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Updated: 18.12.2012 15:51
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Wo die Not am größten, kann die Rettung recht nahe sein. Oder: "Alternativen zu Massenentlassungen bei ARCANDOR"

Arcandor beantragte die Insolvenz für 15 weitere Tochtergesellschaften, wie das Unternehmen und das Amtsgericht Essen mitteilten. Dabei handelt es sich vor allem um Firmen, die Dienstleistungen für die bereits insolventen Konzernteile Karstadt, Quelle und Primondo übernehmen. Bei den Tochterfirmen sind nach Unternehmensangaben rund 6700 Mitarbeiter beschäftigt. Damit steigt die Zahl der von der Arcandor-Insolvenz betroffenen Mitarbeiter auf rund 50.000. Bei den Firmen handelt es sich unter anderem um die Gesellschaft für den weltweiten Einkauf, die Logistik und die Call Center von Primondo oder den technischen Kundendienst. Die Insolvenz der Tochtergesellschaften sei "wirtschaftlich geboten" und "strategisch sinnvoll", erklärte Arcandor. Der Geschäftsbetrieb der Firmen werde aufrecht erhalten.

Die Entscheidungen werden dann ab sofort von den jeweiligen Insolvenzabwicklern getroffen.

Diese suchen natürlich nach "vernünftigen" Lösungen für alle Beteiligten. Ein Teil der Filialen wird mit Sicherheit an Mitbewerber wie METRO verkauft werden, aber diese haben natürlich nur an den "lukrativen" Filialen Interesse und werden sicherlich einige Sparten zusammenlegen und anschließend MitarbeiterInnen entlassen.

Zu den Arcandor eigenen Betrieben, die "schwarze Zahlen " schreiben, gehört auch die Sparte "Tourismus", konkreter: die Thomas Cook Reisen - Kette. Diese Sparten sind wohl auch nicht von der Insolvenz betroffen und sollen gehalten werden.

Was dann mit den "nicht gewollten" Filialen passiert, ist fraglich.

Es wäre sicherlich Aufgabe der Gewerkschafter, nicht nur über direkte finanzielle "Zuschüsse" zur Rettung von ARCANDOR zu diskutieren (die wiederum der Steuerzahler letztendlich zu zahlen hat), sondern auch über die Übernahme durch die jeweiligen Belegschaften als mögliche und sinnvolle Option zu drohenden Entlassungen und der damit verbundenen Erwerbslosigkeit von Tausender von Beschäftigten. Dies ist aus unserer Sicht sicherlich die beste Alternative zur drohenden Erwerbslosigkeit. Ansonsten kämen ja wiederum Kosten auf den Staat, auf die Kommunen zu, in Form von Arbeitslosengeld und anderen Transferleistungen. Wie ein entsprechendes Betriebsübernahmekonzept "von unten" aussehen könnte, wie es dann schließlich auch umzusetzen ist - möglichst ohne den Verlust von Arbeitsplätzen - sollten wir mit progressiven Gewerkschaftern, Ökonomen, Betriebswirtschaftlern, mit VertreterInnen von NGOs, mit VertreterInnen von Kommunen und den Ländern und - selbstverständlich - mit den Beschäftigen "vor Ort" schnellstens diskutieren, da uns die Zeit davon läuft und die Kapitalseite Fakten schaffen wird, die eine direkte Umsetzung eines solchen Projektes ("ArbeiterInnen übernehmen und führen ihren Betrieb in Eigenregie!") stark erschwert. Ob dies allerdings in so kurzer Zeit möglich ist, wissen wir alle nicht - wir sollten es aber zumindest versuchen. Aus diesem Grund ist ein schnelles Handeln angesagt. Wir können und sollten uns mit dieser Forderung öffentliches Gehör verschaffen. Die Sympathie innerhalb der Bevölkerung wird uns für eine solche demokratische, fortschrittliche Option sicher sein. Ob die Vermieter der Objekte und das ARCANDOR - Management dies wollen, ist fraglich. Aber auch diese Schwierigkeit sollte ebenfalls verhandelbar sein. Den Vermietern geht es primär darum, dass sie die Miete erhalten. Und warum sollte ein Betrieb, dessen Belegschaft "in Eigenregie" handelt, schlechter wirtschaften als ein privates Unternehmen? Im Gegenteil: Da die jeweils erzielte Wertschöpfung der Belegschaft direkt "vor Ort" zugute kommt, sind die dort Beschäftigten selbstverständlich hoch motiviert (intrinsisch als auch extrinsisch), die Wertschöpfung in ihren jeweiligen Kaufhäusern zu erhöhen. Sie wird dann nach einem vorher demokratisch auszuhandelnden Verteilungsschlüssel an die Belegschaften monatlich ausgezahlt.

Da die Belegschaften auch - wie gehabt - Subunternehmen "ins Boot" holen werden, wird ein solches Projekt betriebswirtschaftlich zusätzlich gut abgesichert sein.

