letzte Änderung am 22. Januar 2004 | |
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Am 8. Dezember stellte der Berliner Völkerrechtler Christian Tomuschat im Firmensitz von Daimler Chrysler seinen Bericht über die Verantwortung von Mercedes Benz Argentina eingeladenen Pressevertretern vor. Ein "Parteigutachten" und eine "verpaßte Gelegenheit der Ein-Mann-Kommission", urteilte selbst die Neue Zürcher Zeitung. "Ein Skandal, daß sich ein einst renommierter Wissenschaftler dafür hergibt", so die Frankfurter Rundschau.
Ausführliche Stellungnahmen und Analysen zum Tomuschatbericht und seiner Arbeit, vorgelegt u.a. von den "Kritischen Aktionären", Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, den überlebenden Betriebsräten und Hinterbliebenen und von mir sind einzusehen auf: www.kritischeaktionaere.de/Konzernkritik/DaimlerChrysler/Dcarg/dcarg.html
"Tomuschat verhöhnt die Opfer", heißt es darin. Ich bitte die Leser, die Details dort nachzulesen.
Ich möchte auf die undurchsichtige Rolle eingehen, die Leitung von Amnesty International gespielt hat. Sie läßt sich, ohne zu widersprechen, von Daimler Chrysler als Alibi benutzen, um über die Verbrechen weiter den Mantel des Schweigens zu legen. Sie stellt einen Persilschein aus.
Zunächst hat AI, als es um die Einsetzung der Untersuchungskommission ging, alle bisher in dieser Sache für die Menschenrechte Streitenden, die auch in Kontakt mit den Überlebenden stehen, von den Verhandlungen mit der Firmenleitung ausgeschlossen und Geheimverhandlungen geführt. Das Ergebnis war die Beauftragung von Tomuschat, der Vorschlag von AI.
Wir hatten zwei andere Personen für die Leitung dieser Kommission vorgeschlagen, den argentinischen Nobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel und den lutheranischen Bischof Helmut Frenz, lange Jahre Generalsekretär von AI.
Eigentlich hätte es auf der Hand gelegen, daß Pérez Esquivel und Frenz wenigstens als zusätzliche Kommissionsmitglieder ernannt werden. Aber auch dies geschah aus merkwürdigen - von AI nicht beanstandeten - Gründen nicht. Tomuschat nahm zwei junge Studenten unter Vertrag, bezahlt nach BAT. Eine Kommission, mit Personen des öffentlichen Lebens und unterschiedlichen Meinungen, kam nicht zustande. Das wollte Daimler Chrysler. Die Generalsekretärin von AI, Barbara Lochbihler, hat aber an der Kommission nichts zu beanstanden, teilt sie mir auf Anfrage mit.
Selbst die eigene Basis wurde übergangen. Die Argentinien-Koordinationsgruppe, auch Mitglied in der Koalition gegen Straflosigkeit, hatte sich ausdrücklich für Frenz als Kommissionsleiter ausgesprochen. Ihr Vorschlag wurde übergangen, sie wurden zu den Geheimverhandlungen nicht zugelassen.
Der Tomuschatbericht hat in Argentinien heftige Kritik ausgelöst. Die meisten Mitglieder des Menschenrechtsausschusses des Parlaments haben ihn studiert und sind - "über den Zynismus entsetzt", so der Abgeordnete José Roselli. Daß Tomuschat "anti-gewerkschaftliche Aktivitäten von Mercedes Benz" verneint, sei Geschichtsfälschung, meint der Abgeordnete Francisco Gutierrez, Vizepräsident des Internationalen Metallarbeiterbundes, der selbst während der Diktatur im Gefängnis saß. Die Opfer können es nicht fassen. Tomuschat hat ihre Angebote, sich mit Angehörigen an einen Tisch zu setzen, abgelehnt. Er hat nur einen der damaligen Betriebsratsmitglieder befragt, an anderen war er nicht interessiert. Nicht einmal mit dem Gründer der Angestelltengewerkschaft, Sozialdemokrat und selbst gefoltert, wollte er sprechen. Auch nicht mit Staatsanwälten und Richtern. Aber er unterstellt dem Gefolterten und anderthalb Jahre verschwundenen Héctor Ratto "subjektive Gedankenassoziationen", und stellt seine Aussage als unrichtig dar, glaubt aber dem Beschuldigten Werksleiter. Dies ist einfach nur eine fiese, menschliche Gemeinheit. Und dann behauptet er, daß die meisten der Opfer ja gar keine Gewerkschafter waren, obwohl ihnen ,"den radikalen Elementen" (Firmenprotokoll), kurz zuvor aus politischen Gründen gekündigt worden war.
So werden die Opfer ein zweites Mal gedemütigt. Erst von den Militärs gefoltert und dann rauben ihnen bezahlte "Experten" ihre Würde als politische und gewerkschaftliche Akteure. Und was tut Amnesty International? Es akzeptiert den Bericht und schweigt zur Kritik.
Ich habe Frau Lochbihler um ein Urteil zu dem Bericht gebeten. Ihre einzige Kritik ist, daß sich Tomuschat "vorwiegend mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit" und nicht mit der "moralischen Verantwortung" auseinandersetzt. Und sie vermißt "Hinweise für die Zukunft".
Der Untersuchungsauftrag an Herrn Tomuschat erwähnt die strafrechtliche Seite gar nicht, sein Auftrag war die Untersuchung der Geschehnisse. Tomuschat hat sich aber als Strafverteidiger der Firma verwandt. Der Auftrag wurde verfehlt.
Die Opfer, die Gruppe der überlebenden Arbeiter und die Hinterbliebenen der Verschwundenen, haben AI zehn Fragen vorgelegt, wie sie die Arbeit von Tomuschat bewerten, ob sie sie - wie es Daimler in der Öffentlichkeit darstellt - als "seriös" betrachten. Diese Fragen seien zu "umfangreich" ("extensas"), antwortete der Arbeitskreis Wirtschaft und Menschenrechte und schwieg. Schickte aber eine Presseerklärung von AI zu Tomuschat mit, in der das Gutachten akzeptiert. Daß es Kritik gibt, wird erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt und auch auf Literaturhinweise verzichtet. Und Frau Lochbihler erkennt den Bericht an und erteilt ein Gütesiegel.
Eine bequeme Haltung. Beschämend für eine Organisation, die auf der Opferseite vermutet wird.
Ich fordere die AI-Mitglieder auf, dieses Verhalten nicht zu akzeptieren. Ihr seid es, die die Organisation aufgebaut habt und ihr durch eure - unbezahlte, tägliche - Arbeit einen Ruf verschafft habt. Ich bitte euch, auch im Namen der Repressions-Opfer von Mercedes Benz Argentinien, ein neues Gutachten oder zumindest eine neue Interpretation von einer UNABHÄNGIGEN Kommission zu fordern.
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