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Updated: 18.12.2012 15:51
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Prozess um Gleichbehandlung: Wal-Mart gegen 1,6 Millionen Arbeiterinnen

Die größte Handelskette der Welt sieht sich dem größten Gruppenverfahren der US-Geschichte gegenüber. Ros Davidson berichtet aus Kalifornien

Eines der großzügigsten Unternehmen in Amerika und ein Inbegriff der Integrität. So beschrieb US Vize-Präsident Dick Cheney den WalMart Konzern, als er letzten Monat eines der Logistikzentren des Einzelhändlergiganten im sogenannten "Bibel-Gürtel" besuchte.

Nicht jede/r würde dem zustimmen. Die Supermarktkette, Amerika’s größter Arbeitegeber gleich hinter dem Staat, sieht sich seinem vielleicht bisher härtesten Kampf gegenüber: einem Verfahren wegen sexueller Diskriminierung in Namen von 1,6 Millionen derzeitiger und ehemaliger weiblicher Beschäftiger.

WalMart, der größte Einzelhandelskonzern der Welt und ein Symbol der amerikanischen Niedriglohngesellschaft, wird verklagt wegen systematischer Diskriminierung bei Bezahlung und Beförderung. Die Beschuldigungen erhielten kürzlich insbesondere Nahrung durch die Entscheidung eines Richters, der eine Gruppenklage aller weiblicher Beschäftigten der Firma in den USA zuließ.

Die Anwälte des Unternehmens und die sechs Klageführerinnen – darunter die Baptistenpredigerin Betty Dukes – sind nächsten Monat zu einem Gerichtstermin in San Francisco geladen. Während Fachleute betonen, dass Firmen solche Fälle normalerweise außergerichtlich regeln, um einen großen Wirbel zu vermeiden, gilt WaltMart als kompromisslos und hart.

Dukes, 54, arbeitet als Empfangsdame im Sam’s Club (die Warenhauskette gehört Wal-Mart) östlich von San Francisco. Nach ihren Angaben hat sie während ihrer 10jährigen Beschäftigung in dem Laden ständig und vergeblich Bemühungen unternommen, um an Trainingskursen für Managementaufgaben teilnehmen zu können, nur um zu sehen, dass die Leitungsfunktionen ausschließlich an Männer vergeben wurden. Als sie sich beschwerte, so sagt sie, wurde sie zurückgestuft und ihr Lohn gekürzt. Erst im letzten Jahr wurde ihr Lohn auf rund € 10,50 angehoben. Einer anderen Frau wurde angeblich gesagt: "Männer sind hier, um Karriere zu machen – Frauen nicht."

Fast 200 weibliche Wal-Mart haben in eidesstattlichen Versicherungen ähnliche Erfahrungen bestätigt.

Arbeiterinnen bestätigen, dass ihr Jahreslohn etwa € 900 unter dem der Männer läge, während bei den Angestellten Frauen sogar € 12.000 weniger an Gehalt bekommen würden. Führungspositionen würden in der Regel nicht ausgeschrieben, sondern an gewogene Beschäftigte – normalerweise Männer – vergeben.

WalMart sieht sich derzeit Dutzenden Klagen in Zusammenhang mit Löhnen, Überstunden, illegaler Beschäftigung von MigrantInnen und unzureichenden Sozialleistungszahlungen an den Staat gegenüber.

Die Firma, die in Großbritannien die Asda-Kette besitzt, hat bestätigt, dass Hausmeister und Reinigungskräfte Nachts bei der Arbeit in jedem zehnten ihrer Märkte eingeschlossen wurden, als Schutz vor Diebstählen und – wie das Unternehmen sagt – zum Schutz der MitarbeiterInnen.

Der Konzern, dessen Märkte überwiegend in ländlichen, konservativen Gegenden liegen, erfährt derzeit Widerstand bei dem Versuch, sich in dichter besiedelten Mittelstandsgegenden anzusiedeln. Dabei erfuhr WalMart einen herben Rückschlag, als die Bewohner eines Stadtteils von Los Angeles die Ansiedlung eines Superstores verhinderten – trotz einer fast € 1 Mio. teuren Kampagne der Firma.

