Home > Branchen > Call-Center > Betriebe > MCS > mcsDA | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Miese Nummer Die Auseinandersetzungen im Callcenter der Telekom-Auskunft 11833 gehen weiter Am 31. Januar platzte die Bombe bei der MultiCom Services GmbH (MCS): die verbliebenen 300 Agents des Callcenters in Berlin-Spandau erhielten überraschend ihre Kündigung zum 28. Februar. Bereits seit Herbst letzten Jahres hatte das Subunternehmen der Telekom scheibchenweise 200 Stellen abgewickelt. Am 31. Mai sollte gänzlich Schluß sein mit den freundlichen Helfern der 11833 aus Spandau (siehe da167). Laut Geschäftsführer Thomas Weisser habe die
Telekom den Auftrag nun vorzeitig gekündigt. Dies war der Telekom
zwar nicht bekannt. So versicherte der Telekom-Sprecher Hans Ehnert der
Presse: »Der Vertrag zwischen der MCS und der Deutschen Telekom
läuft bis zum 31. Mai«. Aber Demgegenüber herrschte in der Belegschaft eine resignative Stimmung und ein Betriebsrat, für den die Bezeichnung passiv noch recht lebendig klingt. Für die FAU und die unabhängige Betriebsgruppe, die sich im Herbst letzten Jahres gründete, war deshalb recht schnell klar, daß es in einem ersten Schritt darum ging, die Belegschaft über ihre Rechte zu informieren und zusammenzubringen. Broschüren, Flyer und die Betriebszeitung „Die Auskunft“ zeigten ihre Wirkung. Die Agents fingen an, kritische Fragen auf der Betriebsversammlung zu stellen. Studentische Hilfskräfte zogen vors Arbeitsgericht. Die Stimmung wurde zumindest bei Teilen der Belegschaft kämpferischer. Verständlich, daß sich Geschäftsführer
Weisser am 1. Februar nur in Begleitung von breitschultrigen Security-Kräften
auf das Betriebsgelände traute. Kurzfristig einberufene Betriebsversammlungen
unterband er durch in Anspruchnahme des Hausrechts. Gewerkschaftsvertreter
konnten nur mit Die Agents reichten derweil Klagen beim Arbeitsgericht gegen die Kündigungen ein. Rechtlich fragwürdig ist nicht nur die Begründung, auch wurde der Betriebsrat nicht über die Massenentlassungen informiert. Aber der Unmut der Beschäftigten fand auch andere Wege: beim Frankfurter Anwaltsbüro des MCS-Alleingesellschafters Gerald I. Brandt mußte man verwunderten Kunden der 11833 des öfteren erklären, daß sie aufgrund „technischer Probleme“ nicht bei der Auskunft gelandet sind. Wegrouten nennt sich das im Fachjargon. Die MCS fährt hingegen mit ihrer inszenierten Insolvenz fort. „An den Computern tauchten plötzlich kleine Aufkleber „Eigentum der Deutschen Telekom AG“ auf“, berichtet Markus Klawitter, der seit anderthalb Jahren bei MCS fest angestellt ist. Und was Telekom-Sprecher Ehnert der Presse verschwieg: inzwischen hat die Telekom der Vertragsübernahme durch eine Nachfolgefirma unter dem Namen CSS zugestimmt. Mit der selben Geschäftsführung, dem selben Eigentümer, dem selben Sitz – und teilweise den selben Beschäftigten. „Schon frühzeitig guckten sich die Teamleiter gefügige Agents aus, die nicht klagten und nicht aufmuckten“, so Markus Klawitter. Er selbst dürfte nicht dazugehören. Schon zu Beginn des Konflikts war er der FAU beigetreten und hat am Aufbau der unabhängigen Betriebsgruppe mitgewirkt. Am 10. Februar zogen auf Initiative der Betriebsgruppe und der FAU 40 Agents und Unterstützer vor die Haupstadtpräsenz der Telekom. Ziel war es den eigentlichen Profiteur ins Visier zu nehmen. In einem Offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Telekom Ricke machten sie deutlich, daß sie die Strategie der Telekom, sich durch Outsourcing ihrer Verantwortung zu entziehen, nicht hinnehmen würden. Sie forderten die Auszahlung der ausstehenden Lohnzahlungen, die Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards und die Weiterbeschäftigung durch die Telekom nach den hausüblichen Bedingungen – ein „Insourcing“ sozusagen. Flankierend wurde von der FAU eine internationale Email-,
Fax- und Briefkampagne gestartet und die Presse mobilisiert. Telekom und
MCS wurden mit zahlreichen Protestschreiben von Einzelpersonen und Gewerkschaften
bombardiert: u.a. von mehreren Gliederungen der FAU, der französischen
CNT, der spanischen CNT und CGT, der Arbeiter-Union aus Moskau, der englischen
Solidarity Federation, der IAA-Sektion Portugal, der schwedischen SUF,
der FAU Schweiz und dem IAA-Sekretariat aus Oslo. Die Presse berichtete
ausführlich über die Proteste (Morgenpost, Welt, Daß die Aktion ihre Wirkung nicht verfehlte, zeigten
bereits die ersten Reaktionen. MCS-Geschäftsführer Weisser verfaßte
schon im Vorfeld eine Mitarbeiterinformation, in der er schäumend
vor der Teilnahme an der Protestaktion warnt: „Dies bringt hauptsächlich
der ausführenden Gewerkschaft eine postive Presse und neue Mitglieder.“
Ohne die öffentliche Aufmerksamkeit hätte sich wohl auch die
Spandauer Bezirksverordnetenversammlung nicht genötigt gesehen, sich
zu solidarisieren.In einer Resolution forderte sie den Bezirksbürgermeister Die Telekom mußte aufgebrachte Kunden beruhigen,
sie sei doch nur Kunde der MCS. Ähnlich lautete der Tenor in einem
ausführlichen Antwortschreiben der Telekom auf den Offenen Brief.
Man sah sich genötigt „zu einer Versachlichung der Diskussion“
beizutragen. Man sei doch nur Auftraggeber, „das zur Verfügung
stellen von Arbeitsmitteln – wie beispielsweise PC oder Software
– eine reine Sicherstellung von Arbeitsleistung und –qualität“.
Von einer „Sicherstellung“ von Eine Antwort, die zu erwarten war. Inwieweit die Telekom mit solchen Ausflüchten davonkommt, hängt natürlich nicht zuletzt von der Entschlossenheit der Belegschaft ab. Auf den Betriebsrat können sie dabei nicht hoffen, er hat hat es bis heute nicht geschafft, eine Betriebsversammlung auf die Beine zu stellen. Auch Verdi verhält sich auffallend passiv. Die Auseinandersetzungen gehen auf jeden Fall weiter. Die Löhne für Januar sind bis heute nicht ausgezahlt. Am ersten März werden die Agents wie gewohnt zur Arbeit gehen. Mal sehen was passiert. Hansi Oostinga Aus: Direkte Aktion, Nr. 168, März/April 2005 Das Labournet hat eine Sonderseite
zu MCS eingerichtet, wo Presseartikel, der Offene Brief, die Betriebszeitung
etc. zu finden sind.
|