gesamtprozess mit und sind umgekehrt Relaisstationen für die Verabredungen auf der koordinierenden Ebene in die Regionen und die lokalen sozialen Netzwerke. Unsere Ziele dabei sind:
Um diese Ziele erreichen zu können, wird es entscheidend darauf ankommen, wie lebendig soziale lokale Netzwerke im Bündnis aufgebaut werden können, wie sie sich regional und bundesweit vernetzen und aktiv und öffentlich die sozialen Bedingungen in den Betrieben, der Region und damit der Republik nachhaltig verändern wollen. Da der Aspekt des sozialen Bündnisses in Verbindung mit der betrieblichen Sphäre einen unverkennbar emanzipatorischen Ansatz hat, käme die Gewerkschaft ihrem nach wie vor postulierten Grundsatz, nämlich in die Gesellschaft gestaltend einzugreifen, wieder ein Stück näher. Die Zeit bis zu den nächsten Betriebs-ratswahlen in 2006 muss genutzt werden, um die Beschäftigten bei Lidl und die potenziellen Bündnispart-ner, lokal und in den Regionen, zu sensibilisieren, die Netzwerke zum Leben zu erwecken und zu stabilisieren.
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