Bei einzelnen Kaufhäusern ist dies ja schon in der Vergangenheit so oder ähnlich gemacht worden. Ein Beispiel ist das in Familienhand liegende Kaufhaus "Moses" in Bad Neuenahr. Dieses als Familienbetrieb geführte Kaufhaus wurde zuerst an die Kette "Galeria Kaufhof" verkauft. Das damalige Management wollte das Unternehmen "Moses" aber aus betriebwirtschaftlichen Gründen schnell wieder schließen. Dies konnte damals von einem ehemaligen Mitarbeiter und einem weiteren privaten Investor aus der Stadt Bad Neuenahr, RLP, verhindert werden. Sie kauften das Kaufhaus von "Galeria Kaufhof" zurück und konnten so, mit einem neuen betriebswirtschaftlichen Konzept - und den gleichen Mitarbeitern - das Kaufhaus erfolgreich weiterführen. Es ist aber nicht so, dass dieses Kaufhaus nun in der Hand der dort Beschäftigten liegt- leider nicht. Das Kaufhaus "Moses" in Bad Neuenahr wird als eine sogenannte "kleine AG" privat in Form eines Familienbetriebes geführt, das sich zur Zeit in "schwarzen Zahlen" befindet.

Eine damalige Filiale des Kaufhauses Moses war mal für einige Zeit im Besitz der Kommune. Auch das wäre ein sicherlich interessanter Ansatz, wenn Kommunen überprüfen, ob es Sinn macht, hier oder da einen größeren, mittelständischen Betrieb ins kommunale Eigentum zu überführen, wenn er "in die roten Zahlen" gerät, um (prophylaktisch!) Arbeitsplätze und die örtliche Versorgung mit entsprechenden Dienstleistungen, zu sichern. Auch hier sollte die Devise lauten: "Agieren ist besser als reagieren!". In diesem Fall würde die Kommune als aktives oder passives Wirtschaftssubjekt fungieren und dadurch neue Arbeitsplätze schaffen, oder zumindest bestehende sichern. Nebenbei: Was spricht gegen Konsumläden, die in Form eines Vereins, einer demokratisch strukturierten Genossenschaft zugunsten der örtlichen Bevölkerung, geführt werden? Auch Kommunen könnten hier "aktiv" werden, um eine Orts nahe Versorgung mit alltäglichen Gütern zu gewährleisten. Insbesondere alte und kranke Menschen, oder Kinder, können aus diversen Gründen die oftmals weit außerhalb der Stadtgrenzen liegenden Discounter nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen erreichen (meistens nur mittels des Öffentlichen Nahverkehrs - was zum Beispiel den Transport von schweren Lebensmitteltüten nicht gerade leichter macht). Da sind fußgängige, nah liegende Konsumläden in den Zentren der Gemeinden, der Städte, eine deutliche Erleichterung beim alltäglichen Einkauf. Und: Ein Konzept, dass Konsumläden nicht auf die "grüne Wiese" verbannt, sondern in den Innenstädten belässt, ist auch deutlich ökologischer, als mit dem Auto oftmals größere Strecken zu fahren, nur, um einen der zahlreichen Konsumtempel, die man mitten in die Landschaft hingeklotzt hat, zu erreichen. Ein solches Konzept hilft darüber hinaus auch mit, die fortschreitende Verödung unserer Innenstädte zu verhindern. Dadurch wird eine Stadt, eine Gemeinde, für die dort lebenden Menschen auch ein Stück lebenswerter.

Ein solches Vorgehen ist aus unserer Sicht auch bei den einzelnen Filialen von Karstadt denk- und umsetzbar. Wenn statt eines einzelnen Käufers die Belegschaft (oder ein Teil der Belegschaft) die verschiedenen Filialen "kaufen" oder "übernehmen" würden (zum Beispiel mit Hilfe des Staates, der Gewerkschaften, unserer Partei, der jeweiligen Kommune als Bürgen und der finanziellen Unterstützung der Banken, bevorzugt von regional agierenden Banken wie Raiffeisenbanken, Sparkassen und Volksbanken) und jede Filiale für sich ein eigenes Konzept entwickeln könnte, abgestimmt auf die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten, dann wäre das zwar keine einfache Lösung, aber sicherlich eine vernünftige, demokratische und sozial verträgliche Lösung!

Es ist auch die Aufgabe der Gewerkschaften und der außerparlamentarischen Linken, in den betroffenen Orten auf die Mitarbeiter zuzugehen und Hilfestellung anzubieten! Zumindest sollten wir über diese von uns skizzierten Möglichkeiten in breiter Form, also öffentlich, diskutieren. Oft liegt eine Lösung nahe, man übersieht sie nur oder hat Angst, weil es für viele zu "neu" und ungewöhnlich ist. Wir sollten entsprechend kreative Handlungsmöglichkeiten und Handlungsperspektiven, wie oben aufgeführt, selbstbewusst und energisch in die Öffentlichkeit tragen- und zwar schnellstens! Packen wir's gemeinsam an!

Artikel von Marion Morassi, Bad Neuenahr und Wolfgang Huste, Ver.di - Mitglied Bonn/Rhein-Sieg; Moderator von Attac Rhein - Sieg, 03.07.2009


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