Nach der Einschätzung von Robert Blattberg von der Northwestern University in Illinois wird das Verfahren gegen WalMart Auswirkungen auf andere Einzelhandelskonzerne haben und diese zur einer Überprüfung ihrer Gleichberechtigungsgrundsätze zwingen. "Die meisten Unternehmen geben eine Menge Geld aus, um derlei Probleme zu verhindern."

Eine Niederlage könnte für WalMart einen Schaden in Millardenhöhe durch Nachzahlung von Löhnen und Schadensersatz bedeuten. In einem ähnlichen Verfahren wurde der weltgrößte Möbelmarkt Home Depot vor sieben Jahren in einem Vergleich zu einer durchschnittlichen Zahlung von € 3.450 pro weiblichen Beschäftigten verpflichtet. Auswirkungen auf den Umsatz dürfte das Verfahren indes kaum haben.

"Das Ganze ist nicht richtig. Männer und Frauen machen die Gleiche Arbeit", sagte Joe Lawler (36) beim Verlassen eines WalMart in Kalifornien am Freitag. Nach seiner Kenntnis würde die Neuansiedlung eines WalMarts kleiner Geschäfte aus dem Markt drängen und das Lohnniveau senken. Warum er trotzdem dort kauft? Weil es billig ist.

Pat Brackins, eine 52jährige Lehrerin, war weniger verständnisvoll. "Die Frauen sollten die Firma lieber verlassen, als sich zu beklagen. Die Leute jammern zu viel," sagte sie, während sie ihren Einkaufswagen mit Windeln und Klopapier über den Parkplatz schob. "Außerdem hab’ ich gehört, dass Wal-Mart gute Sozialleistungen bietet." Tatsächlich sind weniger als die Hälfte der WalMart Beschäftigten krankenversichert.

Im letzten Jahr waren die Verkaufszahlen des Konzerns höher, als das Bruttoinlandsprodukt Schwedens. Die Firmengründer, die Familie Walton, sind die achtreichste Familie in den USA.

Vieles bei WalMart erscheint gigantisch. Einige Märkte umfassen die Fläche von 17 Fußballfeldern, deren Regale bestückt sind mit Mega-Packungen Waschpulver, billigen T-Shirts aus China und € 3-Baumwollhandtüchern.

WalMart, die gegen den Gerichtsbescheid Widerspruch eingelegt haben, versuchen den Imageschaden durch eine Anzeigenkampagne unter dem Titel "good jobs" zu begrenzen, die am Wochenende in Schwung kommen wird und sich an weibliche Beschäftigte und Minderheiten richtet – oder "Partner", wie ArbeiterInnen genannt werden.

Die Firmenkultur mit ihren Abziehbildern, die überall in den Märkten angeklebt sind, ist bizarr: Es gibt sogar einen Wal-Mart Anfeuerungsruf, in dem die ArbeiterInnen rufen: "Gib’ mir ein W! Gib’ mir ein A! Gib’ mir ein L! Gib’ mir ein Squiggly (dies bezeichnet den Stern/Bindestrichen im Firmenlogo). Dieser Anfeuerungsruf, der von Kritikern als erniedrigend für die Beschäftigten erachtet wird, wurde von einem der Konzerngründer, Sam Walton, nach dem Besuch eienr südkoreanischen Fabrik erfunden.

In diesem Monat trafen sich 15.000 Beschäftigte und Aktionäre zur Jahreshauptversammlung in einem Fußballstadion in Arkansas. R&B-Star Patti LaBelle sang dabei das Lied "Somewhere over the Rainbow".

Bei der Intonierung des Wal-Mart-Rufes wurde der Chef der Finanzabteilung Tom Schoewe angeblich beim Tanzen zwischen den Sitzreihen beobachtet und der frühere Geschäftsführer David Glass führte mit der Oscargewinnerin Halle Berry – die Kosmetika promoted hatte – einen Twist auf.


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